9.3 Übertragung stiller Reserven, Übertragungsrücklage und steuerfreier Betrag
9.3.1 Wirkungsweise
Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines neu angeschafften (hergestellten) Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens werden um die stille(n) Rücklage(n) des (der) ausgeschiedenen Wirtschaftsgutes(-güter) vermindert und damit eine sofortige Versteuerung der aufgedeckten stillen Reserve(n) verhindert. Stille Reserve ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Erlös und dem Restbuchwert (nach laufender Abschreibung) des ausgeschiedenen Wirtschaftsgutes. Veräußerungskosten sind als laufender Aufwand zu behandeln und kürzen nicht den Unterschiedsbetrag. Dies gilt nicht für Veräußerungskosten bei Grundstücksveräußerungen, die nur auf Grund der Anordnung des § 4 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 abzugsfähig sind (zB Kosten der Selbstberechnung). In diesem Fall ergibt sich die übertragbare stille Reserve aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Erlös und der Summe aus dem Restbuchwert (nach laufender Abschreibung) und den gemäß § 4 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 abzugsfähigen Aufwendungen und Minderbeträgen aus Vorsteuerberichtigungen.
Beispiel:
A veräußert einen als Lagerplatz genutzten Grund und Boden um 40.000 Euro. Der Buchwert des Grund und Bodens beträgt 25.000 Euro. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes für die Grundstücksveräußerung werden die Kosten für die Selbstberechnung und Entrichtung der ImmoESt in Höhe von 500 Euro abgezogen, sodass der steuerpflichtige Gewinn 14.500 Euro beträgt.
Sollen auf einen ersatzweise angeschafften Grund und Boden die stillen Reserven des veräußerten Grund und Bodens übertragen werden, sind auch diese stillen Reserven um die Kosten der Selbstberechnung und Übermittlung bei Ermittlung der stillen Reserven zu berücksichtigen. Die übertragbaren stillen Reserven betragen daher 14.500 Euro und nicht 15.000 Euro.
Aufgedeckte stille Reserven können teilweise sofort versteuert und teilweise übertragen werden. Der bei teilweiser Übertragung verbleibende Rest kann entweder einer offenen Rücklage zugeführt oder versteuert werden. Eine Übertragung von stillen Reserven ist im selben Wirtschaftsjahr auch auf vor der Veräußerung angeschaffte Wirtschaftsgüter zulässig.
Eine Übertragung stiller Reserven (Bildung eines steuerfreien Betrages nach § 12 EStG 1988) ist bei Anwendung der LuF-PauschVO 2011 sowie der LuF-PauschVO 2015 nicht möglich.
Die LuF-PauschVO 2011 sowie die LuF-PauschVO 2015 sieht – vom Nebenerwerb abgesehen – für die Gewinnermittlung hinsichtlich der verschiedenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebszweige ausschließlich eine Voll- oder Teilpauschalierung vor. Gemäß § 1 Abs. 1 LuF-PauschVO 2011 bzw. LuF-PauschVO 2015 ist die Anwendung der Verordnung bloß auf einzelne Betriebszweige oder einzelne betriebliche Tätigkeiten unzulässig. Im Hinblick darauf kommt für Steuerpflichtige, die von der LuF-PauschVO 2011 bzw. von der LuF-PauschVO 2015 Gebrauch machen, die Übertragung stiller Reserven (Bildung eines steuerfreien Betrages) nicht in Betracht, weil es zu einer steuerlichen Erfassung der unversteuert gebliebenen stillen Reserve infolge der Pauschalierung nicht mehr kommen kann.
Bei Anwendung der LuF-PauschVO 2011 bzw. LuF-PauschVO 2015 (BGBl. II Nr. 125/2013 idF BGBl. II Nr. 164/2014) sind von der Pauschalierung die regelmäßig im Betrieb anfallenden Rechtsgeschäfte und Vorgänge erfasst. Im Unterschied zu der in größeren zeitlichen Abständen erfolgenden Erneuerung des Maschinenparks, die in den Anwendungsbereich der LuF-PauschVO 2011 bzw. LuF-PauschVO 2015 fällt (siehe dazu Rz 4175), stellt die Veräußerung und Anschaffung von Grundstücken kein regelmäßiges Rechtsgeschäft dar (siehe Rz 4157a). Die Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen unterliegen grundsätzlich dem besonderen Steuersatz und sind nicht Teil des Gesamtbetrages der Einkünfte und des Einkommens im Sinne des § 33 EStG 1988; sie sind daher immer gesondert zu ermitteln, wobei die Übertragung stiller Reserven (Bildung eines steuerfreien Betrages) nach § 12 EStG 1988 zulässig ist.
9.3.2 Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes
9.3.2.1 Veräußerung, Veräußerungserlös
Veräußerung bedeutet Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen gegen Entgelt (zB Verkauf, Tausch, Ausscheiden durch höhere Gewalt, Enteignung, Tilgung von Wertpapieren, Einziehung von Aktien bei effektiver Kapitalherabsetzung). Die Entnahme von Wirtschaftsgütern (siehe Rz 2476 ff) ist kein Veräußerungsvorgang. Es ist jedoch nicht schädlich, wenn das Wirtschaftsgut seinerzeit im Wege einer Einlage dem Betriebsvermögen zugeführt worden ist. Auch wenn bei einem schwebenden Dauervertrag (zB Mietrecht) Anschaffungskosten nicht zu bilanzieren waren, ist eine aufgedeckte stille Reserve übertragbar. Das Aktivierungsverbot nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 und der Umstand, dass gemäß § 13 EStG 1988 vom Wahlrecht der Sofortabschreibung Gebrauch gemacht worden ist, ändern nichts an der Übertragbarkeit der bei der Veräußerung des Wirtschaftsgutes aufgedeckten stillen Reserve.
