12.1 Allgemeines
814
Außergewöhnliche Belastungen sind bei Ermittlung des Einkommens unter bestimmten Voraussetzungen abzuziehen. Der Abzug erfolgt nach Berücksichtigung des bereits um die Sonderausgaben geminderten Gesamtbetrags der Einkünfte.
815
Der Abzug außergewöhnlicher Belastungen setzt voraus:
- unbeschränkte Steuerpflicht (Rz 2 ff) sowie
- eine Belastung des Einkommens (Rz 821 ff).
816
Die Belastung
- darf nicht Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben darstellen (Rz 826),
- muss außergewöhnlich sein (Rz 827),
- muss zwangsläufig erwachsen (Rz 828 ff),
- muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Rz 833 ff) und
- darf nicht unter ein Abzugsverbot fallen (Rz 837).
Alle Voraussetzungen müssen zugleich gegeben sein. Liegt daher beispielsweise das Merkmal der Zwangsläufigkeit nicht vor, so erübrigt sich eine Prüfung der Außergewöhnlichkeit.
12.2 Zeitpunkt und Höhe des Abzuges
817
Aus Eigenmitteln getragene außergewöhnliche Belastungen sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind (Abflussgrundsatz, § 19 Abs. 2 EStG 1988). Eine Kredit- oder Darlehensaufnahme führt noch zu keiner Belastung des Einkommens. Die Belastung des Einkommens tritt erst nach Maßgabe der Rückzahlung der Schuld (einschließlich Zinsen) ein (siehe dazu VwGH 27.9.1995, 92/13/0261; VwGH 15.7.1998, 95/13/0270). Dabei kommt es alljährlich zu einer Kürzung um den Selbstbehalt, der sich aus dem jeweiligen Jahreseinkommen ableitet (VwGH 1.3.1978, 0407/78). Voraussetzung ist aber stets, dass der Aufwand nicht nur im Jahr des Entstehens, sondern auch in den Jahren der Leistung zwangsläufig ist (vgl. dazu VwGH 15.9.1999, 93/13/0057, sowie VwGH 26.7.2000, 95/14/0161, betr. die Hingabe eines Heiratsgutes bzw. eines Ausstattungsbetrages).
Eine willkürliche Verlegung des Zeitpunktes der Leistung, aus der eine zwangsläufige Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 erwächst, ist wegen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung ausgeschlossen (vgl. VwGH 22.9.1992, 90/14/0276; VwGH 14.9.1994, 93/13/0011; VwGH 18.7.1995, 91/14/0016).
818
Der Höhe nach liegen außergewöhnliche Belastungen nur insoweit vor, als die Ausgaben (Aufwendungen) vom Merkmal der Zwangsläufigkeit umfasst sind. Soweit die Wiederbeschaffung (Wiederherstellung) von zerstörten Wirtschaftgütern als außergewöhnliche Belastung anzusehen ist, ist der Abzug mit den erforderlichen Ersatzbeschaffungskosten begrenzt (vgl. Rz 838d und 838e). Darüber hinausgehende Kosten stellen eine Vermögensumschichtung dar.
Zur Höhe des Abzuges siehe auch Rz 822.
12.3 Voraussetzungen (§ 34 Abs. 1 EStG 1988)
12.3.1 Art der Berücksichtigung
819
Außergewöhnliche Belastungen sind von Amts wegen zu berücksichtigen (Rechtsanspruch), sobald sie der Abgabenbehörde bekannt werden. Allerdings ist die Behörde wie bei sämtlichen im Interesse des Steuerpflichtigen gelegenen Abzugsposten nicht zu besonderen Ermittlungen verpflichtet. Der Nachweis bzw. die Glaubhaftmachung jener Umstände, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt wird, obliegt in erster Linie dem Steuerpflichtigen (vgl. VwGH 19.11.1998, 95/15/0071; VwGH 24.11.1999, 94/13/0255; VwGH 15.09.1999, 93/13/0057). Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen zu Unrecht als Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben beurteilt, so hat die Behörde zu überprüfen, ob die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung absetzbar sind.
