104. Bemessungsgrundlage (Art. 4 UStG 1994)
104.1. Innergemeinschaftlicher Erwerb
3921
Der innergemeinschaftliche Erwerb wird grundsätzlich nach dem Entgelt bemessen. Verbrauchsteuern, die nicht im Entgelt enthalten sind, aber vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, sind in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Nach § 1 Z 2 NoVAG 1991 idF BGBl. I Nr. 34/2010, unterliegt ab 1.7.2010 der Normverbrauchsabgabe der innergemeinschaftliche Erwerb (Art. 1 UStG 1994) von Fahrzeugen, ausgenommen der Erwerb durch befugte Fahrzeughändler zur Weiterlieferung. Die NoVA ist beim innergemeinschaftlichen Erwerb nicht Teil der Bemessungsgrundlage (vgl. EuGH 22.12.2010, Rs C-433/09, Kommission/Österreich).
Die ausländische Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage, unabhängig davon, ob sie im Ausland als Vorsteuer geltend gemacht wurde oder werden konnte.
Randzahlen 3922 bis 3930: derzeit frei.
104.2. Innergemeinschaftliches Verbringen
3931
Die Bemessungsgrundlage für das Verbringen eines Gegenstandes ist nach den gleichen Grundsätzen wie beim Entnahmeeigenverbrauch zu ermitteln. Siehe auch Rz 679.
104.3. Normalwert
3932
Die Normalwertregelung des § 4 Abs. 9 UStG 1994 ist auf den innergemeinschaftlichen Erwerb (einschließlich des Erwerbs neuer Fahrzeuge) anzuwenden.
Randzahlen 3933 bis 3935: derzeit frei.
105. (Art. 5 UStG 1994 wurde nicht vergeben)
106. Steuerbefreiungen (Art. 6 UStG 1994)
106.1. Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen
Randzahlen 3936 bis 3940: derzeit frei.
106.2. Steuerfreiheit des innergemeinschaftlichen Erwerbs
3941
Steuerfrei ist der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen
- die im Art. 6 Abs. 2 Z 1 und 2 UStG 1994 ausdrücklich genannt sind. Es handelt sich dabei um Gegenstände, deren Lieferung auch im Inland steuerfrei wäre;
- deren Einfuhr nach den für die Einfuhrumsatzsteuer geltenden Vorschriften steuerfrei wäre (Art 6 Abs. 2 Z 3 UStG 1994, siehe auch Rz 1023 ff); darüber hinaus ist auch die Einfuhr von Zahnersatz steuerfrei (VwGH 28.9.2000, 99/16/0302), woraus sich die Steuerfreiheit des innergemeinschaftlichen Erwerbs von Zahnersatz ergibt. Die Bestimmung ist für Unternehmer bedeutsam, die nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt sind;
- die zur Ausführung von steuerfreien Umsätzen verwendet werden, für die der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach § 12 Abs. 3 UStG 1994 nicht eintritt. Das betrifft im Wesentlichen Erwerbe von Gegenständen, die zur Ausführung steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen oder steuerfreier Ausfuhrlieferungen vorgesehen sind. Eine trotzdem durchgeführte Erwerbsbesteuerung ist unschädlich.
- Von 30.1.2020 bis 31.12.2021 kann im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise (Beschluss (EU) 2020/491 der Kommission vom 3. April 2020, C(2020) 2146, Beschluss (EU) 2020/1101 der Kommission vom 23. Juli 2020, C(2020) 4936, Beschluss (EU) 2020/1573 der Kommission vom 28. Oktober 2020, C(2020) 7511 sowie Beschluss (EU) 2021/660 der Kommission vom 19. April 2021, C(2021) 2693) die Einfuhr von Hilfsgütern, zB Schutzmasken (Textilschutzmasken, Papierschutzmasken, FFP2- und FFP3-Schutzmasken), Schutzkleidung, Schutzhandschuhen, Gesichtsschildern, Desinfektionsmitteln, zugunsten von Katastrophenopfern unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei erfolgen (siehe hierzu im Detail Rz 1025). In diesen Fällen ist auch der innergemeinschaftliche Erwerb steuerfrei (zum Steuersatz von 0% für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Schutzmasken im Zeitraum nach dem 13.4.2020 bis einschließlich 31.7.2020 sowie nach dem 22.1.2021 und vor dem 1.1.2022 siehe Rz 3541).
Randzahlen 3942 bis 3950: derzeit frei.
106.3. Steuerfreiheit der Einfuhr bei anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung
3951
Geregelt werden die Fälle, in denen Drittlandswaren eingeführt werden, die im Inland zum freien Verkehr abgefertigt werden und bei denen bereits im Zeitpunkt der Einfuhr feststeht, dass sie im Anschluss an die Einfuhr vom Anmelder in einen anderen Mitgliedsstaat gemäß Art. 7 UStG 1994 steuerfrei geliefert oder verbracht werden. Das Vorliegen der Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung ist vom Anmelder buchmäßig nachzuweisen.
Von 1.3.2020 bis 31.7.2020 (im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise): Hat sich der Empfänger – obwohl er die Ware übernommen hat -, geweigert, den CMR-Frachtbrief oder vergleichbaren Versendungsbeleg entgegenzunehmen bzw. dem Frachtführer den Empfang der Ware auf diesem zu bestätigen, kann dennoch vom Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung ausgegangen werden, wenn nachgewiesen wird, dass die materiellen Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 erfüllt sind und die grenzüberschreitende Warenbewegung im Zuge der Lieferung stattgefunden hat (siehe Rz 3981).
Zum Nachweis dieser Voraussetzungen können neben den Dokumenten und Erklärungen, die schon bei der Einfuhr für die zollrechtliche Abwicklung vorhanden gewesen sein mussten – insbesondere ordnungsgemäß unterschriebene Versendungsbelege (zB CMR-Frachtbrief), die Rechnung des Lieferers, eine Bestätigung der Gültigkeit der UID des Abnehmers und die Zusammenfassende Meldung (via E-Zoll bei Verwendung der Sonder-UID, siehe Rz 3953 ff) -, als Ersatz für die verweigerte Empfangsbestätigung bzw. Unterschrift des Empfängers zum Nachweis der unmittelbar auf die Einfuhr folgenden innergemeinschaftlichen Lieferung ergänzend auch andere Belege, die dem Empfänger oder dem Transportunternehmer zugerechnet werden können, vorgelegt werden, zB
- die Rechnung über die Transportkosten
- der Transportauftrag
- Zahlungsnachweise
- andere nach Artikel 45a Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 idF Durchführungsverordnung (EU) 2018/1912 zugelassene Belege.
3952
Ist der Lieferant im Ausland ansässig und im Inland nicht zur Umsatzsteuer erfasst, so benötigt er zur Inanspruchnahme der Befreiung eine inländische Steuernummer sowie eine inländische UID; überdies kann es wegen der anschließenden innergemeinschaftlichen Lieferung erforderlich sein, einen Fiskalvertreter zu bestellen (siehe Rz 3526). Es besteht folgende Möglichkeit einer vereinfachten Abwicklung:
3953
Besitzt ein ausländischer Lieferer keine österreichische UID (und ist er nicht zur Umsatzsteuer erfasst), so kann dem österreichischen Spediteur, der die Verzollung durchführt, eine Sonder-UID erteilt werden, unter der seine Kunden innergemeinschaftliche Lieferungen durchführen und die Befreiung für die Einfuhr in Anspruch nehmen können.