Veräußerungserlös ist der beim Ausscheiden des Wirtschaftsgutes zufließende Betrag. Auch wenn auf Grund einer Neuwertversicherung die Vergütung weit über dem Zeitwert liegt, ist diese als maßgeblicher Veräußerungserlös zu betrachten (VwGH 14.5.1991, 91/14/0025).
9.3.2.2 Höhere Gewalt, behördlicher Eingriff
Für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die zufolge höherer Gewalt, durch behördlichen Eingriff oder zur Vermeidung eines nachweisbar unmittelbar drohenden Eingriffes ausscheiden, gelten die Behaltefristen (siehe Rz 3876 ff) nicht. Unter höherer Gewalt ist ein von außen einwirkendes Ereignis zu verstehen, das vom Steuerpflichtigen nicht zu verantworten ist, auch durch äußerste Sorgfalt nicht zu verhindern war und keine typische Betriebsgefahr darstellt. Ein Verschulden oder unsachgemäße Behandlung und Pflege schließt das Vorliegen von höherer Gewalt aus (VwGH 8.6.1979, 1340/78; VwGH 25.3.1966, 1564/65); dies gilt auch dann, wenn eine Handlung dem Rechtsvorgänger zuzurechnen ist (VwGH 14.9.1956, 0059/54). Der Begriff der höheren Gewalt trifft auch für den Bereich des § 37 Abs. 6 EStG 1988 zu (siehe Rz 7334).
Für den Nachweis des drohenden behördlichen Eingriffes (siehe dazu Rz 7371) genügt es, wenn sich aus den entsprechenden Unterlagen ergibt, dass die Veräußerung an die Gebietskörperschaft der Vermeidung des drohenden Eingriffes gedient hat.
Höhere Gewalt liegt nicht vor, wenn eine Gebietskörperschaft als Grundeigentümer einen Kündigungsgrund geltend gemacht hat, den auch jeder private Eigentümer hätte geltend machen können (VfGH 24.6.1966, B 3/66).
Stille Rücklagen können bei Ausscheiden durch höhere Gewalt nur insoweit entstehen, als die Entschädigung für das untergegangene Wirtschaftsgut selbst geleistet wird und nicht für Schäden, die Folge des Ausscheidens sind (zB Aufräumungskosten, entgangener Gewinn).
9.3.3 Übertragungsmöglichkeiten
Die nach der Übertragung verbleibenden Beträge gelten als Anschaffungskosten und bilden somit die Basis für die Berechnung der AfA, für die Dotierung eines investitionsbedingten Gewinnfreibetrages usw. Stille Reserven können auch von den in der jeweiligen Bilanz zu aktivierenden Teilanschaffungs- oder Teilherstellungskosten abgezogen werden.
9.3.3.1 Sonstige körperliche und unkörperliche Wirtschaftsgüter
Stille Reserven, die aus sonstigen körperlichen Wirtschaftsgütern (körperliche Wirtschaftsgüter mit Ausnahme von Grundstücken im Sinne des § 30 Abs. 1 EStG 1988) stammen, dürfen nur auf sonstige körperliche Wirtschaftsgüter übertragen werden. Ebenso verhält es sich bei unkörperlichen Wirtschaftsgütern. Nutzungsrechte (zB Mietrechte, Servitute, Fruchtgenussrechte) sind unkörperliche Wirtschaftsgüter. Wird durch die Einräumung eines Nutzungsrechtes an einem Wirtschaftsgut jedoch wirtschaftliches Eigentum begründet, hat sich die Beurteilung am Wirtschaftsgut selbst zu orientieren. Zur Abgrenzung der körperlichen Wirtschaftsgüter von den unkörperlichen siehe im Übrigen Rz 454.
Rechtslage für Übertragungen stiller Reserven vor dem 1.4.2012
Für Übertragungen stiller Reserven auf körperliche Wirtschaftsgüter vor dem 1.4.2012 besteht keine Einschränkung hinsichtlich stiller Reserven aus der Veräußerung von Gebäuden.
9.3.3.2 Besonderheiten
Die Übertragung stiller Reserven auf die Anschaffungskosten von Betrieben bzw. Teilbetrieben, von Beteiligungen an Personengesellschaften und von Finanzanlagen (siehe Rz 628) ist nicht zulässig. Ebenso können stille Reserven nicht übertragen werden, die aus der Veräußerung von Betrieben bzw. Teilbetrieben oder von Beteiligungen an Personengesellschaften stammen. Dasselbe gilt auch für stille Reserven, die durch eine Betriebsaufgabe aufgedeckt werden. Die Reservenübertragung bezweckt ausschließlich die Förderung der echten Ersatzbeschaffung von Ausrüstungsgütern im aufrechten Betrieb. Daher steht die Veräußerung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen an verschiedene Erwerber der Reservenübertragung entgegen (VwGH 08.02.2007, 2006/15/0044).