Eine außerordentliche Belastung kann nicht berücksichtigt werden, wenn das steuerpflichtige Einkommen so niedrig ist, dass es nicht zur Vorschreibung von Einkommensteuer kommt (VwGH 10.10.1996, 96/15/0092).
820
Außergewöhnliche Belastungen sind grundsätzlich im Rahmen der (Arbeitnehmer-)Veranlagung zu berücksichtigen.
12.3.2 Belastung des Einkommens
821
Eine „Belastung“ im Sinne des § 34 EStG 1988 setzt grundsätzlich Geldausgaben des Steuerpflichtigen voraus, von denen nicht nur sein Vermögen, sondern sein laufendes Einkommen betroffen ist (vgl. VwGH 15.03.1988, 87/14/0071, betr. die Hingabe eines Sparbuches; VwGH 15.07.1998, 98/13/0083; VwGH 21.10.1999, 98/15/0201). Eine Belastung liegt aber auch dann vor, wenn die aus dem Vermögen (zB Sparbuch) bestrittenen Ausgaben im laufenden Einkommen des Steuerpflichtigen Deckung finden (vgl. UFS 14.08.2013, RV/1167-W/12). Eine unmittelbare Berücksichtigung von „abgeflossener“ Zeit und Mühe als außergewöhnliche Belastung kommt daher nicht in Betracht (VwGH 15.09.1999, 99/13/0101, betr. Aufwendungen für die elterliche Pflege des behinderten Sohnes).
Ausnahmsweise kommt auch der Abfluss geldwerter Wirtschaftsgüter in Betracht, zB beim Ausfall einer zwangsläufig begründeten Darlehensforderung durch Uneinbringlichkeit (VwGH 12.9.1989, 88/14/0163; siehe dazu auch Rz 824). Dem Verlust einer Forderung ist eine Vermehrung des Schuldenstandes nicht gleichzusetzen (VwGH 6.11.1990, 90/14/0134, 0135).
Wird ein laufendes Einkommen erzielt, ist davon auszugehen, dass Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden aus diesem laufenden Einkommen bezahlt werden.
Wird zur Finanzierung der steuerlich abzugsfähigen Kosten ein Darlehen aufgenommen, sind die auf diese Kosten entfallenden Darlehensrückzahlungen – samt Zinsen – als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
822
Aus dem Begriff „Belastung“ ist ferner abzuleiten, dass nur endgültige Vermögensminderungen abzugsfähig sind. Ersatzleistungen durch Dritte kürzen daher die abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen), auch wenn sie erst in einem späteren Jahr zufließen (zB Ersätze aus einer Kranken- oder Unfallversicherung oder Ersätze für die Beseitigung eines Katastrophenschadens – Rz 838g; vgl. VwGH 24.4.1970, 1734/68). Zur Kürzung führen insbesondere Versicherungsleistungen (VwGH 19.2.1992, 87/14/0116, betr. private Versicherungsleistungen für Zahnbehandlungskosten), Unterstützungen durch Spenden oder Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln (VwGH 31.3.1987, 85/14/0140, betr. Hilflosenzuschuss; VwGH 21.10.1999, 98/15/0201, betr. Pflegegeld; VwGH 10.11.1987, 87/14/0126; VwGH 15.9.1999, 99/13/0101, betr. Blindenzulage bzw. Blindenführerzulage; siehe auch VwGH 26.9.2000, 99/13/0190, 0191), sofern nach dem Leistungszweck die entsprechenden Ausgaben (Aufwendungen) abgedeckt werden sollen.