Verfügt ein ausländischer Lieferer über eine österreichische UID, so muss die innergemeinschaftliche Lieferung unter dieser UID durchgeführt werden.
Die Vereinfachungsregelung, nach der innergemeinschaftliche Lieferungen unter einer Sonder-UID eines österreichischen Spediteurs vorgenommen werden können, ist in diesem Fall nicht zulässig.
3954
Der Antrag zur Erteilung einer Sonder-UID ist vom Spediteur an das für ihn zuständige Finanzamt zu stellen. Im Bescheid, mit dem über die Vergabe der Sonder-UID abgesprochen wird, werden der Name (Firma) des Spediteurs und die Sonder-UID bekanntgegeben, wobei bei dieser der Zusatz „(nur für Zoll)“ angebracht wird.
3955
Für die unter der Sonder-UID durchgeführten Lieferungen ist die Abgabe einer gesonderten ZM nicht erforderlich, da die Daten aufgrund der Zollanmeldung von der Zollbehörde erfasst und der ZM-Datenbank automatisch zugespielt werden. Weiters besteht weder für den Spediteur noch für den liefernden Unternehmer eine Erklärungspflicht (keine Voranmeldung, keine Jahreserklärung) für die unter der Sonder-UID durchgeführten Lieferungen.
3956
Die Verwendung einer „Sonder-UID“ für Spediteure und die weiteren damit verbundenen Nachweispflichten sind in der Arbeitsrichtlinie ZK-4200 vorgesehen. Hinsichtlich der zollrechtlichen Vorgangsweise bei der Geltendmachung der Steuerfreiheit siehe diese Dienstanweisung.
3957
Die Vereinfachung ist nur dann möglich, wenn der Spediteur im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelt (nicht bei einer direkten Stellvertretung).
3958
Bei einer dementsprechenden Abwicklung ist die Bestellung eines Fiskalvertreters nicht erforderlich. Eine der Arbeitsrichtlinie ZK-4200 entsprechende Geschäftsabwicklung erfüllt grundsätzlich die Voraussetzung des in Art. 6 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 7 UStG 1994 geforderten Buchnachweises.
3959
Auf die Rechnungslegung hat die vereinfachte Abwicklung keinen Einfluss. Der Unternehmer hat in der Rechnung auf die Umsatzsteuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung hinzuweisen und die Sonder-UID sowie die UID des Leistungsempfängers anzuführen.
3960
Die Vereinfachungsregelung mit Sonder-UID kann nicht angewendet werden, wenn die UID des umsatzsteuerrechtlichen Erwerbers im anderen Mitgliedstaat nicht von jenem Mitgliedstaat ausgestellt wurde, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet (Art. 3 Abs. 8 erster Satz UStG 1994), ausgenommen in der Zollanmeldung wird auch der Name und die Anschrift oder die EORI Nummer zur eindeutigen Identifikation des Warenempfängers in dem Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder Versendung endet, sowie die von diesem Mitgliedstaat ausgestellte UID dieses Warenempfängers angeführt.
Diese Regelung gilt ab 1. Oktober 2006.
3961
Ist die an die Einfuhr anschließende innergemeinschaftliche Lieferung oder Verbringung nicht steuerfrei, weil der liefernde Unternehmer gewusst hat oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft war, und er nicht alle ihm zu Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um dies zu verhindern, so ist auch eine Voraussetzung für die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 nicht gegeben. Für die eingeführten Waren entsteht die Einfuhrumsatzsteuerschuld nach § 26 Abs. 1 UStG 1994 iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG und Art. 79 UZK (bis 30.4.2016: Art. 204 Abs. 1 ZK). Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 kann nicht analog angewendet werden, da in Einfuhrfällen ein allfälliger Vertrauensschutz über die Bestimmungen des § 26 Abs. 1 UStG 1994 iVm Art. 120 UZK (bis 30.4.2016: Art. 239 ZK und § 83 ZollR-DG) gewährt werden könnte (siehe auch VwGH 25.4.2017, Ra 2016/16/0059).
106.3.1. Einzelfälle aus der Judikatur
3962
Änderung des Empfängers: Dem liefernden Unternehmer, der als Importeur die Einfuhrumsatzsteuer schuldet, wird die Steuerbefreiung für die Einfuhr nur allein deswegen nicht versagt, weil die Waren nach der Einfuhr auf Grund geänderter Umstände an einen anderen Unternehmer geliefert werden als den, dessen UID in der Zollanmeldung angegeben war, wenn
- der liefernde Unternehmer dem zuständigen Finanzamt immer sämtliche Informationen über die Identität des neuen Erwerbers mitgeteilt hat (zB in der monatlichen ZM) und
- zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass die materiellen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der nachfolgenden innergemeinschaftlichen Lieferung tatsächlich erfüllt sind (EuGH 20.6.2018, Rs C-108/17, „Enteco Baltic“ UAB).
Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung ab 1.1.2020 siehe Rz 3981 ff.
3963
Kommt es zur Steuerhinterziehung des Erwerbers im Bestimmungsland, wird dem liefernden Unternehmer die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung nicht versagt, wenn
- die Voraussetzungen für die Befreiung der/des nachfolgenden innergemeinschaftlichen Lieferung/innergemeinschaftlichen Verbringens wegen einer vom Erwerber begangenen Steuerhinterziehung nicht erfüllt sind und
- der liefernde Unternehmer nachweislich nicht wusste oder hätte wissen müssen, dass der Umsatz im Zusammenhang mit einer vom Erwerber begangenen Steuerhinterziehung stand, und
- der liefernde Unternehmer, der die Zollanmeldung vornimmt, alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um seine Beteiligung an dieser Steuerhinterziehung zu verhindern (vgl. EuGH 20.6.2018, Rs C-108/17, „Enteco Baltic“ UAB, und EuGH 14.2.2019, Rs C-531/17, Vetsch Int. Transporte GmbH).
Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt und ist die Einfuhr steuerpflichtig, ist Rz 3961 zu beachten, wonach für einen Vertreter, der die Zollanmeldung vorgenommen hat, ein allfälliger Vertrauensschutz nach zollrechtlichen Bestimmungen besteht.
Randzahlen 3964 bis 3965: derzeit frei.
106.4. Art. 6 Abs. 4 UStG 1994
3966
Wird eine Plattform oder elektronische Schnittstelle (in weiterer Folge: Plattform) nach § 3 Abs. 3a Z 2 UStG 1994 behandelt, als ob sie die Gegenstände selbst erhalten und geliefert hätte, ist die Lieferung durch den Unternehmer an die Plattform echt steuerbefreit. Siehe Rz 382.
Randzahlen 3967 bis 3970: derzeit frei.
106.5. Kleinunternehmer und neue Fahrzeuge
Randzahlen 3971 bis 3980: derzeit frei.
107. Innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 7 UStG 1994)
107.1. Allgemeine Voraussetzungen für die Steuerfreiheit
3981
Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist steuerfrei, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Der Gegenstand der Lieferung muss von einem Mitgliedstaat in das übrige Gemeinschaftsgebiet, dh. in einen anderen Mitgliedstaat, befördert oder versendet werden (Warenbewegung).
- Der Abnehmer ist ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder eine juristische Person (Abnehmerqualifikation).
- Der Abnehmer hat dem liefernden Unternehmer seine von einem anderen Mitgliedstaat erteilte UID mitgeteilt (ab 1.1.2020).