Wirtschaftsgüter, auf welche stille Reserven oder Übertragungsrücklagen übertragen werden, müssen für eine inländische Betriebstätte angeschafft oder hergestellt worden sein.
Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 13.3.2003, G 334/02, im § 12 Abs. 3 EStG 1988 die Wortfolge „und von Finanzanlagen“ mit Ablauf des 31. Dezember 2003 aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Bestimmung für vor dem 31. Dezember 1996 getätigte Anschaffungen nicht mehr anzuwenden ist (Kundmachung BGBl. I Nr. 22/2003). Das 1996 eingeführte Übertragungsverbot stiller Reserven auf Finanzanlagen wurde durch das Budgetbegleitgesetz 2003 ab 1. Jänner 2004 wieder in Kraft gesetzt. Damit ist das Übertragungsverbot stiller Reserven auf Finanzanlagen – mit Ausnahme der VfGH-Anlassfälle – unverändert wirksam.
Die Übertragung auf Teilherstellungskosten ist zulässig.
Eine Übertragung stiller Reserven auf Anschaffungskosten von Grund und Boden ist nur zulässig, wenn auch die stillen Reserven aus der Veräußerung von Grund und Boden stammen. Stille Reserven aus Grund und Boden sind auch auf Gebäude übertragbar.
Eine Übertragung stiller Reserven auf Anschaffungskosten von Gebäuden ist nur zulässig, wenn auch die stillen Reserven aus der Veräußerung von Gebäuden oder Grund und Boden stammen.
Rechtslage für Übertragungen stiller Reserven vor dem 1.4.2012
Für eine Übertragung stiller Reserven auf Anschaffungskosten von Grund und Boden vor dem 1.4.2012 ist zusätzlich zu den sonstigen Voraussetzungen die Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG 1988 erforderlich. Stille Reserven aus Grund und Boden sind auch auf andere körperliche Wirtschaftsgüter übertragbar.
Handelt es sich bei dem veräußerten Grund und Boden, dessen stille Reserven übertragen werden sollen, um Altvermögen im Sinne des § 30 Abs. 4 EStG 1988, können die zu übertragenden stillen Reserven auch pauschal ermittelt werden. Mit der Reservenübertragung wird das Wahlrecht bezüglich der pauschalen Gewinnermittlung ausgeübt; eine nachträgliche Änderung der Methode der Ermittlung der übertragenen stillen Reserven im Falle der späteren Veräußerung des Ersatzwirtschaftsgutes ist nicht zulässig.
Wird auf ein bebautes Grundstück übertragen, so kann eine Aufteilung analog den entsprechenden Anschaffungskosten vorgenommen werden. Entscheidend ist die Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes, auf das die stille Reserve übertragen werden soll (bebautes Grundstück), zum Bilanzstichtag. Da es sich aber bei einem bebauten Grundstück um zwei selbständige Wirtschaftsgüter handelt, können die stillen Reserven (Grund und Boden und Gebäude) auch nur auf das Gebäude übertragen werden.
9.3.4 Ausweis der Rücklage
Rechtslage für Wirtschaftsjahre vor 2016:
Die Übertragung stiller Reserven bzw. die Bildung einer entsprechenden Rücklage muss für Wirtschaftsjahre vor 2016 bereits in der UGB-Bilanz erfolgen (siehe auch Rz 2467 ff, zur Bilanzänderung siehe Rz 653).
Rechtslage für Wirtschaftsjahre ab 2016:
Die Übertragung stiller Reserven bzw. die Bildung einer entsprechenden Rücklage kann für Wirtschaftsjahre ab 2016 bei der Gewinnermittlung gemäß § 5 Abs. 1 EStG 1988 unabhängig von der Behandlung im unternehmensrechtlichen Jahresabschluss ausschließlich in der Steuerbilanz – somit im Wege der Mehr-Weniger-Rechnung zur UGB-Bilanz – geltend gemacht werden.
Erfolgt die Übertragung der stillen Reserven auf ein neu angeschafftes Wirtschaftsgut, ist dieser Umstand für steuerliche Zwecke (durch einen entsprechenden Vermerk) im Anlageverzeichnis gesondert in Evidenz zu halten (§ 12 Abs. 1 Satz 2 EStG 1988 idF RÄG 2014). Es bestehen keine Bedenken, wenn bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 die Ausführungen zu § 5 EStG 1988 sinngemäß angewendet werden.
9.3.4.1 Nachträgliche Geltendmachung
Die nachträgliche Geltendmachung stellt eine Bilanzänderung dar, die den Regeln des § 4 Abs. 2 EStG 1988 unterliegt (VwGH 20.12.1994, 94/14/0086). Zur Bilanzänderung und Bilanzberichtigung siehe Rz 637 ff.
9.3.5 Behaltefristen
Die Behaltefrist beträgt grundsätzlich sieben Jahre.
Für folgende Wirtschaftsgüter ist die Behaltefrist von 15 Jahren vorgesehen:
- Grundstücke, auf deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten stille Reserven übertragen wurden und
- Gebäude, die iSd § 8 Abs. 2 EStG 1988 oder vorzeitig iSd EStG 1972 abgeschrieben wurden.