823
Eine „Belastung“ liegt nur dann vor, wenn Ausgaben getätigt werden, die zu einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr, somit zu einer Vermögensminderung bzw. zu einem endgültigen Ausscheiden aus der wirtschaftlichen Verfügungsmacht führen (VwGH 22.10.1996, 92/14/0172). Entgangene Einnahmen stellen daher keinesfalls Aufwendungen dar, die einer Beurteilung als außergewöhnliche Belastung zugänglich sind (VwGH 15.9.1999, 99/13/0101). Bloße Vermögensumschichtungen führen nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung (zB VwGH 25.9.1985, 84/13/0113; VwGH 10.9.1998, 96/15/0152). Werden daher zB Pflegekosten oder Begräbniskosten als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern übernommen (zB durch Übergabeverträge, Schenkungsverträge) bzw. erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufige Aufwendungen nur deshalb, weil ihm das zu ihrer Deckung dienende Vermögen zugekommen ist, ist eine Auswirkung auf die (einkommensbezogene) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verneinen und liegt insoweit daher keine Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 vor (vgl. VwGH 21.10.1999, 98/15/0201).
Hat der Pflegebedürftige Vermögen bereits unter der Bedingung der späteren Pflege übertragen oder erfolgte die Vermögensübertragung in zeitlicher Nähe (sieben Jahre) zur Übersiedlung in das Pflegeheim, liegt bis zur Überschreitung des Vermögenswertes durch die Summe der Zahlungen keine außergewöhnliche Belastung vor.
Hat der Pflegebedürftige sein Vermögen (zB Wohnung, Sparbuch) noch nicht übertragen, gehen die Pflegekosten zunächst zulasten dieses Vermögens. Erst ein im Nachlass voraussichtlich nicht gedeckter Teil kommt bei den vorgesehenen Erben als außergewöhnliche Belastung in Betracht, insoweit sie den potentiellen Erbteil übersteigen. Sollten die zunächst vorgesehenen Erben (aus welchen Gründen auch immer) das Vermögen nicht erben, liegt ein rückwirkendes Ereignis gemäß § 295a BAO vor, das die rückwirkende Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung ermöglicht. Hinsichtlich der gemeinsamen (Ehe)Wohnung siehe auch Rz 899a.
Siehe auch Beispiel Rz 10823.
824
Keine bloße Vermögensumschichtung liegt jedoch vor, wenn Wirtschaftsgüter angeschafft werden, die wegen ihrer spezifischen Beschaffenheit (zB Rollstühle) oder ihrer individuellen Gebrauchsmöglichkeit (zB Prothesen, Seh- oder Hörhilfen) keinen oder nur einen eingeschränkten Verkehrswert haben. Dies gilt entsprechend auch für Herstellungsaufwendungen (zB Einbau eines Behindertenaufzugs in ein Einfamilienhaus, VfGH 17.12.1982, B 220/81; VwGH 22.10.1996, 92/14/0172). Die Unterstützung eines nahen Angehörigen durch Darlehensgewährung (zB für die Bezahlung von Krankheitskosten) führt als Vermögensumschichtung zunächst nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung. Erst bei einem allfälligen Ausfall dieser Forderung (zB infolge Todes des Angehörigen) ist für dieses Jahr das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung zu untersuchen (VwGH 12.9.1989, 88/14/0163; VwGH 10.9.1998, 96/15/0152; siehe auch Rz 821).
825
Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens sind mangels eines verlorenen Aufwandes bzw. einer Vermögensminderung grundsätzlich nicht abzugsfähig (zB Anschaffung einer Eigentumswohnung durch einen Behinderten, VwGH 14.6.1988, 85/14/0150; Errichtung einer Stützmauer und Einbau einer Doppelgarage im Zuge eines Straßenbaus, VwGH 3.10.1990, 89/13/0152; Anschaffung eines Personalcomputers für Korrespondenz eines Behinderten, VwGH 14.1.1992, 91/14/0243; Anschaffung von Musikinstrumenten für Musik studierende Kinder, VwGH 24.11.1993, 93/15/0171; Errichtung eines behindertengerechten Eigenheimes, VwGH 22.10.1996, 92/14/0172; Adaptierung einer Wohnung im Zusammenhang mit einer ärztlich bestätigten Hausstaubmilbenallergie, siehe dazu auch ABC der außergewöhnlichen Belastungen, Rz 902).
