19a.4 Verrechnung (Aktivierung) von Wartetastenverlusten
19a.4.1 Allgemeines
Wartetastenverluste können auf zwei Arten genutzt werden, nämlich durch Verrechnung
- mit Gewinnanteilen und
- Einlagen (Einlageüberhängen) ins Gesellschaftsvermögen.
Die Verrechnung mit späteren Gewinnen bewirkt, dass diese im Umfang der Wartetastenverluste nicht steuerpflichtig sind. Da der Saldo aus Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben schon bei der Entstehung des Wartetastenverlustes ausgeblendet wird, ist er auch hier nicht zu berücksichtigen.
Durch Einlagen(überhänge) ins Gesellschaftsvermögen werden Wartetastenverluste im Einlagenjahr „aktiviert“, das heißt, sie werden mit anderen Einkünften ausgleichs- und – soweit dies nicht möglich ist – vortragsfähig und zwar auch dann, wenn in diesem Jahr weitere Verlustanteile auf Wartetaste zu legen sind. Zum Begriff der Einlagen siehe unten Rz 6044 ff.
Die Verrechnung erfolgt ehestmöglich. Liegen in einem Jahr sowohl ein Gewinnanteil als auch ein Einlagenüberhang vor, ist der Gewinnanteil vorrangig mit Wartetastenverlusten zu verrechnen.
Beispiel:
Es besteht ein Wartetastenverlust aus 2016 von -5.000. Der Ergebnisanteil aus der Mitunternehmerschaft (Sonderbetriebseinnahmen oder -ausgaben liegen nicht vor) für 2017 beträgt +3.000.
Dieser Gewinnanteil ist (unabhängig vom Kapitalkontenstand) mit dem Wartetastenverlust zu verrechnen und ist daher nicht steuerpflichtig. Es verbleibt ein Verlust von -2.000 auf Wartetaste.
Leistet der Mitunternehmer im Jahr 2018 Einlagen (Nachschüsse) von 3.000 (=Einlagenüberhang), werden 2018 auch die restlichen -2.000 ausgleichs- und vortragsfähig. Die zur Wartetastenaktivierung nicht mehr benötigten 1.000 füllen das Kapitalkonto auf, bei positivem Kapitalstand erhöhen sie das Verlustausgleichspotenzial für 2018.
19a.4.2 Relevante Einlagen iSd § 23a EStG 1988
Einlagen sind nur insoweit relevant, als sie ins Gesellschaftsvermögen (Gesamthandvermögen der KG) erfolgen und tatsächlich geleistet werden. Ausstehende Einlagen erweitern den Stand des KapK I und damit des Verlustausgleichspotenzials von kapitalistischen Mitunternehmern nicht.
Gleichgültig ist, ob und wann Gewinnanteile oder Vergütungen iSd § 23 Z 2 EStG 1988 vom Gesellschafter entnommen werden. Entnahmen sind vielmehr nur dann iSd § 23a Abs. 3 EStG 1988 kapitalkontenrelevant, wenn sie außerhalb solcher Vergütungen Gesellschaftsvermögen (also KapK I) betreffen. Gleiches gilt – wie im vorstehenden Absatz gesagt – für Einlagen.
Für Zwecke des § 23a EStG 1988 ist vom unternehmensrechtlichen Einlagetatbestand auszugehen; das bedeutet, dass Forderungen aus Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft nur dann das KapK I erhöhen, wenn auf diese ausdrücklich verzichtet wird (und damit auch gesellschaftsrechtlich eine Einlage vorliegt).
Beispiel:
Der kap. MU C überlässt der AC KG einen im SBV befindlichen G+B für jährlich 10. In der Regel werden die 10 tatsächlich geleistet, im Jahr 2016 wird jedoch bloß eine Forderung eingestellt.
Im Jahr 2017 verzichtet C auf diese Forderung.
Im Jahr 2016 liegt unternehmensrechtlich eine Forderung vor; steuerlich wird aufgrund § 23 Z 2 EStG 1988 die Leistungsbeziehung negiert und dementsprechend ist die Forderung von 10 Teil des steuerlichen Eigenkapitals. Da Sonderbetriebseinnahmen gemäß § 23a Abs. 3 Z 2 EStG 1988 nicht zu berücksichtigen sind, sind die 10 im KapK II zu erfassen.