9.3.5.1 Berechnung der Behaltefristen
Für die Berechnung der Behaltefrist gilt das Stichtagsprinzip. Maßgeblich ist somit der Zeitraum zwischen dem Tag der tatsächlichen Anschaffung oder Herstellung und dem Tag des Ausscheidens. Es kommt nicht auf die Betriebszugehörigkeit an, sondern es muss das Wirtschaftsgut während der gesamten Behaltefrist demselben Steuerpflichtigen gehört haben und Anlagevermögen gewesen sein (ua. VfGH 20.6.1983, B 33/80).
Im Falle der Buchwertfortführung (siehe dazu auch Rz 2531) laufen die Behaltefristen des Rechtsvorgängers weiter.
9.3.5.1.1 Berechnung bei bebauten Grundstücken
Bei bebauten Grundstücken handelt es sich um zwei selbständige Wirtschaftsgüter. Daher ist die Behaltefrist für Grund und Boden und für das Gebäude jeweils gesondert zu berechnen. Für Zwecke der Ermittlung der auf den Grund und Boden entfallenden stillen Reserven zählen zum Grund und Boden auch Einrichtungen wie Kanalisation, Umzäunungen, Befestigungseinrichtungen usw. Wurde ein Tatbestand, der zur Verlängerung der Behaltefrist auf 15 Jahre führt, in Bezug auf einen Teil des Grund und Bodens oder einen Teil des Gebäudes gesetzt, dann verlängert sich die Behaltefrist jeweils für den ganzen Grund und Boden bzw. für das ganze Gebäude auf 15 Jahre.
Wird ein bebautes Grundstück veräußert, ist zur Ermittlung der auf Grund und Boden und Gebäude entfallenden stillen Reserven der Veräußerungserlös im Verhältnis der Verkehrswerte auf Grund und Boden und Gebäude aufzuteilen (siehe Rz 2613).
Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Übertragung stiller Reserven ist die Behaltefrist gemäß § 12 Abs. 3 EStG 1988 für Grund und Boden und Gebäude gesondert zu berechnen. Dabei ist immer auf den Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung des jeweiligen Wirtschaftsgutes abzustellen.
Dies gilt auch für Wirtschaftsgüter, auf die eine Übertragung stiller Reserven vor dem 1.4.2012 stattgefunden hat.
Beispiel 1:
Im Jahre 2012 wird Grund und Boden angeschafft und darauf keine stillen Reserven übertragen. Auf die Herstellungskosten des im Jahre 2014 errichteten Gebäudes werden stille Reserven übertragen. Das bebaute Grundstück wird im Jahre 2022 veräußert.
Die Behaltefrist für den Grund und Boden beträgt 7 Jahre und jene für das Gebäude 15 Jahre.
Im Jahr 2022 befindet sich der Grund und Boden bereits seit mehr als 7 Jahren im Anlagevermögen. Das Gebäude befindet sich ebenfalls seit mehr als 7 Jahren im Anlagevermögen, allerdings beträgt die Behaltefrist für das Gebäude 15 Jahre. Daher können lediglich die stillen Reserven des Grund und Bodens auf Grund und Boden und/oder Gebäude übertragen werden.
Beispiel 2:
Im Jahr 2012 wird Grund und Boden angeschafft. Im Zuge der Anschaffung werden stille Reserven auf den Grund und Boden übertragen. 2014 wird ein Gebäude ohne Übertragung stiller Reserven errichtet. Das bebaute Grundstück wird im Jahre 2022 veräußert.
Die Behaltefrist für den Grund und Boden beträgt 15 Jahre, für das Gebäude 7 Jahre.
Im Jahr der Veräußerung ist lediglich für das Gebäude die Behaltefrist erfüllt. Daher sind nur die stillen Reserven des Gebäudes auf Gebäude übertragbar.
Beispiel 3:
Im Jahr 2012 wird Grund und Boden angeschafft. Im Zuge der Anschaffung werden stille Reserven auf den Grund und Boden übertragen. 2014 wird ein Gebäude errichtet, wobei stille Reserven auf das Gebäude übertragen werden. Das bebaute Grundstück wird im Jahre 2028 veräußert.
Die Behaltefrist für den Grund und Boden und Gebäude beträgt jeweils 15 Jahre.
Im Jahr der Veräußerung ist lediglich für den Grund und Boden die Behaltefrist erfüllt. Daher sind nur die stillen Reserven des Grund und Bodens auf Grund und Boden und/oder Gebäude übertragbar.
Beispiel 4:
Im Jahre 1997 wird Grund und Boden angeschafft und darauf keine stillen Reserven übertragen. Auf die Herstellungskosten des im Jahre 2010 errichteten Gebäudes werden stille Reserven übertragen. Das bebaute Grundstück wird im Jahre 2013 veräußert.
Die Behaltefrist für den Grund und Boden beträgt 7 Jahre und jene für das Gebäude 15 Jahre.
Da sich der Grund und Boden im Jahre 2013 bereits mehr als 7 Jahre im Anlagevermögen befindet, können die stillen Reserven des Grund und Bodens auf Grund und Boden und/oder Gebäude übertragen werden. Die 15-jährige Behaltefrist für das Gebäude ist noch nicht erfüllt. Daher sind die stillen Reserven des Gebäudes nicht übertragbar.