Auch bei Wiederbeschaffung untergegangener Wirtschaftsgüter des Privatvermögens (zB Schadensbehebung auf Grund des Diebstahls einer Bankomatkarte sowie Aufwendungen im Zusammenhang mit auf einer Urlaubsreise gestohlenen Kleidungsstücken, vgl. VwGH 16.12.1998, 96/13/0033) und bei Kosten betreffend die Abwehr möglicher Vermögensverluste (zB Kraftfahrzeugversicherung) kann – ausgenommen bei notwendiger Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden (siehe dazu Rz 838 bis 838g) – nicht von Aufwendungen im Sinne des § 34 EStG 1988 gesprochen werden.
12.3.3 Subsidiarität (§ 34 Abs. 1 letzter Satz EStG 1988)
826
Ausgaben (Aufwendungen), die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, sind von der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen (vgl. dazu VwGH 24.11.1999, 94/13/0255). Dabei ist die Zuordnung dem Grunde nach maßgebend. Die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ist daher auch dann ausgeschlossen, wenn Ausgaben (Aufwendungen), die dem Grunde nach zu einer der genannten Ausgabenkategorien gehören, nicht oder nur zum Teil steuerlich wirksam geworden sind (zB wegen des Bestehens von Höchst- oder Pauschalbeträgen, vgl. zB § 18 Abs. 1 Z 5 und 7 EStG 1988, § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988, § 4 Abs. 4 Z 5, 6 und 7 EStG 1988, § 4 Abs. 5 EStG 1988, § 16 Abs. 1 Z 9 und 10 EStG 1988; VwGH 10.4.1981, 3437/80, VwGH 19.2.1992, 87/14/0116; wegen des Bestehens von zeitlichen Beschränkungen, oder wegen des Bestehens von Verlustausgleichsverboten, zB § 29 Z 3 EStG 1988, § 30 Abs. 4 EStG 1988). Bei Katastrophenschäden im Privatbereich geht § 34 EStG 1988 als Spezialnorm einem allenfalls gleichzeitig in Betracht kommenden Anspruch nach § 18 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 vor.
12.3.4 Außergewöhnlichkeit (§ 34 Abs. 2 EStG 1988)
827
Aufwendungen sind nur insoweit außergewöhnlich, als sie höher sind als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse (Maßgeblichkeit des gesamten wirtschaftlichen Einkommens unter Berücksichtigung des Familienstandes, VwGH 19.9.1989, 86/14/0192) und gleicher Vermögensverhältnisse (Maßgeblichkeit des mit dem Verkehrswert anzusetzenden gesamten Vermögens, VwGH 13.2.1973, 1034/72) erwachsen. Es darf sich um keine im täglichen Leben übliche Erscheinung bzw. „gewöhnliche“ Belastung handeln (vgl. VwGH 31.1.1992, 92/14/0135, betr. Mehraufwendungen einer berufsbedingten auswärtigen Verpflegung; VwGH 13.12.1995, 93/13/0272, betr. Aufwendungen für ein Kindermädchen bei berufstätigen Eltern).
Aufwendungen, die bei niedrigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen das Merkmal der Außergewöhnlichkeit aufweisen, können bei gehobenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen durchaus im Bereich der normalen Lebensführung gelegen sein (vgl. VwGH 24.2.2000, 96/15/0197, betr. Hausgehilfin einer Ärztin). Die ganztägige Beschäftigung einer Haushaltshilfe infolge Erkrankung und Pflegebedürftigkeit des Steuerpflichtigen ist auch bei guter Einkommens- und Vermögenslage als außergewöhnlich zu betrachten, sofern die durch die Krankheit oder die Pflegebedürftigkeit bedingte Betreuung über die einer „normalen“ Haushaltshilfe hinausgeht (vgl. VwGH 11.5.1993, 90/14/0019; VwGH 2.8.1995, 94/13/0207; VwGH 20.11.1996, 94/15/0141, betr. Hausgehilfe eines Alleinstehenden; siehe dazu auch ABC der außergewöhnlichen Belastungen, Rz 898).