Der Verzicht bewirkt im Jahr 2017 unternehmensrechtlich eine Einlage; es erhöht sich damit auch der Haftungsfonds. Dementsprechend sind sie aus dem KapK II auszuscheiden und erhöhen die 10 das KapK I.
Wird eine Einlage lediglich vor dem Bilanzstichtag offenkundig deshalb geleistet, um die Ausgleichsfähigkeit von Verlusten zu erreichen, und bald darauf wieder entnommen, gilt sie nicht als dem Betriebsvermögen zugeführt, zumal sie auch nur kurzfristig die Haftung des kapitalistischen Mitunternehmers ganz oder teilweise ausschließt. Die Rechtsprechung des VwGH zu § 11 EStG 1972 und zu § 11a EStG 1988 (VwGH 11.05.1983, 82/13/0239; VwGH 09.11.1994, 92/13/0305; VwGH 24.06.2010, 2007/15/0261) ist sinngemäß anzuwenden.
Als Einlage gilt auch eine tatsächliche Haftungsinanspruchnahme des Gesellschafters. Bloße Haftungszusagen oder ähnliche interne und auch externe Haftungsverpflichtungen reichen für eine Erweiterung des KapK I (oder für eine Aktivierung von bestehenden Wartetastenverlusten) nicht aus.
19a.5 Änderung der Rechtsstellung des Mitunternehmers
Wird der kapitalistische Mitunternehmer zu einem unbeschränkt haftenden Mitunternehmer nach § 128 UGB (Komplementär, Offener Gesellschafter), löst dies eine Verrechenbarkeit der Wartetastenverluste aus, weil nunmehr eine unbeschränkte Haftung auch für Altschulden eintritt. Maßgebend ist die Stellung zum Schluss des Wirtschaftsjahres.
Wandelt sich die Stellung bloß auf Grund einer erhöhten Mitunternehmerinitiative, löst dies hingegen keine Verrechenbarkeit von bisherigen Wartetastenverlusten aus. Lediglich die ab diesem Zeitpunkt neu entstehenden Verluste unterliegen nicht mehr dem § 23a EStG 1988. Maßgeblich ist das Überwiegen im Wirtschaftsjahr.
19a.6 Ausscheiden des Mitunternehmers
Bei der entgeltlichen Übertragung des Mitunternehmeranteils kommt es zu einer Verrechnung des restlichen Wartetastenverlustes mit dem Veräußerungsgewinn, der jedenfalls in Höhe des negativen Kapitalkontos, das nicht aufgefüllt werden muss (§ 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988), anzusetzen ist. In der Regel werden damit die Wartetastenverluste aufgebraucht sein.
Sollten noch Wartetastenverluste verbleiben, wandeln sich diese – anders als bei § 2 Abs. 2a EStG 1988 – nicht in ausgleichs- oder vortragsfähige Verluste. Eine Aktivierung durch bspw. eine spätere Haftungsinanspruchnahme ist möglich.
Wird der Mitunternehmeranteil unentgeltlich übertragen, gehen die Wartetastenverluste auf den Übernehmer über und können vom Rechtsnachfolger weiterhin im Regime des § 23a EStG 1988 verrechnet werden.
19a.7 Sonderthemen zu § 23a EStG 1988
Mehrstöckige Mitunternehmerschaften:
Bei mehrstöckigen Mitunternehmerschaften, bei denen die Gesellschafter der beteiligten (Ober-)Mitunternehmerschaft gleichzeitig Mitunternehmer der Mitunternehmerschaft sind, an der die Beteiligung gehalten wird, hat die Beurteilung, ob eine kapitalistische Mitunternehmerbeteiligung vorliegt, auf jeder Ebene der einzelnen Mitunternehmerschaft gesondert zu erfolgen.
Ist die Beteiligung an der Unterpersonengesellschaft als kapitalistische Mitunternehmerbeteiligung zu qualifizieren, kann ein „Hochschleusen“ der Verlusttangente nachträglich nichts mehr an der Einstufung als § 23a EStG 1988-Verlust ändern.
Es kann daher nicht dazu kommen, dass ein § 23a-Verlust regulär verrechnet werden kann, wenn bei der darüber liegenden Mitunternehmerschaft keine kapitalistische Beteiligung vorliegt. Die Tangente der Obergesellschaft ist somit „aufzuspalten“.