9.3.6 Übertragungsrücklage
Insoweit stille Reserven nicht im Jahr ihrer Bildung übertragen werden, können diese einer Übertragungsrücklage zugeführt werden. Die Übertragungsrücklage ist bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 EStG 1988 entsprechend zu bezeichnen und für steuerliche Zwecke in Evidenz zu halten (§ 12 Abs. 8 Satz 2 und 3 EStG 1988 idF RÄG 2014). Es hat daher ein Ausweis der Übertragungsrücklage in der Steuerbilanz bzw. bei der Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG 1988 in einer gesonderten Aufstellung zur UGB-Bilanz (Mehr-Weniger-Rechnung) zu erfolgen.
Bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 kann ein Betrag in dieser Höhe steuerfrei belassen werden (siehe Rz 3887 f).
9.3.6.1 Verwendungsfristen
Die Rücklage (der steuerfreie Betrag) kann innerhalb von 12 Monaten ab dem Ausscheiden des Wirtschaftsgutes auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Anlagevermögen übertragen werden (Stichtagsprinzip). Erfolgte das Ausscheiden durch höhere Gewalt oder behördlichen Eingriff, verlängert sich die Übertragungsfrist auf 24 Monate. Die Verlängerung der Frist auf 24 Monate gilt ebenfalls, wenn auf Herstellungskosten von Gebäuden übertragen wird und mit der tatsächlichen Bauausführung („1. Spatenstich“) innerhalb der Frist von 12 Monaten ab dem Ausscheiden des Gebäudes begonnen wird.
Für Fälle, in denen die Aufdeckung der stillen Reserve nicht im Wirtschaftsjahr des Ausscheidens des Wirtschaftsgutes erfolgt, ist der Zeitpunkt der Aufdeckung der stillen Reserve für den Fristenlauf maßgeblich. Dies gilt sowohl in Fällen, in denen die zeitliche Divergenz zwischen dem Ausscheiden des Wirtschaftsgutes und der Aufdeckung der stillen Reserve auf die Maßgeblichkeit des Zu- und Abflussprinzips zurückzuführen ist als auch in Fällen, in denen bei Bilanzierern die Gewinnrealisierung nicht im Wirtschaftsjahr des Ausscheidens des Wirtschaftsgutes eintritt (zB weil der Anspruch dem Grunde nach strittig ist).
Eine frühestmögliche Übertragung ist nicht verpflichtend. Wurde eine Rücklage oder ein Teil davon nicht innerhalb der Frist verwendet, ist sie gewinnerhöhend aufzulösen. Stammen die stillen Reserven aus der Veräußerung eines mit Sondersteuersatz besteuerten Finanzvermögens oder eines Grundstückes, ist auf diese der besondere Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 EStG 1988 oder § 30a EStG 1988 anwendbar.
9.3.7 Steuerfreier Betrag
Der steuerfreie Betrag ist in einem Verzeichnis auszuweisen, aus dem die Verwendung ersichtlich ist. Wird dieses Verzeichnis nicht mit der Steuererklärung vorgelegt, ist eine Nachfrist von zwei Wochen zu setzen.
Wird bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 der Veräußerungserlös (die Entschädigungsleistung) erst in späteren Jahren vereinnahmt, so steht dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit offen, den Buchwert sofort als Betriebsausgabe abzusetzen oder nach Art eines Merkpostens zu behandeln (zum Zeitpunkt der Vereinnahmung siehe Rz 4601 ff). In beiden Fällen werden stille Reserven aufgedeckt, sobald der zugeflossene Veräußerungserlös (die zugeflossene Entschädigung) den Buchwert übersteigt (vgl. VwGH 26.6.1984, 83/14/0234). Die Frist für den Verwendungszeitraum beginnt in beiden Fällen mit dem Zeitpunkt der Aufdeckung der stillen Reserven.
Beispiel:
Im Jahr 1 wird ein Anlagegut (Buchwert nach Abschreibung 50.000, Behaltefrist erfüllt) um 80.000 veräußert. Es wird je eine Ratenzahlung für 1 und 2 von 40.000 vereinbart.
BW = Betriebsausgabe |
BW = Merkposten |
|
Jahr 1: |
||
Erste Rate |
40.000 |
40.000 |
Abfluss BW |
50.000 |
40.000 |
Verlust |
10.000 |
0 |
Jahr 2: |
||
Zweite Rate |
40.000 |
40.000 |
Abfluss BW |
0 |
10.000 |
Gewinn |
40.000 |
30.000 |
Bei beiden Varianten wird im Jahr 2 eine stille Reserve in Höhe von 30.000 S aufgedeckt. Diese kann im Jahr 2 übertragen oder einem steuerfreien Betrag zugeführt werden, wobei in letzterem Fall die Verwendungsfrist mit dem Zufließen der zweiten Ratenzahlung zu laufen beginnt.
9.3.8 Waldnutzungen
Fassung ab Veranlagung 2005:
Die Hälfte der Einkünfte aus Waldnutzungen infolge höherer Gewalt (Kalamitätsnutzung, siehe Rz 7338) gilt als übertragbare stille Reserve. Die Bildung einer Übertragungsrücklage gemäß § 12 Abs. 8 EStG 1988 ist ab 2005 ebenfalls zulässig, sofern die stillen Reserven auf Grund des Ausscheidens von Wirtschaftsgütern nach dem 31.12.2004 aufgedeckt werden und eine Übertragung im selben Wirtschaftsjahr nicht erfolgt (§ 12 Abs. 7 in Verbindung mit § 124b Z 117 EStG 1988 idF AbgÄG 2004).