12.3.5 Zwangsläufigkeit (§ 34 Abs. 3 EStG 1988)
828
Eine Belastung erwächst zwangsläufig, wenn sich der Steuerpflichtige ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Eine Belastung erwächst nicht zwangsläufig, wenn sie
- vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden ist (vgl. beispielsweise VwGH 25.1.2000, 97/14/0071, betr. Schadenersatz nach grob verschuldetem Verkehrsunfall im Rahmen einer Dienstfahrt),
- sonst unmittelbare Folge eines Verhaltens ist, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat (vgl. beispielsweise VwGH 19.03.1998, 95/15/0024, betr. Darlehensrückzahlung nach vertraglicher Überwälzung der Rückzahlungsverpflichtung; VwGH 18.02.1999, 98/15/0036, betr. Aufwendungen im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung; VwGH 26.09.2000, 99/13/0158; VwGH 19.12.2000, 99/14/0294, betr. Kosten durch das Führen eines Zivilprozesses, VwGH 24.10.2005, 2002/13/0031 betr. Forderungsausfall, betr. Kosten der Terrassenbepflanzung VwGH 22.03.2010, 2007/15/0256) oder
- sich als Folge eines vom Steuerpflichtigen übernommenen Unternehmerwagnisses darstellt (vgl. beispielsweise VwGH 20.11.1996, 96/15/0004, betr. Bürgschaftsübernahme zur Erhaltung von Arbeitsplätzen; VwGH 17.12.1998, 97/15/0055, bzw. VwGH 16.12.1999, 97/15/0126, betr. die Abwendung einer Insolvenzgefahr durch den Ehepartner).
829
Die Belastung muss nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach vom Begriff der Zwangsläufigkeit umfasst sein. Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. VwGH 12.6.1990, 89/14/0274; VwGH 20.6.1995, 92/13/0181; vgl. auch die ständige Verwaltungspraxis bei Begräbniskosten, siehe dazu Rz 890). Die Zwangsläufigkeit eines Aufwandes ist stets nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen. Eine wirtschaftliche oder typisierende Betrachtungsweise ist ausgeschlossen (vgl. VwGH 3.3.1992, 88/14/0011; VwGH 18.2.1999, 98/15/0036).
830
Unter tatsächlichen Gründen sind Ereignisse zu verstehen, die unmittelbar den Steuerpflichtigen selbst betreffen (zB eigene Krankheitskosten; vgl. VwGH 2.3.1993, 93/14/0018; VwGH 2.8.1995, 94/13/0207; VwGH 16.12.1999, 97/15/0126; siehe auch Rz 902).
831
Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen kann aus dem Verhältnis des Steuerpflichtigen zu anderen Personen erwachsen. Erwächst eine Belastung aus der Erfüllung einer Rechtspflicht, so muss bereits die Übernahme der Rechtspflicht das Merkmal der (rechtlichen oder sittlichen) Zwangsläufigkeit aufweisen (zB Krankheitskosten unterhaltsberechtigter Personen, VwGH 23.5.1996, 95/15/0018). Dementsprechend sind beispielsweise Zahlungen auf Grund einer freiwillig oder im Rahmen des Unternehmerwagnisses übernommenen Bürgschaftsverpflichtung nicht zwangsläufig (siehe dazu ABC der außergewöhnlichen Belastungen, Rz 893 ff, sowie VwGH 28.2.1995, 95/14/0016; VwGH 20.11.1996, 96/15/0004).