- Die Lieferung muss steuerbar sein.
- Der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar (Erwerbsbesteuerung).
- Der liefernde Unternehmer ist seiner Verpflichtung zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldung nachgekommen oder hat sein Versäumnis zur Zufriedenheit der zuständigen Behörden ordnungsgemäß begründet (ab 1.1.2020).
- Die genannten Voraussetzungen müssen buchmäßig nachgewiesen werden (Buchnachweis). Dazu gehört auch die Aufzeichnung der UID des Abnehmers der Lieferung.
- Werden innergemeinschaftliche Lieferungen nach dem 30.6.2013 und vor dem 1.1.2014 in den neuen Mitgliedstaat Kroatien bewirkt, wird die fehlende Aufzeichnung der UID nicht beanstandet, wenn
- der Abnehmer gegenüber dem liefernden Unternehmer schriftlich erklärt, dass er die Erteilung der UID beantragt hat und dass die Voraussetzungen für die Erteilung vorliegen und
- die noch fehlende Aufzeichnung der UID des Abnehmers bis zum gesetzlichen Termin zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung nachgeholt wird.
Rz 2584 bleibt unberührt.
- Bei der Lieferung dürfen nicht die Vorschriften über die Differenzbesteuerung zur Anwendung gelangen.
Die innergemeinschaftliche Lieferung ist nicht steuerfrei, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass die betreffende Lieferung im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht (Art. 6 Abs. 1 UStG 1994; siehe auch EuGH 18.12.2014, Rs C-131/13, Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti vof; siehe auch Rz 1877).
Zum Vorliegen von unselbständigen Nebenleistungen zu innergemeinschaftlichen Lieferungen im Zusammenhang mit der Herstellung oder Bearbeitung von Formen, Modellen oder besonderen Werkzeugen siehe Rz 1106.
107.1.1. Warenbewegung
3982
Erste Voraussetzung der innergemeinschaftlichen Lieferung ist, dass der gelieferte Gegenstand von einem Mitgliedstaat in das übrige Gemeinschaftsgebiet, dh. in einen anderen Mitgliedstaat, gelangt. Dabei kommt es nicht darauf an, wer den Gegenstand befördert oder versendet. Es können daher auch Lieferungen, bei denen der Abnehmer den Gegenstand abholt, als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei sein. Möglich ist aber auch, dass sowohl der Lieferer als auch der Abnehmer in den Transport des Liefergegenstandes eingebunden sind, weil sie zB übereingekommen sind, sich – unabhängig von der Frage, wer Kosten und Gefahr trägt – den Transport des Liefergegenstandes an den Bestimmungsort zu teilen (sog. gebrochene Beförderung oder Versendung). Bei Zweiparteien-Geschäften sind – jedenfalls ab 1.1.2019 – sowohl bloß tatsächliche Unterbrechungen des Transports im Rahmen eines Transportvorgangs als auch eine gebrochene Beförderung oder Versendung für die Annahme einer Beförderung oder Versendung im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 unschädlich, wenn der Abnehmer zu Beginn des Transports feststeht und der liefernde Unternehmer nachweist, dass ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Lieferung des Gegenstands und seiner Beförderung sowie ein kontinuierlicher Ablauf des Transportvorgangs gegeben sind (vgl. VwGH 27.4.2017, Ro 2015/15/0026). Ein zeitlicher Zusammenhang ist jedenfalls als gegeben anzusehen, wenn die Beförderung oder der Versand nicht mehr als 14 Tage unterbrochen (zB Zwischenlagerung aus logistischen Gründen) wird. Zum sachlichen Zusammenhang siehe Rz 3983.
Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt auch vor, wenn die Beförderung oder Versendung im Drittland beginnt und der Gegenstand im Inland durch den Lieferer der Einfuhrumsatzsteuer unterworfen wird, bevor er in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates gelangt. In diesem Fall liegt gemäß § 3 Abs. 9 UStG 1994 der Ort der Lieferung im Inland. Kein Fall einer innergemeinschaftlichen Lieferung liegt dagegen vor, wenn die Ware aus dem Drittlandsgebiet im Wege der Durchfuhr durch Österreich in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates gelangt und erst dort zum freien Verkehr abgefertigt wird.
3983
Die Beförderung oder Versendung muss sich grundsätzlich auf den gelieferten Gegenstand beziehen. Unschädlich ist es aber, wenn der Gegenstand der Lieferung durch Beauftragte des Abnehmers vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet wird.
Bei Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen des Art. 7 UStG 1994 kann auch dann eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vorliegen, wenn der Lieferer den Liefergegenstand im Auftrag des Abnehmers zunächst zu einem anderen Unternehmer im Inland befördert oder versendet, damit dieser den Gegenstand ebenfalls im Auftrag des Abnehmers im Rahmen einer Werklieferung iSd § 3 Abs. 4 UStG 1994 bearbeitet und anschließend zu diesem befördert oder versendet. Zu den Voraussetzungen für die Steuerfreiheit bei einer gebrochenen Warenbewegung siehe Rz 3982. Auch die Werklieferung kann bei Vorliegen aller Voraussetzungen eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung iSd Art. 7 UStG 1994 sein.
Beispiel:
Ein deutscher Unternehmer (D) kauft bei dem österreichischen Unternehmer (Ö1) in Wien eine Ware. D beauftragt Ö1, die Ware zum österreichischen Unternehmer (Ö2) nach Salzburg zu befördern. Ö2 wird wiederum von D beauftragt, die Ware im Rahmen einer Werklieferung iSd § 3 Abs. 4 UStG 1994 zu verarbeiten und anschließend direkt nach Deutschland zu befördern.
Lösung:
Lieferung des Ö1 an D:
Der Lieferort liegt nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 am Beginn der Beförderung, dh. in Österreich. Bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen des Art. 7 UStG 1994 (insbesondere auch der Beförderungsnachweise) ist diese Lieferung steuerfrei. Eine Be- oder Verarbeitung durch Ö2 ist gemäß Art. 7 Abs. 1 letzter Satz UStG 1994 nicht schädlich. Ebenso ist es nicht schädlich, dass die Beförderung nicht allein durch Ö1 erfolgt, sondern Ö2 die Ware im Auftrag von D nach Deutschland befördert. Voraussetzung ist jedoch, dass der liefernde Unternehmer (Ö1) nachweist, dass ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen seiner Lieferung und der Beförderung nach Deutschland vorliegt. Die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs durch D in Deutschland richtet sich nach deutschem Recht.
Lieferung des Ö2 an D:
Auf die Werklieferung des Ö2 sind gemäß § 3 Abs. 4 UStG 1994 grundsätzlich die allgemeinen Regelungen für Lieferungen anzuwenden. Dementsprechend kann die Werklieferung des Ö2 bei Vorliegen aller Voraussetzungen des Art. 7 UStG 1994 in Österreich steuerfrei sein. Auch hier richtet sich die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs durch D in Deutschland nach deutschem Recht.
Bei Beauftragung durch den Lieferer liegt der Liefergegenstand erst nach der Be- oder Verarbeitung vor. Erfolgt eine solche Be- oder Verarbeitung im Auftrag des Lieferers erst im Mitgliedstaat des Abnehmers, liegt der Ort der Lieferung im Bestimmungsland (vgl. EuGH 2.10.2014, Rs C-446/13, Fonderie 2A).