Der ermäßigte Steuersatz ist auf Antrag des Steuerpflichtigen auf den Teil der Einkünfte aus Waldnutzungen infolge höherer Gewalt anzuwenden, der nach Abzug des als stille Reserve behandelten Betrages und nach Vornahme eines allfälligen Verlustausgleiches verbleibt. Kann angefallenes Kalamitätsholz nicht sofort nach dem Kalamitätsereignis aufgearbeitet werden, bestehen keine Bedenken, wenn die Übertragung in einem späteren Wirtschaftsjahr vorgenommen wird. Dies gilt jedoch nur insoweit als eine Aufdeckung der stillen Reserven innerhalb von 24 Monaten ab dem Kalamitätsereignis erfolgt und spätere Fällungen nicht in die betriebsplanmäßige Holznutzung einbezogen.
Die anlässlich der Veräußerung eines Waldgrundstückes aufgedeckten stillen Reserven des stehenden Holzes sind übertragbar (VwGH 16.6.1987, 86/14/0188).
9.3.9 Zuschreibung
Rechtslage für Wirtschaftsjahre vor 2016:
Wird in Wirtschaftsjahren vor 2016 die Übertragung stiller Reserven oder die Übertragungsrücklage durch Zuschreibung gemäß § 6 Z 13 EStG 1988 idF vor dem RÄG 2014 ganz oder teilweise rückgängig gemacht, so erhöht diese den Gewinn. Ist bereits eine Übertragung auf ein Wirtschaftsgut erfolgt, ist diese Zuschreibung für den steuerlichen Wertansatz des betreffenden Wirtschaftsgutes maßgeblich.
Rechtslage für Wirtschaftsjahre ab 2016:
Für bereits vor dem Wirtschaftsjahr 2016 unternehmensrechtlich gebildete unversteuerte Rücklagen (einschließlich Bewertungsreserven), die gemäß § 124b Z 271 EStG 1988 idF RÄG 2014 unabhängig von der Auflösung im unternehmensrechtlichen Jahresabschluss des Wirtschaftsjahres 2016 als steuerliche Rücklagen weitergeführt wurden, gilt dies weiterhin, weil auf diese § 6 Z 13 erster Satz EStG 1988 idF vor RÄG 2014 sinngemäß weiter anzuwenden ist.
Werden in Wirtschaftsjahren ab 2016 hingegen stille Reserven auf ein Wirtschaftsgut übertragen, gelten die um diese übertragenen stillen Reserven gekürzten Beträge als Anschaffungskosten (§ 12 Abs. 6 EStG 1988). Eine gänzliche oder teilweise Rückgängigmachung einer bereits erfolgten Übertragung stiller Reserven ist nicht möglich, weil eine Zuschreibung über die steuerlichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten nicht zulässig ist. Eine freiwillige gewinnerhöhende Auflösung einer ab 2016 gebildeten Übertragungsrücklage vor Ablauf der Verwendungsfristen gemäß § 12 Abs. 9 EStG 1988 ist jedoch möglich.
9.3.10 Ausschluss der Übertragbarkeit bei Körperschaften
Der Anwendungsbereich des § 12 EStG 1988 wird durch das Steuerreformgesetz 2005 auf natürliche Personen (Einzelunternehmer, Mitunternehmer als natürliche Person) eingeschränkt. Der Ausschluss von Körperschaften tritt stichtagsbezogen für stille Reserven ein, die nach dem 31. Dezember 2004 aufgedeckt werden, und zwar auch dann, wenn Anlagevermögen infolge höherer Gewalt, durch behördlichen Eingriff oder zur Vermeidung eines solchen aus dem Betriebsvermögen ausscheidet. Bis zum 31. Dezember 2004 aufgedeckte stille Reserven bleiben bei Körperschaften weiterhin übertragbar.
Beispiel:
Eine Körperschaft ermittelt ihren Gewinn nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr vom 1.7 bis 30.6. Veräußert sie ein Wirtschaftsgut mit einem Buchwert von 1.000 am 1.9.2004 um 5.000, kann sie die stillen Reserven von 4.000 im Wirtschaftsjahr 1.7.2004 bis 30.6.2005 entweder auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines in diesem Wirtschaftsjahr erworbenen Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens übertragen oder einer Übertragungsrücklage in der Bilanz zum 30.6.2005 zuführen.
Sind am Vermögen einer Mitunternehmerschaft natürliche Personen und Körperschaften beteiligt, können hinsichtlich der nach dem 31. Dezember 2004 aufgedeckten stillen Reserven von § 12 EStG 1988 nur die natürlichen Personen einheitlich (siehe Rz 5955) Gebrauch machen.
Die stillen Reserven werden dann nicht im Gesellschaftsvermögen übertragen bzw. einer offenen steuerfreien Rücklage zugeführt, sondern sind die Wertkorrekturen zu den Ansätzen in der Gesellschaftsbilanz in einer Ergänzungsbilanz vorzunehmen.