Ebenso sind Belastungen, die aus dem Antritt einer Erbschaft oder beispielsweise aus der Erfüllung von Übergabe- oder Schenkungsverträgen erwachsen, nicht zwangsläufig (vgl. dazu VwGH 23.5.1996, 95/15/0096, 0097, betr. Zahlungen zur Abfindung von Pflichtteilsansprüchen; VwGH 15.7.1998, 95/13/0270, betr. Zahlungen für Nachlassverbindlichkeiten; VwGH 30.11.1999, 94/14/0137, betr. Obsorge der Eltern bzw. Kosten einer doppelten Haushaltsführung auf Grund eines Übergabevertrages). Auch aus der ehelichen Beistandspflicht nach § 90 ABGB kann eine rechtliche Verpflichtung zur Abstattung von Verbindlichkeiten, die aus der ehemaligen selbständigen Tätigkeit des Ehepartners resultieren, nicht abgeleitet werden (VwGH 16.12.1999, 97/15/0126, betr. Abwendung einer Insolvenzgefahr).
Freiwilligkeit der Übernahme einer Rechtspflicht ist im Übrigen aber nicht deswegen anzunehmen, weil diese Rechtspflicht ihre Ursache im Familienrecht hat, sofern sich das freiwillige Verhalten lediglich auf das Entstehen der familienrechtlichen Verhältnisse bezieht (zB Eheschließung, Adoption; siehe auch Rz 865 ff).
832
Ebenso wie die Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen kann eine solche aus sittlichen Gründen nur aus dem Verhältnis zu anderen Personen erwachsen. Eine sittliche Verpflichtung kommt in erster Linie gegenüber nahen Angehörigen (§ 25 BAO, weiters der Lebensgefährte, vgl. dazu VwGH 13.5.1986, 86/14/0004) in Betracht, soweit nicht ohnehin hinsichtlich dieses Personenkreises eine rechtliche Verpflichtung besteht. Eine allgemeine sittliche Pflicht, Dritten beizustehen, besteht nicht (VwGH 27.9.1995, 92/15/0214).
Eine sittliche Verpflichtung liegt nur dann vor, wenn die Übernahme der Aufwendungen nach dem Urteil billig und gerecht denkender Personen (objektiv) durch die Sittenordnung geboten erscheint. Es reicht nicht aus, dass sich der Steuerpflichtige zur Tätigung der Aufwendungen sittlich verpflichtet fühlt. Ebenso ist nicht ausreichend, dass das Handeln menschlich verständlich, wünschens- oder lobenswert erscheinen mag (vgl. dazu VwGH 26.11.1997, 95/13/0146, betr. Prozesskosten der Eltern; VwGH 24.11.1999, 94/13/0255, betr. Übernahme einer Bürgschaft, siehe auch Rz 893 f; VwGH 9.9.1998, 94/14/0009, betr. Kosten des Haftprüfungsverfahrens für den 50 Jahre alten, im Erwerb nicht durch Krankheit oder Invalidität behinderten Bruder; VwGH 17.12.1998, 97/15/0055, betr. Aufwendungen zur Abwendung des Konkurses des Ehepartners) oder eine ungünstige Nachrede in der Öffentlichkeit vermieden werden soll (VwGH 23.5.1996, 95/15/0018, betr. Tilgung einer Schuld der Ehegattin zur Heilung ihrer psychosomatischen Erkrankung; VwGH 15.7.1998, 95/13/0270, betr. Nachlassverbindlichkeiten). Es kommt darauf an, ob der Steuerpflichtige objektiv glauben darf, eine existenzbedrohende Notlage eines Angehörigen abwenden zu können.
Es besteht grundsätzlich keine sittliche Verpflichtung zur Tragung von Aufwendungen, die die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen wesentlich übersteigen (vgl. beispielsweise VwGH 24.11.1999, 94/13/0255, betr. Bürgschaftsübernahme). Es besteht keine sittliche Verpflichtung für objektiv aussichtslose Hilfsmaßnahmen (VwGH 11.12.1990, 90/14/0202).
12.3.6 Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Selbstbehalt (§ 34 Abs. 4 und 5 EStG 1988)
833
Eine wesentliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit liegt insoweit vor, als die Belastung den vom Steuerpflichtigen zu tragenden Selbstbehalt überschreitet.