3984
Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung liegt bei einer Lieferung von Treibstoff zwecks Betankung von Kraftfahrzeugen (zB LKW) oder von gewerblichen Schiffen (zB Donauschiffe) schon deshalb nicht vor, weil nicht nachgewiesen werden kann, dass der erworbene Treibstoff in den anderen EU-Mitgliedstaat ausgeführt wurde.
Randzahlen 3984a und 3984b: entfallen
3985
Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne des UStG 1994 umfasst das Inland und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der EU, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (§ 1 Abs. 3 erster Satz UStG 1994). Aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts liegen auch Freihäfen, die sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates befinden, im umsatzsteuerlichen Gemeinschaftsgebiet, auch wenn sie vom jeweiligen Mitgliedstaat für bestimmte Zwecke wie Drittland behandelt werden.
Zur Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen in deutsche Freihäfen siehe Rz 3993.
107.1.2. Lieferung
3986
Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt nur bei einer steuerbaren Lieferung im Sinne des § 1 Abs. 1 UStG 1994 (siehe Rz 1 bis Rz 58) vor. Die unechten Steuerbefreiungen haben Vorrang vor den echten Steuerbefreiungen.
3987
Die persönliche unechte Steuerbefreiung eines Kleinunternehmers geht ebenfalls den echten Befreiungen des § 7 und Art. 7 UStG 1994 vor. Das gilt nicht für die innergemeinschaftliche Lieferung neuer Fahrzeuge durch Kleinunternehmer (Art. 6 Abs. 5 UStG 1994).
3988
Pauschalierte Land- und Forstwirte können die Steuerfreiheit nicht in Anspruch nehmen. Der Landwirt kann daher für innergemeinschaftliche Lieferungen Umsatzsteuer in Rechnung stellen, die für den ausländischen unternehmerischen Erwerber eine im Inland erstattungsfähige Vorsteuer darstellt.
Beispiel:
L, ein niederösterreichischer Weinbauer, der unter § 22 UStG 1994 fällt, liefert Wein an deutsche Restaurants, den er an diese versendet.
L kann von der Steuerbefreiung nach Art 7 UStG 1994 nicht Gebrauch machen und daher USt in Rechnung stellen. Die deutschen Abnehmer haben in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern. Die österreichische Vorsteuer können sie im Erstattungswege zurückerhalten.
Zu innergemeinschaftlichen Lieferungen durch pauschalierte Land- und Forstwirte siehe auch Rz 2858 und Rz 4154.
3989
Die Lieferung muss jedenfalls im Inland ausgeführt werden. Ob die Lieferung im Inland ausgeführt wird, richtet sich nach § 3 Abs. 7 und 8 UStG 1994 bzw. Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 (siehe Rz 421 bis Rz 450).
Beispiel:
Der Hersteller W in Wien verkauft eine Ware an den Großhändler K in Köln und dieser wiederum an seinen Kunden M in Deutschland. K holt die Ware ab und befördert sie zu seinem Kunden M.
Im Fall der Abholung und anschließenden Beförderung oder Versendung der Ware durch den Abnehmer K gilt die Lieferung von W an den Abnehmer K gemäß § 3 Abs. 8 UStG 1994 mit Beginn der Beförderung als ausgeführt. W kann daher eine (steuerfreie) innergemeinschaftliche Lieferung an K ausführen. K liefert an M gemäß § 3 Abs. 7 UStG 1994 in Deutschland.
3990
Gemäß § 3 Abs. 3 UStG 1994 gilt bei der Verkaufskommission die Lieferung des Kommittenten erst mit der Lieferung durch den Kommissionär als ausgeführt. Gelangt bei der Verkaufskommission das Kommissionsgut bei der Zurverfügungstellung an den Kommissionär vom Ausgangs- in den Bestimmungsmitgliedstaat, kann abweichend von § 3 Abs. 3 UStG 1994 die Lieferung bereits zu diesem Zeitpunkt als erbracht angesehen werden.
107.1.3. Abnehmerqualifikation
3991
Die Abnehmereigenschaften in Art. 7 Abs. 1 Z 2 lit. a und b UStG 1994 korrespondieren mit den Erwerberqualifikationen in Art. 1 Abs. 2 Z 2 UStG 1994. Die Ausführungen zum Erwerber beim innergemeinschaftlichen Erwerb gelten sinngemäß (siehe Rz 3581 bis Rz 3588). Ob ein Gegenstand für das Unternehmen des Abnehmers bestimmt ist, richtet sich nach den Vorschriften des Bestimmungslandes. Bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges werden gemäß Art. 7 Abs. 1 Z 2 lit. c UStG 1994 in Entsprechung zu Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 keine besonderen Eigenschaften für den Abnehmer verlangt. Es können daher auch private Abnehmer die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit erfüllen.
3992
Weitere Qualifikationen sind nicht vorgesehen, insbesondere muss der Abnehmer auch im Abholfall nicht ausländischer Abnehmer sein. Eine weitere Einschränkung des Abnehmerkreises wird allerdings durch das Erfordernis der Erwerbsteuerbarkeit (siehe Rz 3993) bewirkt. Damit scheiden Lieferungen an Schwellenerwerber, die unter der Erwerbsschwelle liegen und auf ihre Anwendung nicht verzichtet haben, aus der Steuerfreiheit aus.
107.1.4. UID
3992a
Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist nur steuerfrei, wenn der Abnehmer dem liefernden Unternehmer die von einem anderen Mitgliedstaat erteilte UID mitgeteilt hat.
Wird die UID nicht mitgeteilt ist die Lieferung nicht steuerfrei und dem Abnehmer steht für die Lieferung kein Vorsteuerabzug zu (siehe Rz 2839).
Wird dem liefernden Unternehmer vom Erwerber eine von einem anderen Mitgliedstaat erteilte UID nachträglich mitgeteilt, ist jedoch eine Rechnungsberichtigung möglich. Dafür muss der Erwerber dem liefernden Unternehmer nachweisen, dass er im Zeitpunkt des Erwerbes Unternehmer war und als solcher gehandelt hat. Weiters dürfen keine Hinweise auf Betrug oder Missbrauch vorliegen.
Zur Steuerschuld kraft Rechnungslegung siehe Rz 1733.
107.1.5. Erwerbsteuerbarkeit
3993
Die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung setzt die Steuerbarkeit des Erwerbes beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat voraus. Die Steuerbarkeit des Erwerbes ist nach den Vorschriften des Staates zu beurteilen, der für die Besteuerung des Erwerbes zuständig ist. Der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs richtet sich nach Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 (siehe Rz 3776 bis Rz 3778). Es genügt, wenn der Erwerb im anderen Mitgliedstaat steuerbar ist, Steuerpflicht ist nicht erforderlich. Den Nachweis der Erwerbsteuerbarkeit erbringt der Unternehmer durch die UID des Abnehmers. Damit gibt dieser zu erkennen, dass er im anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung unterliegt. Ob dieser die Erwerbsbesteuerung tatsächlich durchführt, braucht nicht nachgewiesen werden.
Innergemeinschaftliche Lieferungen in deutsche Freihäfen können beim Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen und Bekanntgabe einer deutschen UID steuerfrei bleiben, da nach § 1a Abs. 1 Z 1 dUStG ein innergemeinschaftlicher Erwerb auch dann vorliegt, wenn ein Gegenstand aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 dUStG bezeichneten Zollfreigebiete (Freihäfen ua.) gelangt. Der Umstand, dass in deutschen Freihäfen eine Erwerbsbesteuerung nicht generell vorgenommen wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Zur Sonderstellung deutscher Freihäfen siehe auch Rz 147.