Beispiel:
An einer GmbH & Co KG sind am Vermögen die GmbH A zu 60% und die natürliche Person B zu 40% beteiligt. Im Wirtschaftsjahr 08 wird ein im Gesellschaftsvermögen stehendes Anlagegut mit einem Buchwert von 1.000 um 5.000 veräußert. Die stillen Reserven werden entweder auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines im Wirtschaftsjahr 08 erworbenen Anlagegutes übertragen oder einer Übertragungsrücklage zugeführt.
Im ersten Halbjahr eines Wirtschaftsjahres wird von der KG ein neues Anlagegut um 10.000 mit einer Nutzungsdauer von 10 Jahren angeschafft.
Gesellschaftsebene
- Auf Ebene der Gesellschaft sind die aufgedeckten stillen Reserven von 4.000 einnahmenwirksam zu erfassen.
- Das neu erworbene Anlagegut wird in der Bilanz der KG mit 10.000 aktiviert und jährlich entsprechend der Nutzungsdauer mit 1.000 abgeschrieben.
Gesellschafterebene
- Auf den Gesellschafter B entfallen 40% der stillen Reserven des veräußerten Anlagegutes.
- Macht der Gesellschafter B von § 12 EStG 1988 Gebrauch, ist der Betrag von 1.600 (= 40% von 4.000) bei ihm zunächst als Sonderbetriebsausgabe gewinnmindernd zu berücksichtigen.
- In weiterer Folge werden die stillen Reserven entweder auf die Anschaffungskosten des im selben Wirtschaftsjahr erworbenen Anlagegutes übertragen oder einer Übertragungsrücklage in der Ergänzungsbilanz zugeführt.
- Im Fall der Übertragung im selben Wirtschaftsjahr ist in eine Ergänzungsbilanz des Gesellschafters B ein passiver Ausgleichsposten „Minderwert Anlagegut“ (Bewertungsreserve § 12 EStG 1988) in Höhe von 1.600 einzustellen, der analog der Abschreibung der Anschaffungskosten jenes Anlagegutes, auf das die stillen Reserven übertragen wurden, verteilt auf zehn Jahre jährlich gewinnerhöhend als Sonderbetriebseinnahme zu erfassen ist. Dadurch wird die für den Gesellschafter B zu hohe Abschreibung in der Gesellschaftsbilanz korrigiert.
- Wird die Übertragungsrücklage in einer Ergänzungsbilanz gebildet, ist im Fall der Übertragung diese auf den passiven Ausgleichsposten „Minderwert Anlagegut“ (Bewertungsreserve § 12 EStG 1988) umzubuchen. Für die Auflösung gilt der erste Punkt.
- Scheidet dieses Wirtschaftsgut vor Ablauf der Nutzungsdauer aus dem Betriebsvermögen der KG aus, ist der noch verbleibende Minderwert vom Gesellschafter B im Wirtschaftsjahr des Ausscheidens des Wirtschaftsgutes zur Gänze als Sonderbetriebseinnahme zu erfassen.
Sind Körperschaften als bloße Arbeitsgesellschafter nicht am Vermögen der Mitunternehmerschaft beteiligt, sind aufgedeckte stille Reserven den natürlichen Personen zur Gänze zuzurechnen.
Gehen Übertragungsrücklagen (steuerfreie Beträge) auf eine Körperschaft über, erfolgt nur dann keine Nachversteuerung, wenn die stillen Reserven vor dem 1. Jänner 2005 aufgedeckt wurden. Bei Einbringung eines ganzen Betriebes nach Art. III UmgrStG sind Übertragungsrücklagen (steuerfreie Beträge) aus nach dem 31. Dezember 2004 aufgedeckten stillen Reserven zum Einbringungsstichtag jedenfalls nachzuversteuern. Wird nur ein Teilbetrieb nach Art. III eingebracht, kann die Übertragungsrücklage im verbleibenden Restbetrieb zurückbehalten werden. Bei Zusammenschlüssen nach Art. IV UmgrStG ist insoweit eine Nachversteuerung nicht vorzunehmen, als die Rücklagen (steuerfreien Beträge) weiterhin natürlichen Personen zuzurechnen sind.
9.4 Geringwertige Wirtschaftsgüter
9.4.1 Allgemeines
§ 13 EStG 1988 ermöglicht dem Abgabepflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen die Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern. Die Bestimmung ist insoweit eine Sondervorschrift zu § 7 EStG 1988. Die Regelung gilt für alle Gewinnermittlungsarten und ist auch bei den außerbetrieblichen Einkunftsarten anwendbar (§ 16 Abs. 1 Z 8 lit. a EStG 1988).
Hinsichtlich der Anwendbarkeit bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen siehe Rz 4127.
Die Sofortabschreibung erfolgt auch bei der Gewinnermittlung gemäß § 5 Abs. 1 EStG 1988 unabhängig von der Behandlung im unternehmensrechtlichen Jahresabschluss (§ 13 EStG 1988 idF RÄG 2014).