Ebenso ist die Tangente für den Fall einer als kapitalistische Mitunternehmerbeteiligung zu qualifizierenden Obergesellschaft aufzuteilen, wenn an der Untergesellschaft eine Beteiligung mit unbeschränkter Haftung oder mit ausgeprägter Mitunternehmerinitiative besteht. In diesem Fall unterliegt die Verlustzuweisung aus der Untergesellschaft nicht den Beschränkungen des § 23a EStG 1988.
Mitunternehmerschaften mit Auslandsbezug:
Auch Mitunternehmerschaften mit Auslandsbezug fallen unter § 23a EStG 1988. Betroffen können sein
- Inländische Beteiligte an ausländischen Mitunternehmerschaften
- Ausländische Beteiligte an inländischen Mitunternehmerschaften
- Ausländische Mitunternehmerschaften mit inländischer Betriebsstätte
Ob eine ausländische Mitunternehmerbeteiligung als kapitalistische Beteiligung iSd § 23a EStG 1988 einzustufen ist, richtet sich dabei danach, ob eine ausgeprägte Mitunternehmerinitiative und nach ausländischem Recht eine unbeschränkte Haftung vorliegt. Bei Einkünften aus ausländischen Mitunternehmerschaften hat eine entsprechende Darstellung in einer Beilage zur Einkommensteuererklärung des Beteiligten zu erfolgen.
Umgründungen:
Wird eine kapitalistische Mitunternehmerbeteiligung gemäß Art. III UmgrStG eingebracht, geht ein verbleibender Wartetastenverlust nach Maßgabe der Bestimmungen des § 21 UmgrStG iVm § 4 UmgrStG auf die übernehmende Körperschaft über. Kraft ausdrücklicher Regelung des § 21 letzter Satz UmgrStG idF AbgÄG 2015 kommen bei der übernehmenden Körperschaft weiterhin die Beschränkungen des § 23a EStG 1988 sinngemäß zur Anwendung, obwohl § 23a EStG 1988 grundsätzlich nur für natürliche Personen gilt (siehe auch UmgrStR 2002 Rz 1177 und 1190).
Randzahlen 6052 bis 6100: derzeit frei
20 Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 27 EStG 1988)
20.1 Allgemeines
20.1.1 Wesen der Kapitaleinkünfte
20.1.1.1 Rechtslage bis zum Budgetbegleitgesetz 2011
Bis zum Budgetbegleitgesetz 2011 (BBG 2011) wurden unter den Einkünften aus Kapitalvermögen nur die Früchte aus der entgeltlichen Überlassung von Kapital und die damit zusammenhängenden Aufwendungen erfasst. Werterhöhungen, Wertminderungen und der gänzliche Verlust des Kapitalstammes waren dementsprechend im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich unerheblich und allenfalls im Rahmen der sonstigen Einkünfte (§ 30 und § 31 EStG 1988) steuerrelevant.
20.1.1.2 Neuordnung durch das BBG 2011
Die Besteuerung von Kapitalvermögen wurde mit dem BBG 2011 neu geordnet, systematisiert und ausgedehnt:
- § 27 EStG 1988 umfasst neben den Früchten aus der Überlassung von Kapital auch Wertänderungen des Kapitalstammes („Substanzgewinne“ bzw. „Substanzverluste“) sowie Einkünfte aus Derivaten. Wertänderungen des Kapitalstammes sind unabhängig von der Behaltedauer und der Beteiligungshöhe stets steuerpflichtig.
- Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen – unabhängig von der Erhebungsart – grundsätzlich einem besonderen Steuersatz von 25% bzw. seit Inkrafttreten des StRefG 2015/2016 einem besonderen Steuersatz von 25% oder 27,5% (siehe dazu Abschnitt 20.1.1.4 bzw. Abschnitt 20.3)
- Auch Substanzgewinne sowie Einkünfte aus Derivaten unterliegen der Kapitalertragsteuer (siehe dazu Abschnitt 29.2.2). Dazu wurden die §§ 27 sowie 93 bis 97 EStG 1988 neu konzipiert.
- Im Ergebnis werden somit Früchte und Substanz gleich behandelt.
