Die Einkommensteuerrichtlinien 2000 (EStR 2000) stellen einen Auslegungsbehelf zum Einkommensteuergesetz 1988 dar, der im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise mitgeteilt wird. Über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten können aus den Richtlinien nicht abgeleitet werden. Bei Erledigungen haben Zitierungen mit Hinweisen auf diese Richtlinien zu unterbleiben.
Die EStR 2000 sind ab der Veranlagung 2000 generell anzuwenden. Bei abgabenbehördlichen Prüfungen für vergangene Zeiträume und auf offene Veranlagungsfälle (insbesondere Veranlagung 1999) sind die EStR 2000 anzuwenden, soweit nicht für diese Zeiträume andere Bestimmungen in Gesetzen oder Verordnungen Gültigkeit haben oder andere Erlässe für diese Zeiträume günstigere Regelungen vorsehen. Rechtsauskünfte des Bundesministeriums für Finanzen in Einzelfällen sind – sofern sie den EStR 2000 nicht widersprechen – weiterhin zu beachten.
Die EStR 2000 sind als Zusammenfassung des geltenden Einkommensteuerrechts und damit als Nachschlagewerk für die Verwaltungspraxis und die betriebliche Praxis anzusehen.
1.1 Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht
Unbeschränkt steuerpflichtig sind alle natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, mit ihrem Welteinkommen. Dieser uneingeschränkte Besteuerungsanspruch kann zB durch zwischenstaatliche Vereinbarungen (Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung) oder innerstaatliche Maßnahmen (§ 48 BAO) eingeschränkt werden. Die unbeschränkte Steuerpflicht besteht unabhängig davon, ob steuerpflichtige Einkünfte vorliegen (Wohnsitzprinzip).
Fehlen die Anknüpfungspunkte für eine unbeschränkte Steuerpflicht, unterliegt die natürliche Person mit den in § 98 EStG 1988 taxativ aufgezählten Einkünften (Territorialitätsprinzip), von Ausnahmen abgesehen (zB Auslandsbeamte), der beschränkten Steuerpflicht.
Beim Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 EStG 1988 (siehe Rz 8201) gewährt werden.
Es ist im Allgemeinen sowohl verfassungs- (VfGH 27.6.1960, B 390/59; VfGH 15.3.1990, B 758/88; VfGH 16.6.1995, G 191/94) als auch gemeinschaftsrechtlich (EuGH 14.2.1995, Rs C-279/93) unbedenklich, unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige unterschiedlichen Besteuerungsregeln zu unterwerfen.
1.1.1 Steuerpflicht der natürlichen Person (§ 1 Abs. 1 EStG 1988)
1.1.1.1 Kreis der unbeschränkt Steuerpflichtigen
Die persönliche Steuerpflicht bezieht sich auf die einzelne natürliche Person (Individualbesteuerung).
Die Einkünfte von Personengesellschaften werden den Gesellschaftern (physischen oder juristischen Personen) direkt zugerechnet; sie unterliegen bei diesen der Einkommens- oder Körperschaftsbesteuerung. Die Gesellschafter einer ausländischen Gesellschaft werden bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen mit den von der Gesellschaft erzielten Einkünften zur Einkommens- oder Körperschaftsbesteuerung erfasst, sofern die ausländische Gesellschaft nach den Regeln des inländischen Steuerrechts einer Personengesellschaft vergleichbar ist.
Juristische Personen werden zur Körperschaftsteuer herangezogen. Der ruhende Nachlass ist idR kein Steuersubjekt (zur Zurechnung der Einkünfte siehe Rz 9 ff). Nur wenn der Nachlass „herrenlos“ ist, kann Steuerpflicht gegeben sein (VwGH 13.3.1997, 96/15/0102). In einem solchen Fall ist der ruhende Nachlass als nicht rechtsfähiges Zweckvermögen gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 KStG 1988 zu behandeln; ebenso das Massevermögen im Verlassenschaftskonkurs.
1.1.1.2 Beginn und Ende der Einkommensteuerpflicht
Die Steuerpflicht beginnt mit der Geburt und endet mit dem Tod. Staatsbürgerschaft, Geschäftsfähigkeit, Minder- oder Volljährigkeit sind für die Steuerpflicht ohne Belang. Im Fall der Konkurseröffnung bleibt der Steuerpflichtige Abgabenschuldner. Während des Konkursverfahrens sind Abgaben mit an den Masseverwalter zuzustellenden Bescheiden festzusetzen.