Wurde unternehmensrechtlich für Wirtschaftsjahre vor 2016 bei Vollabschreibung geringwertige Wirtschaftsgüter eine Bewertungsreserve gebildet und gemäß § 906 Abs. 31 UGB im Wirtschaftsjahr 2016 unternehmensrechtlich aufgelöst, kann diese steuerlich gemäß § 124b Z 271 EStG 1988 unabhängig vom unternehmensrechtlichen Jahresabschluss als steuerliche Rücklage weitergeführt werden (siehe dazu Rz 2475). In diesem Fall ist daher die unternehmensrechtliche Auflösung der Bewertungsreserve im Wirtschaftsjahr 2016 nicht steuerwirksam. Die steuerliche Rücklage ist allerdings über die unternehmensrechtliche Restnutzungsdauer der geringwertigen Wirtschaftsgüter im Wege der steuerlichen Mehr-Weniger-Rechnung aufzulösen.
9.4.1.1 Begünstigte Wirtschaftsgüter
Geringwertige Wirtschaftsgüter im Sinne des § 13 EStG 1988 sind abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, sofern die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das einzelne Wirtschaftsgut 400 Euro nicht übersteigen. Erfolgt die Anschaffung oder Herstellung unter Verwendung von entsprechenden gewidmeten gemäß § 6 Z 10 EStG 1988 steuerfreien Subventionen aus öffentlichen Mitteln, sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nur die vom Steuerpflichtigen aus anderen Mitteln geleisteten Aufwendungen (siehe dazu auch Rz 2539 ff). Fallen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten durch die Übertragung stiller Reserven oder durch die Gewährung steuerfreier Zuschüsse auf 400 Euro oder darunter, kann von der Sofortabschreibung Gebrauch gemacht werden.
Wird ein Wirtschaftsgut auch privat genutzt, kürzt der Anteil der privaten Nutzung nicht die maßgebenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten; die private Nutzung ist lediglich als Entnahme zu werten (siehe Rz 480; vgl. auch UFS 24.7.2012, RV/1042-W/12).
Begünstigt ist die Anschaffung ungebrauchter und gebrauchter Wirtschaftsgüter.
9.4.1.2 Ausschlüsse
Sind geringwertige Wirtschaftsgüter zur entgeltlichen Überlassung bestimmt (zB Kostüm-, Schiverleih), ist § 13 EStG 1988 ausdrücklich ausgeschlossen (siehe Rz 156 ff). Ist die entgeltliche Überlassung jedoch nur als völlig untergeordneter Nebenzweck anzusehen, kann § 13 EStG 1988 weiterhin in Anspruch genommen werden.
9.4.1.3 Zeitpunkt der Sofortabschreibung
Bei buchführenden Steuerpflichtigen hat die Sofortabschreibung im Jahr der Anschaffung bzw. Herstellung zu erfolgen, bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 sowie bei der Geltendmachung als Werbungskosten ist das Jahr der Verausgabung maßgeblich. Auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme kommt es nicht an. Zur Einlage von zunächst privat erworbenen Wirtschaftsgütern siehe Rz 441.
9.4.1.4 (Aktivierungs-)Wahlrecht
Die Sofortabschreibung stellt ein Wahlrecht des Abgabepflichtigen dar. Es kann für jedes Wirtschaftsgut einzeln und in jedem Wirtschaftsjahr unterschiedlich ausgeübt werden.
Wird von der Sofortabschreibung Gebrauch gemacht, steht für diese Wirtschaftsgüter, auch wenn deren betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zumindest vier Jahre beträgt, ein investitionsbedingter Gewinnfreibetrag nicht zu.
9.4.2 Mehrteilige Wirtschaftsgüter
Wirtschaftsgüter, die aus Teilen bestehen, sind als Einheit aufzufassen, wenn sie nach ihrem wirtschaftlichen Zweck oder nach der Verkehrsauffassung eine Einheit bilden.
Der Austausch von (selbständigen) Wirtschaftsgütern, die aber wirtschaftlich als ein einziges Wirtschaftgut (§ 13 EStG 1988) anzusehen sind, führt nicht zu sofort abziehbaren Betriebsausgaben (VwGH 8.5.2003, 99/15/0036).
Einzelfälle:
- Beleuchtungskörper: Grundsätzlich keine Einheit, außer wenn die Beleuchtungskörper im Raum auf Grund ihres Erscheinungsbildes eine Einheit ergeben;
- Bestuhlung eines Theaters bildet eine Einheit (VwGH 20.11.1964, 1671/63);
- Eine einheitliche Möbelgarnitur, die die wesentliche Einrichtung eines Zimmers bildet, kann nicht auf einzelne Wirtschaftsgüter aufgeteilt werden;
- Geschäftseinrichtung stellt grundsätzlich keine Einheit dar (VwGH 30.6.1987, 87/14/0046);
- EDV-Geräte wie PC und Drucker stellen kein einheitliches Wirtschaftsgut dar;
- Gasflaschen zur Lieferung von Gas an verschiedene Kunden kommen als geringwertige Wirtschaftsgüter in Betracht; ebenso Gaszähler (VwGH 17.2.1999, 97/14/0059);
- Schreibtischkombinationen aus Schreibtischen, Computerbeistelltischen und Rollcontainern können selbständig nutzbare Wirtschaftsgüter darstellen, wenn eine Trennung nicht zum Verlust der selbständigen Nutzbarkeit eines Teiles führt;
- Baugerüste stellen eine Einheit dar (VwGH 30.1.2014, 2011/15/0084).
Randzahlen 3901 bis 4000: derzeit frei