834
Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Selbstbehaltes ist das Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastung selbst. Progressionsvorbehaltseinkünfte gemäß § 3 EStG 1988 sind nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen (VwGH 12.9.2001, 96/13/0066). Einkünfte, für die Österreich nach einem DBA kein Besteuerungsrecht zusteht, sind hingegen zu berücksichtigen (VwGH 24.5.2007, 2004/15/0051; BFG 30.6.2014, RV/4100587/2013). Sind im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 EStG 1988 enthalten, so sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988, anzusetzen.
835
Die Höhe des Selbstbehaltes wird durch Anwendung des jeweils zutreffenden Prozentsatzes nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 auf die Bemessungsgrundlage ermittelt. Danach beträgt der Selbstbehalt bei einem Einkommen von
höchstens 7.300,00 Euro | 6% |
mehr als 7.300,00 Euro bis 14.600,00 Euro | 8% |
mehr als 14.600,00 Euro bis 36.400,00 Euro | 10% |
mehr als 36.400,00 Euro | 12% |
Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt,
- wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, und/oder
- für jedes Kind (§ 106 EStG 1988) oder
- wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 von höchstens 6.000 Euro (siehe Rz 774) jährlich erzielt (ab der Veranlagung 2012).
836
Ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes können nur die in § 34 Abs. 6 EStG 1988 in Form einer erschöpfenden Aufzählung angeführten Aufwendungen abgezogen werden. Darunter fallen
- Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden (Rz 838 bis 838g),
- Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung (Rz 873 ff),
- Aufwendungen für die Kinderbetreuung (Rz 884a bis 884k),
- Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird (Rz 857 ff),
- Aufwendungen im Sinne des § 35 EStG 1988, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (Rz 841), und
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung (Rz 839 ff).
12.3.7 Abzugsverbote
837
Gemäß § 20 Abs. 3 EStG 1988 sind Aufwendungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 (zB Bestechungs- und Schmiergelder oder an ihre Stelle tretende Sachzuwendungen, deren Gewährung oder Annahme mit gerichtlicher Strafe bedroht ist) vom Abzug als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Ein Ausschluss des Abzugs kann sich mangels Bekanntgabe des Empfängers auch nach § 162 Abs. 1 BAO ergeben. Zum Abzugsverbot für Unterhaltsaufwendungen siehe Rz 865.
12.4 Katastrophenschäden (§ 34 Abs. 6 EStG 1988)
12.4.1 Allgemeines
838
Der Gesetzesbegriff „Katastrophenschaden“ im § 34 Abs. 6 EStG 1988 umfasst dem Grunde nach außergewöhnliche Schadensereignisse, die nach objektiver Sicht aus dem regelmäßigen Ablauf der Dinge herausfallen, in der Regel verheerende Folgen nach sich ziehen und von der Allgemeinheit als schweres Unglück angesehen werden (VwGH 19.02.1992, 87/14/0116).
In diesem Sinn stellen unvorhersehbare Schadensereignisse größeren Umfangs, die für den Steuerpflichtigen eine unabwendbare Vermögenseinbuße nach sich ziehen, eine außergewöhnliche Belastung dar. Ereignisse, die sich als – wenn auch außergewöhnliche – Folge eines potentiellen Risikos oder einer potentiellen Betriebsgefahr darstellen, das der Steuerpflichtige durch seine freie Willensentscheidung in Kauf nimmt, sind vom Begriff des „Katastrophenschadens“ jedenfalls nicht umfasst.