107.1.6. Zusammenfassende Meldung
3994
Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist nur steuerfrei, wenn der liefernde Unternehmer seiner Pflicht zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung innerhalb der in Art. 21 Abs. 3 UStG 1994 angeführten Frist nachgekommen ist.
Wird keine oder nur eine unvollständige oder unrichtige Zusammenfassende Meldung für die Lieferung abgegeben, ist die innergemeinschaftliche Lieferung steuerpflichtig. Zum Vorsteuerabzug siehe Rz 2839. Abweichend davon ist die Steuerbefreiung dennoch zu gewähren, wenn der liefernde Unternehmer sein Versäumnis (Nichtabgabe, Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit) zur Zufriedenheit der zuständigen Steuerbehörde ordnungsgemäß begründet und die Zusammenfassende Meldung entsprechend berichtigt bzw. nachträglich abgibt (siehe Rz 4203).
Eine ordnungsgemäße Begründung kann bspw. in Fällen vorliegen, wenn bei erfolgter Umgründung des Erwerbers versehentlich dessen alte UID Nummer verwendet wurde.
Es ist anzunehmen, dass eine ordnungsgemäße Begründung gemäß Art. 7 Abs. 1 Z 5 UStG 1994 jedenfalls vorliegt, solange es keinen begründeten Verdacht gibt, dass die Lieferung im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht.
Randzahlen 3995 bis 4000: derzeit frei.
107.2. Innergemeinschaftliches Verbringen
4001
Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das unternehmensinterne Verbringen eines Gegenstandes. Voraussetzung ist, dass es sich um einen nach Art. 3 Abs. 1 UStG 1994 einer Lieferung gleichgestellten Vorgang handelt.
Ein Verbringen iSd Art. 3 Abs. 1 UStG 1994 zur bloß vorübergehenden Verwendung erfüllt nicht den Tatbestand der (fiktiven) Lieferung. Die Beförderung oder Versendung von Gegenständen unter sinngemäßer Anwendung der Konsignationslagerregelung ist im Ursprungsland gemäß Art. 3 Abs. 2 UStG 1994 nicht steuerbar. Siehe Rz 3691.
Die Ausführungen zu den Tatbeständen der vorübergehenden Verwendung in Art. 1 Abs. 3 Z 1 UStG 1994 sind sinngemäß anzuwenden. Siehe auch Rz 3601 bis 3617.
Randzahlen 4002 bis 4005: derzeit frei.
107.3. Nachweispflichten
4006
Die Voraussetzungen der (steuerfreien) innergemeinschaftlichen Lieferung müssen vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen werden. Wie der Unternehmer den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis zu führen hat, regelt die Verordnung des BMF über den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, BGBl. Nr. 401/1996.
Ein Muster, das der Unternehmer zum Nachweis der Beförderung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 2 Z 3 der VO BGBl. Nr. 401/1996 idgF) verwenden kann, findet sich im Anhang 5 (Verbringungserklärung) bzw. im Anhang 6 (Empfangsbestätigung). Zulässig sind auch Sammelbestätigungen im Rahmen der Nachweisführung gemäß § 2 Z 3 der VO, BGBl. Nr. 401/1996, wobei Umsätze bis zu einem Monat zusammengefasst werden können.
Sind die vorgelegten Beförderungsnachweise iSd § 2 der VO, BGBl. Nr. 401/1996, mangelhaft (zB Fehlen der original unterschriebenen Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten bzw. – in Abholfällen – Fehlen einer original unterschriebenen Erklärung des Abnehmers oder seines Beauftragten, dass er den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern wird), wurde der Nachweis nicht erbracht, dass der Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert wurde und aufgrund dieser Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat (vgl. EuGH 27.9.2007, Rs C-409/04, Teleos plc. ua., Rn 42).
Auch eine eidesstattliche Erklärung einer Begleitperson ist kein Beförderungsnachweis iSd § 2 der VO, BGBl. Nr. 401/1996.
Eine vollständig und ordnungsgemäß erstellte Spediteurbescheinigung (allenfalls auch mit entsprechend genehmigtem Unterschriftsstempel bzw. maschinellem Unterschriftsausdruck) gilt auch bei innergemeinschaftlichen Lieferungen als Versendungsbeleg. Näheres zur Spediteurbescheinigung siehe auch Rz 1083.
Liegen die Nachweise iSd VO, BGBl. Nr. 401/1996, nicht vor, kann nicht von der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung ausgegangen werden (vgl. BFH 6.12.2007, V R 59/03, Nachfolgeentscheidung zu EuGH 27.9.2007, Rs C-146/05, Albert Collée). Etwas Anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit vorliegen (siehe hierzu auch Rz 2584). Entscheidend ist, dass dem liefernden Unternehmer der Nachweis gelingt, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit zweifelsfrei vorliegen. Diese beinhalten ab 1.1.2020 die Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung und den Nachweis über die Mitteilung der UID (siehe Rz 3992a und 3994).
Beachtet der Unternehmer die in der Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 vorgezeichneten Beweisvorsorgemaßnahmen nicht, liegt es an ihm, gleichwertige Nachweise für die Beförderung in das übrige Unionsgebiet vorzulegen, die der Beweiswürdigung unterliegen. Die nachträgliche Erstellung von Dokumenten kann die Beweiskraft des Nachweises in Frage stellen (vgl. VwGH 27.11.2014, 2012/15/0192).
Der Nachweis der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet ist gemäß der VO BGBl. Nr. 401/1996 idgF zu erbringen, wobei die Nachweisführung nicht nur in Papierform, sondern auch in elektronischer Form, zB durch Übermittlung eines pdf-Files, erfolgen kann. Bei der Durchschrift oder Abschrift der Rechnung gemäß § 2 Z 1 und § 3 Abs. 1 Z 1 der VO, BGBl. Nr. 401/1996, kann es sich auch um eine Sammelrechnung (siehe Rz 1560) handeln.
Zusätzlich besteht die Möglichkeit der Nachweisführung der Beförderung oder Versendung ins übrige Gemeinschaftsgebiet gemäß Art. 45a VO (EU) 282/2011. Art. 45a VO (EU) 282/2011 normiert eine widerlegbare Vermutung.
Beispiel:
Der Unternehmer Ö in Wien liefert Waren an den Unternehmer D in München. Ö beauftragt einen Spediteur, die Waren nach München zu befördern.
Lösung:
Für die Vermutung der Warenbewegung in einen anderen Mitgliedstaat nach Art. 45a VO (EU) 282/2011 muss Ö angeben, dass die Waren auf seine Rechnung versendet wurden. Zudem muss Ö im Besitz zweier in der Verordnung aufgezählter Nachweise sein, die von verschiedenen, voneinander unabhängigen dritten Personen stammen. Als Nachweis für die Warenbewegung kann der Lieferant bspw. die Rechnung (iSd § 11 UStG 1994) des Spediteurs sowie die Versicherungspolizze über die Versendung vorlegen.
4006a
Die Nachweise können auf Datenträgern aufbewahrt werden, wenn die vollständige, geordnete, inhaltsgleiche und urschriftgetreue Wiedergabe bis zum Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist jederzeit gewährleistet ist (§ 132 Abs. 2 erster Satz BAO). Diesfalls ist eine körperliche Aufbewahrung nicht erforderlich. Rz 1566 und Rz 1570 sind sinngemäß anzuwenden.