1.1.1.3 Erbfolge
Mit dem Todestag des Erblassers treten die Erben – im Verhältnis ihrer Erbansprüche – ertragsteuerlich in die Rechtsstellung des Erblassers ein (VwGH 13.3.1997, 96/15/0102) und bilden zusammen eine Miteigentumsgemeinschaft bzw. Mitunternehmerschaft (Gesamtrechtsnachfolge). Steuerschulden des Erblassers zählen zu den Nachlassverbindlichkeiten.
Bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 und § 5 EStG 1988 ist grundsätzlich zum Todeszeitpunkt eine Schlussbilanz aufzustellen. Erfolgt dies nicht, so bestehen keine Bedenken, anstelle der Aufstellung einer Bilanz zum Todeszeitpunkt die Einkünfte auf den Erblasser und die Erben zeitanteilig zuzuordnen. Eine für erbschaftssteuerliche Zwecke errichtete Todfallsbilanz hat für die Einkommensbesteuerung keine Bedeutung. Im Rahmen einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelte Einkünfte bzw. außerbetriebliche Einkünfte, die noch vom Erblasser erwirtschaftet worden sind, aber erst nach seinem Tod zufließen, sind nach dem Zuflussprinzip den Erben zuzurechnen; es bestehen aber keine Bedenken, die Einkünfte bei Fortsetzung der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zeitanteilig zuzuordnen (siehe Rz 109).
Der Übergang eines (Teil-)Betriebes oder Mitunternehmeranteiles verpflichtet den (die) Erben zur Fortführung der Buchwerte gemäß § 6 Z 9 lit. a EStG 1988.
Sind mehrere Personen zu Erben eines Betriebes berufen, wird der Betrieb aber nur von einem Erben gegen fremdübliche Abfindung an die Miterben weitergeführt, erzielen die weichenden Erben hinsichtlich der Unterschiedsbeträge zwischen den auf sie entfallenden Betriebsvermögensanteilen und den erhaltenen (höheren) Abfindungen Veräußerungsgewinne (VwGH 26.5.1998, 93/14/0191). Eine Nachlassteilung durch Wertausgleich mit nicht zur Erbmasse zählenden Wirtschaftsgütern und/oder Bargeld bewirkt jedoch so lange keine Gewinnverwirklichung, als der gemeine Wert der für die Übertragung des Betriebes erhaltenen Quote der Nachlassgegenstände die einzelne Ausgleichszahlung übersteigt (zur unentgeltlichen Teilbetriebsübertragung siehe Rz 5566 ff, zur Erbauseinandersetzung siehe Rz 134a ff).
Miterben bleibt es grundsätzlich unbenommen, Abmachungen darüber zu treffen, wem die Einkünfte aus der Verlassenschaft bis zur Einantwortung zufließen sollen (VwGH 11.12.1990, 90/14/0079). In diesem Fall hat sich auch die Zurechnung der Einkünfte nach dieser Abmachung zu richten. Wird einem Erben trotz Abgabe einer Erbserklärung letztlich die Erbschaft nicht eingeantwortet, können ihm auch die zwischenzeitlich angefallenen Einkünfte nicht zugerechnet werden, es sei denn, diese Einkünfte sind ihm tatsächlich zugeflossen. Wurden Einkünfte, deren Zurechnung mangels Einantwortung entfällt, bereits im Rahmen einer Veranlagung berücksichtigt, stellt das Unterbleiben der Einantwortung ein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO dar.
Einkünfte aus einem Legat sind dem Vermächtnisnehmer nach der Rechtsprechung (VwGH 06.06.1978, 2913/76; VwGH 20.11.1990, 89/14/0156; VwGH 21.04.2005, 2003/15/0022; VwGH 29.03.2007, 2004/15/0140) ertragsteuerlich ab jenem Zeitpunkt zuzurechnen, zu dem diesem auch die Einkunftsquelle tatsächlich übertragen wird. Dem Legatar sind die Einkünfte bereits vor der zivilrechtlicher Übertragung des Legats dann zuzurechnen, wenn er die Einkunftsquelle bereits selbst (oder im Wege eines Verlassenschaftskurators) (mit)bewirtschaftet und ihm die Früchte daraus zufließen.