Fließen anlässlich der Veräußerung von Kapitalvermögen anteilig Einkünfte aus der Überlassung von Kapital („Stückzinsen“) zu, werden diese nicht als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital erfasst, sondern wie der veräußerte Kapitalstamm behandelt: Gemäß § 27a Abs. 3 Z 2 lit. a EStG 1988 sind sie beim Veräußerer Teil des Veräußerungserlöses, beim Erwerber Teil der Anschaffungskosten. Der Einkauf von Stückzinsen führt daher nicht mehr zur Gewährung einer KESt-Gutschrift, sondern zu erhöhten Anschaffungskosten. Entsprechendes gilt, wenn die Veräußerung lediglich fingiert wird; somit sind Stückzinsen bei einer Depotübertragung oder einer Entstrickung im Sinne des § 27 Abs. 6 EStG 1988 Bestandteil des gemeinen Werts im Sinne des § 27a Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988.
Beispiele:
1. A erwirbt eine Nullkuponanleihe (Ausgabewert 100, Einlösungswert 110) um 106 (darin sind Stückzinsen in Höhe von 4 enthalten) und veräußert sie zwei Monate später um 108 weiter (darin sind Stückzinsen in Höhe von 5 enthalten).
Nach der Rechtslage vor dem BBG 2011 bekäme A beim Erwerb eine KESt-Gutschrift iHv 1 (= 25% von 4); seine Anschaffungskosten würden 102 betragen. Bei der Veräußerung würde ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 1 anfallen (= 103-102), gleichzeitig würde Kapitalertragsteuer in Höhe von 1,25 anfallen (= 25% von 5). Im Ergebnis hätte A daher Kapitalertragsteuer von 0,25 geleistet und einen Veräußerungsgewinn von 1 versteuert.
Nach dem BBG 2011 hat A Anschaffungskosten in Höhe von 106. Im Zuge der Veräußerung sind diese einem Veräußerungserlös von 108 gegenüberzustellen; die Differenz in Höhe von 2 unterliegt der 27,5-prozentigen Besteuerung (bzw. 25-prozentigen Besteuerung bis zum 1.1.2016).
2. A erwirbt eine Nullkuponanleihe (Ausgabewert 100, Einlösungswert 110) um 106 (darin sind Stückzinsen in Höhe von 4 enthalten) und hält sie bis zur Einlösung.
Nach der Rechtslage vor dem BBG 2011 bekäme A beim Erwerb eine KESt-Gutschrift iHv 1 (= 25% von 4); seine Anschaffungskosten würden 102 betragen. Bei der Einlösung würde Kapitalertragsteuer in Höhe von 2,5 anfallen. Im Ergebnis hätte A daher Kapitalertragsteuer von 1,5 geleistet. Der Untergang der Anschaffungskosten wäre steuerneutral.
Nach dem BBG 2011 hat A Anschaffungskosten in Höhe von 106. Im Zuge der Einlösung sind diese einem Einlösungsbetrag von 110 gegenüberzustellen; die Differenz in Höhe von 4 unterliegt der 27,5-prozentigen Besteuerung (bzw. 25-prozentigen Besteuerung bis zum 1.1.2016).
3. A erwirbt eine Nullkuponanleihe (Ausgabewert 100, Einlösungswert 110) um 104 (darin sind Stückzinsen in Höhe von 4 enthalten) und veräußert sie zwei Monate später um 104 weiter (darin sind Stückzinsen in Höhe von 5 enthalten).
Nach der Rechtslage vor dem BBG 2011 bekäme A beim Erwerb eine KESt-Gutschrift iHv 1 (= 25% von 4); seine Anschaffungskosten würden 100 betragen. Bei der Veräußerung würde ein Veräußerungsverlust in Höhe von 1 anfallen (= 99-100), gleichzeitig würde Kapitalertragsteuer in Höhe von 1,25 anfallen (= 25% von 5). Im Ergebnis hätte A daher Kapitalertragsteuer von 0,25 geleistet und einen Veräußerungsverlust in Höhe von 1, der nur gegen andere Spekulationseinkünfte ausgleichsfähig ist.
Nach dem BBG 2011 hat A Anschaffungskosten in Höhe von 104. Im Zuge der Veräußerung sind diese einem Veräußerungserlös von 104 gegenüberzustellen; es fällt keine Steuer an.