4007
Der in den §§ 6 bis 8 der VO des BMF, BGBl. Nr. 401/1996 normierten Aufzeichnungspflicht für den Buchnachweis wird auch dann entsprochen, wenn in den Aufzeichnungen auf Belege hingewiesen wird, in denen die für den Buchnachweis weiters vorgeschriebenen Angaben enthalten sind (zB Hinweis auf die Rechnung hinsichtlich der zum Abnehmer aufzuzeichnenden Umstände; Hinweis auf den Lieferschein hinsichtlich des Tages der Lieferung und des Bestimmungsortes im Gemeinschaftsgebiet, usw.).
4008
Die für den buchmäßigen Nachweis erforderlichen Aufzeichnungen sind grundsätzlich unmittelbar nach Ausführung des Umsatzes vorzunehmen; dies schließt aber nicht aus, dass Angaben berichtigt oder ergänzt werden können (zB um die im Zeitpunkt der Lieferung noch nicht bekannte UID), sofern diese Berichtigung oder Ergänzung vor einer Betriebsprüfung oder Umsatzsteuernachschau gemacht wird. Dem Unternehmer ist jedoch nach Beginn einer Umsatzsteuernachschau oder einer Betriebsprüfung unter Setzung einer Nachfrist von ca. einem Monat die Möglichkeit einzuräumen, einzelne fehlende Teile des buchmäßigen Nachweises nachzubringen (siehe Rz 2584).
Die Angabe der UID des Abnehmers ist gemäß § 5 der VO des BMF, BGBl. Nr. 401/1996, Bestandteil des Buchnachweises.
4009
Auch bei der Lieferung von neuen Fahrzeugen an Private hat der Unternehmer die Voraussetzungen der (steuerfreien) innergemeinschaftlichen Lieferung nachzuweisen. Die kraftfahrrechtliche Anmeldung in einem anderen Mitgliedstaat ist weder Voraussetzung für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nach Art. 7 UStG 1994, noch kann sie den nach der Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 zu führenden Nachweis ersetzen. Die Zulassung zum Verkehr in einem anderen Mitgliedstaat ist bloß ein Beweismittel und kann „im Rahmen einer alternativen Nachweisführung“ für sich allein betrachtet (als einziger Nachweis) nicht als zweifelsfreier „materieller Nachweis“ für das Vorliegen sämtlicher materieller Tatbestandsvoraussetzungen iSd Art. 7 UStG 1994 (zB Abnehmereigenschaft bzw. Verschaffung der Verfügungsmacht an diesen Abnehmer, physisches Verlassen des Liefermitgliedstaates ua.) anerkannt werden (vgl. VwGH 19.12.2013, 2012/15/0006).
4010
Bei der Lieferung von Fahrzeugen im Sinne des § 2 des Normverbrauchsabgabegesetzes, BGBl. Nr. 695/1991, ist als weiterer Nachweis, dass das Fahrzeug in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wird, die Sperre des Fahrzeuges in der Genehmigungsdatenbank nach § 30a KFG 1967 erforderlich.
Der Nachweis wird erbracht:
- im Falle der Lieferung durch einen befugten Fahrzeughändler durch einen unmittelbar im Anschluss an die Lieferung über FinanzOnline erstellten Ausdruck, aus dem die Sperre in der Genehmigungsdatenbank ersichtlich ist; ist eine Sperre über FinanzOnline aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, kann der Nachweis wie bei der Lieferung durch einen nicht befugten Fahrzeughändler erbracht werden (vgl. nächster Punkt),
- im Falle der Lieferung durch einen nicht befugten Fahrzeughändler durch
- eine Ausfertigung eines mit dem Eingangsvermerk versehenen Exemplars des Formulars NOVA 2, mit dem die Vergütung der NoVA im Finanzamt beantragt wurde, oder
- eine Ausfertigung eines mit dem Eingangsvermerk versehenen Exemplars des Formulars NOVA 4, mit dem die Sperre in der Genehmigungsdatenbank im Finanzamt beantragt wurde,
wobei die Formulare NOVA 2 bzw. NOVA 4 auch per Fax an das zuständige Finanzamt übermittelt werden können,
- im Falle der Lieferung eines neuen Fahrzeuges durch einen Privaten durch
- eine Ausfertigung eines mit dem Eingangsvermerk versehenen Exemplars des Formulars NOVA 2, mit dem die Vergütung der NoVA im Finanzamt beantragt wurde, oder
- eine Ausfertigung eines mit dem Eingangsvermerk versehenen Exemplars des Formulars NOVA 4, mit dem die Sperre in der Genehmigungsdatenbank im Finanzamt beantragt wurde.
Ist das Fahrzeug in der Genehmigungsdatenbank nicht enthalten, erübrigt sich die Durchführung der Sperre (zB ein Fahrzeug wird importiert und anschließend ohne im Inland zum Verkehr zugelassen zu werden, innergemeinschaftlich geliefert).
Randzahlen 4011 bis 4015: derzeit frei
107.4. Sorgfaltspflichten und Vertrauensschutz
4016
Mit der in Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 enthaltenen Vertrauensschutzregelung wird dem Unternehmer bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung die Steuerbefreiung trotz fehlender Voraussetzung belassen, wenn er bei Beachtung der einem ordentlichen Kaufmann obliegenden Sorgfalt die unrichtigen Angaben des Abnehmers nicht erkennen konnte. Was der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns entspricht, kann nicht generell gesagt werden, sondern ist im Einzelfall zu entscheiden. Maßgebend sind nicht die persönlichen Eigenschaften, Gewohnheiten und Kenntnisse des Unternehmers, sondern ein objektiver Maßstab, das Verhalten eines ordentlichen, gewissenhaften Kaufmannes, wobei der Sorgfaltsmaßstab nach Geschäftszweigen differieren kann.
Die Frage des Gutglaubensschutzes stellt sich erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nachgekommen ist (BFH 21.1.2015, XI R 5/13; 14.11.2012, XI R 8/11; 25.4.2013, V R 28/11; 8.11.2007, V R 26/05). So ersetzt zB die zeitgerechte Überprüfung der UID des Abnehmers auf ihre Gültigkeit für sich allein nicht die darüber hinaus geforderten Nachweispflichten.
Im Fall einer innergemeinschaftlichen Verbringung iSd Art. 7 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 ist die Vertrauensschutzregelung mangels Abnehmer, der unrichtige Angaben gemacht haben kann, nicht anwendbar (siehe VwGH 28.3.2014, 2012/16/0009).
Die Nichtaufzeichnung der Identität des Abholenden stellt nur dann eine Verletzung der Sorgfaltspflicht iSd Art. 7 Abs. 4 letzter Satz UStG 1994 dar, die zum Verlust des Vertrauensschutzes führt, wenn die Kenntnis des Abholenden zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs gegenüber dem tatsächlichen Abnehmer erforderlich ist (VwGH 27.4.2016, 2013/13/0051).
4017
Zum Nachweis der Unternehmereigenschaft des Abnehmers wird der Sorgfaltspflicht des Unternehmers im Regelfall dadurch genügt, dass er sich die UID des Abnehmers nachweisen lässt. Die Inanspruchnahme des Bestätigungsverfahrens des Art. 28 Abs. 2 UStG 1994 ist bei ständigen Geschäftsbeziehungen nur in Zweifelsfällen erforderlich. Holt ein dem Unternehmer unbekannter Abnehmer aus einem anderen Mitgliedstaat unter Ausweis einer UID Waren ab, wird hingegen regelmäßig eine Abfrage nach Stufe zwei des Bestätigungsverfahrens erforderlich sein.
4018
In Abholfällen hat der liefernde Unternehmer gemäß Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 die Identität des Abholenden festzuhalten. Wie die Identität des Abholenden festgehalten wird, bleibt dem Unternehmer überlassen. Zweckmäßigerweise wird er sich einen geeigneten Ausweis (Reisepass, Führerschein) vom Abholenden zeigen lassen und dann die maßgebenden Daten schriftlich festhalten.
4020
Liegen die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung vor, schuldet der Abnehmer die entgangene (österreichische) Steuer. Bemessungsgrundlage ist der in der Rechnung über die Lieferung ausgewiesene Betrag. Die Steuerschuld gemäß Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 stellt eine Umsatzsteuerschuld eigener Art dar, die Unternehmer und Nichtunternehmer treffen kann (VwGH 30.6.2021, Ra 2019/15/0125).
Randzahlen 4021 bis 4030: derzeit frei.
108. – 110. (Art. 8 bis Art. 10 UStG 1994 nicht vergeben)
111. Rechnungslegung im Binnenmarkt (Art. 11 UStG 1994)
111.1. Anwendungsbereich
111.1.1. Rechnungen im Zusammenhang mit innergemeinschaftlichen Lieferungen
4031
Der Unternehmer ist zur Ausstellung einer Rechnung im Sinne des § 11 Abs. 1 UStG 1994 verpflichtet, wenn er eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung ausführt. Anstelle des Steuerbetrages bzw. des Steuersatzes ist in der Rechnung ist ausdrücklich auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung hinzuweisen. Aufgrund der seit 1. Jänner 2004 geltenden Rechtslage gelten die Vereinfachungsbestimmungen für Kleinbetragsrechnungen (§ 11 Abs. 6 UStG 1994) nicht für Rechnungen über innergemeinschaftliche Lieferungen.
Ab 1. Jänner 2013 hat die Rechnungsausstellung spätestens am 15. des auf die Ausführung der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung folgenden Kalendermonates zu erfolgen.
111.1.2. Rechnungen im Zusammenhang mit innergemeinschaftlichem Versandhandel
4032
Ein Unternehmer, der Lieferungen im Sinne des Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 ausführt, ist verpflichtet, Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Steuer auszustellen. Der Ausweis dient nicht dem Vorsteuerabzug, sondern gibt dem Abnehmer bekannt, dass die Lieferung mit inländischer Umsatzsteuer belastet ist. Die Erleichterungen für Kleinbetragsrechnungen gemäß § 11 Abs. 6 UStG 1994 können im innergemeinschaftlichen Versandhandel nicht angewendet werden.
Seit 1.1.2022 besteht keine Pflicht zur Ausstellung einer Rechnung gemäß Art. 11 Abs. 1 Z 4 UStG 1994 im Zusammenhang mit innergemeinschaftlichem Versandhandel, wenn der Unternehmer die Sonderregelung gemäß Art. 25a UStG 1994 oder eine vergleichbare Sonderregelung in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch nimmt (siehe Rz 4300b).
Zum Einfuhr-Versandhandel vgl. Rz 1501.
Werden Lieferungen über den IOSS (§ 25b UStG 1994) erklärt, ist die Rechnung für diese Umsätze nach dem Recht des Mitgliedstaats der Identifizierung auszustellen. Siehe Rz 1501a.
111.1.3. Rechnungen im Zusammenhang mit sonstigen Leistungen
4033
Führt der Unternehmer im Inland sonstige Leistungen im Sinne des Art. 3a Abs. 1 UStG 1994 (bis 31.12.2009: Art. 3a Abs. 1 bis 4 und Abs. 6 UStG 1994) aus, ist er zur Ausstellungen von Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Steuer verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen für eine Kleinbetragsrechnung im Sinne des § 11 Abs. 6 UStG 1994 vorliegen.
Randzahlen 4034 bis 4040: derzeit frei.
111.2. UID in Rechnungen
4041
Rechnungen über innergemeinschaftliche Lieferungen (bis 31.12.2009: und über sonstige Leistungen gemäß Art. 3a Abs. 1 bis 4 und Abs. 6 UStG 1994) müssen die UID des Unternehmers und des Abnehmers enthalten. Dies gilt sei 1. Jänner 2004 jedenfalls auch für Kleinbetragsrechnungen.
Randzahlen 4042 bis 4045: derzeit frei.
111.3. Rechnungen im Zusammenhang mit Fahrzeuglieferungen
4046
Bei der innergemeinschaftlichen Lieferung neuer Fahrzeuge an private Abnehmer ist der Unternehmer (das kann auch ein privater Fahrzeuglieferer im Sinne des Art. 2 UStG 1994 sein) verpflichtet eine Rechnung auszustellen, in der auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung hinzuweisen ist. In dieser Rechnung sind darüber hinaus die Merkmale gemäß Art. 1 Abs. 8 und 9 UStG 1994 anzuführen. Aus diesen Angaben ist ersichtlich, dass es sich um ein neues Fahrzeug handelt.
Randzahlen 4047 bis 4050: derzeit frei.
111.4. Rechnungen im Zusammenhang mit Anzahlungen für innergemeinschaftliche Lieferungen
4051
Werden Entgelte vor Ausführung einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung vereinnahmt, besteht keine Verpflichtung zur Ausstellung einer Anzahlungsrechnung. Zur allgemeinen Rechnungslegungsverpflichtung bei der Vereinnahmung von Entgelten vor Ausführung der Leistung siehe Rz 1521.
Randzahlen 4052 bis 4055: derzeit frei.
112. Vorsteuerabzug bei innergemeinschaftlichen Erwerben, Dreiecksgeschäften und beim Übergang der Steuerschuld (Art. 12 UStG 1994)
112.1. Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug im Binnenmarkt
112.1.1. Erwerbsteuer als Vorsteuer
112.1.1.1. Allgemeine Voraussetzungen
4056
Unternehmer sind berechtigt, die Steuer für innergemeinschaftliche Erwerbe (Erwerbsteuer) als Vorsteuer abzuziehen, wenn diese Erwerbe für ihr Unternehmen erfolgt sind und die sonstigen Voraussetzungen des § 12 UStG 1994 gegeben sind (siehe dazu Rz 1901 bis Rz 1985).
Der Vorsteuerabzug ist nicht zulässig, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass der betreffende innergemeinschaftliche Erwerb im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht (EuGH 18.12.2014, Rs C-131/13, Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti vof; siehe auch Rz 1877).
4057
Im Gegensatz zu § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 ist das Vorliegen einer Rechnung für den Abzug der Erwerbsteuer als Vorsteuer nicht erforderlich.
4058
Gemäß Art. 1 Abs. 3 UStG 1994 gilt eine innergemeinschaftliche Verbringung auch als innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt und unterliegt daher – mit Ausnahme der Verbringung zur bloß vorübergehenden Verwendung – der Erwerbsteuer. Eine derartige Erwerbsteuer kann ebenfalls abgezogen werden.
112.1.1.2 Zeitpunkt des Vorsteuerabzuges
4059
Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug entsteht gleichzeitig mit der Entstehung der Erwerbsteuerpflicht. Im Falle einer nachträglichen Vorschreibung von Erwerbsteuer durch das Finanzamt entsteht ein allfälliger Anspruch auf Vorsteuerabzug im selben Voranmeldungszeitraum. Ebenso ist bei nachträglicher Änderung der Bemessungsgrundlage sowohl die Erwerbsteuer als auch der entsprechende Vorsteuerabzug zu berichtigen.
Im Fall des Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 (zusätzliche Erwerbsteuer) ist ein Vorsteuerabzug nicht zulässig (siehe auch Rz 3777).
112.1.1.3 Ausschluss vom Vorsteuerabzug
4060
Nach Art. 12 Abs. 4 UStG 1994 gilt die Fiktion des § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 nicht für innergemeinschaftliche Erwerbe. Das bedeutet, dass auch Erwerbe, deren Entgelte nach ertragsteuerlichen Vorschriften überwiegend nicht abzugsfähig sind oder die im Zusammenhang mit der Anschaffung, Miete oder den Betrieb von bestimmten KFZ stehen, als für das Unternehmen ausgeführt gelten, wenn sie zumindest zu 10% unternehmerischen Zwecken dienen. Derartige innergemeinschaftliche Erwerbe sind gemäß Art. 1 UStG 1994 der Erwerbsteuer zu unterziehen.
4061
Eine solche Erwerbsteuer darf zufolge des Art. 12 Abs. 1 Z 1 zweiter Satz UStG 1994 nicht als Vorsteuer abgezogen werden. Derartige Gegenstände werden nicht zu Gegenständen des Unternehmens. Deren Weiterveräußerung ist daher nicht steuerbar.
Beispiel:
Ein österreichischer Unternehmer bezieht von einem deutschen Unternehmer einen antiken Teppich um 30.000 Euro und nutzt diesen ausschließlich unternehmerisch. Angemessen wären 10.000 Euro.
Der innergemeinschaftliche Erwerb gilt als für das Unternehmen ausgeführt und ist steuerpflichtig. Die Erwerbsteuer darf jedoch nicht als Vorsteuer abgezogen werden.
112.1.2. Dreiecksgeschäfte
4062
Liegt ein Dreiecksgeschäft im Sinne des Art. 25 UStG 1994 vor, schuldet der Empfänger die auf die umsatzsteuerpflichtige Lieferung des Erwerbers entfallende Umsatzsteuer. Diese Umsatzsteuer kann der Empfänger gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 als Vorsteuer abziehen. In diesem Falle muss eine Rechnung, die den Vorschriften des Art. 25 Abs. 4 UStG 1994 entspricht, vorliegen. In dieser Rechnung darf keine Umsatzsteuer ausgewiesen werden. Die abziehbare Vorsteuer ist vom Empfänger selbst zu berechnen. Zum Dreiecksgeschäft siehe Rz 4291 bis Rz 4296a.
112.1.3. Übergang der Steuerschuld
4063
Siehe Rz 1875 ff.
Randzahlen 4064 bis 4070: derzeit frei.
112.2. Kein Ausschluss des Vorsteuerabzuges bei innergemeinschaftlichen Lieferungen und bei befreiten Lieferungen an Plattformen oder andere elektronische Schnittstellen
4071
Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung schließt den Vorsteuerabzug für damit zusammenhängende Vorleistungen nicht aus (echte Steuerbefreiung). Dies gilt auch für Lieferungen an Plattformen oder andere elektronische Schnittstellen, die nach Art. 6 Abs. 4 UStG 1994 steuerfrei sind.
Randzahlen 4072 bis 4076: derzeit frei.
112.3. Einschränkungen der Vorsteuer für Fahrzeuglieferer
4077
Fahrzeuglieferer iSd Art. 2 UStG 1994 (siehe Rz 3697 bis Rz 3698) gelten in Hinblick auf die Fahrzeuglieferung als Unternehmer. Damit ist auch die grundsätzliche Berechtigung zum Vorsteuerabzug gegeben. Dieses Recht wird in Art. 12 Abs. 3 UStG 1994 jedoch mehrfach eingeschränkt.
- Nur jene Vorsteuern dürfen erstattet werden, die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des Fahrzeuges selbst entfallen. Steuerbeträge, die für Aufwendungen zwischen der Anschaffung und dem Verkauf oder nur anlässlich der Anschaffung angefallen sind (zB Reparaturkosten, Vertragserrichtungskosten, nachträgliche Zusatzausstattungen), sind nicht abzugsfähig.
- Die abzugsfähige Vorsteuer ist in ihrer Höhe begrenzt. Sie darf nicht mehr betragen als die Umsatzsteuer, die sich bei einem steuerpflichtigen Weiterverkauf des Fahrzeuges ergeben würde. Bei dieser Berechnung ist vom zivilrechtlichen Verkaufspreis als Nettobetrag auszugehen (siehe Beispiel).
- Die Vorsteuer darf erst dann abgezogen werden, wenn die innergemeinschaftliche Fahrzeuglieferung tatsächlich ausgeführt wird.
Beispiel:
Ein österreichischer Privater kauft im Jänner 2002 bei einem inländischen Fahrzeughändler einen fabriksneuen Pkw um 30.000 Euro zuzüglich 20% USt in Höhe von 6.000 Euro. Im März 2002 verkauft er dieses Fahrzeug nach Italien um 20.000 Euro.
Der österreichische Fahrzeuglieferer kann im März 2002 die sich aus der ursprünglichen Lieferung des Fahrzeuges an ihn ergebende USt als Vorsteuer abziehen, jedoch eingeschränkt auf die sich aus dem Verkaufspreis ergebende fiktive USt in Höhe von 4.000 Euro (20% von 20.000 Euro).
Randzahlen 4078 bis 4085: derzeit frei.
112.4. Innergemeinschaftlicher Erwerb von neuen Fahrzeugen
Randzahlen 4086 bis 4095: derzeit frei.
113. bis 117. (Art. 13 bis Art. 17 UStG 1994 nicht vergeben)
118. Aufzeichnungspflichten (Art. 18 UStG 1994)
Randzahlen 4096 bis 4104: derzeit frei.
119. Steuerschuldner, Entstehung der Steuerschuld (Art. 19 UStG 1994)
Randzahlen 4105 bis 4110 derzeit frei.
120. Veranlagungszeitraum und Einzelbesteuerung (Art. 20 UStG 1994)
120.1. Berechnung der Steuer
Randzahlen 4111 bis 4120: derzeit frei.
120.2. Fahrzeugeinzelbesteuerung
4121
Beim innergemeinschaftlichen Erwerb neuer Fahrzeuge (bezüglich der Definition „neues Fahrzeug“ siehe Rz 3667 bis Rz 3677) durch natürliche Personen im Nichtunternehmensbereich (siehe Rz 3660) kommt es nicht zur Veranlagung, sondern zur Fahrzeugeinzelbesteuerung. Der innergemeinschaftliche Erwerb neuer Fahrzeuge durch andere als die angesprochenen Erwerber ist Gegenstand der Veranlagung und ist in die Voranmeldung und in die Steuererklärung aufzunehmen.
4122
Bemessungsgrundlage ist das Entgelt, zu dem nicht die Normverbrauchsabgabe gehört. Siehe auch Rz 3921.
4123
Bezüglich des Verfahrens siehe Rz 4141.
Randzahlen 4124 bis 4130: derzeit frei.