Die Anerkennung von Kosten zur Beseitigung von Katastrophenschäden als außergewöhnliche Belastung kommt daher nur nach Naturkatastrophen, insbesondere bei Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs-, Lawinenkatastrophen und Sturmschäden sowie bei Schäden durch Flächenbrand, Strahleneinwirkung, Erdbeben, Felssturz oder Steinschlag, in Betracht. Ein bloßer Vermögensschaden stellt noch keine außergewöhnliche Belastung dar. Erst die Kosten zur Beseitigung des Vermögensschadens können steuerlich abgesetzt werden. Dabei sind die Kosten der Beseitigung von unmittelbaren Katastrophenfolgen (Rz 838b), die Kosten für Reparatur und Sanierung beschädigter Gegenstände (Rz 838c) und Kosten für die Ersatzbeschaffung zerstörter Gegenstände (Rz 838d und Rz 838e) ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG 1988 absetzbar. Die Erbringung eigener Arbeitsleistung ist mangels eines Kostenaufwandes steuerlich nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn aus öffentlichen Mitteln (insbesondere aus dem Katastrophenfonds) „Zuschüsse“ dafür bezahlt werden.
Absetzbar sind nur Kosten der Beseitigung eines eingetretenen Katastrophenschadens. Aufwendungen zwecks Abwehr künftiger Katastrophen (wie zB die Errichtung einer Stützmauer) sind nicht absetzbar (VwGH 10.11.1987, 85/14/0128).
12.4.2 Betroffener Personenkreis
838a
Eine außergewöhnliche Belastung wegen der Beseitigung von Katastrophenschäden kann grundsätzlich nur jene Person geltend machen, die im Zeitpunkt des Schadensfalles Eigentümer des untergegangenen oder beschädigten Wirtschaftsgutes war. Ist der Eigentümer des untergegangenen oder beschädigten Wirtschaftsgutes eine unterhaltsberechtigte Person, kann der Unterhaltsverpflichtete eine außergewöhnliche Belastung (in Anlehnung an die Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996) wie folgt in Anspruch nehmen:
- Unterhaltsberechtigter vermittelt dem Steuerpflichtigen den Alleinverdienerabsetzbetrag oder ist ein Kind im Sinne des § 106 EStG 1988: Berücksichtigung des Katastrophenschadens ohne Selbstbehalt gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988.
- Sonstiger Unterhaltsberechtigter (zB mittelloser Elternteil, Student, für den keine Familienbeihilfe mehr ausbezahlt wird): Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung gemäß § 34 Abs. 7 EStG 1988 mit Selbstbehalt des Unterhaltsverpflichteten (siehe Rz 868).
Bei Gebäuden ist grundsätzlich vom grundbücherlichen Eigentum im Zeitpunkt des Schadensfalles auszugehen. Ist der Steuerpflichtige Eigentümer auf Grund eines Eigentumserwerbs durch Bauführung, der Vereinbarung eines Superädifikates oder eines Baurechts, steht dies dem grundbücherlichen Eigentümer jedenfalls gleich. Hat ein Grundstück oder Gebäude mehrere Miteigentümer, ist hinsichtlich der Aufteilung der geltend gemachten Aufwendungen den Anträgen der Miteigentümer zu folgen. Ist ein Wohnungsbenutzer nicht gleichzeitig (Mit)Eigentümer, kann er Reparatur- und Sanierungsaufwendungen nur für den Wohnraum geltend machen, der von ihm genutzt wird.
Zur Ersatzbeschaffung von PKW siehe Rz 838e.
12.4.3 Kosten für die Beseitigung von unmittelbaren Katastrophenfolgen
838b
Zu den Kosten für die Beseitigung der unmittelbaren Katastrophenfolgen zählen beispielsweise: Beseitigung von Wasser- und Schlammresten, Beseitigung des Schnees von Dächern einsturzgefährdeter Gebäude, Beseitigung von Sperrmüll sowie unbrauchbar gewordener Gegenstände, Raumtrocknung sowie Mauerentfeuchtung, Anschaffung (Anmietung) von Trocknungs- und Reinigungsgeräten. Aufwendungen zur Schneeräumung von Dächern auf Grund üblicher Schneefälle – auch wenn diese ergiebig sind – stellen keine außergewöhnliche Belastung dar.
Absetzbar sind sämtliche Kosten, die mit der Beseitigung der unmittelbaren Katastrophenfolgen im Zusammenhang stehen und zwar in vollem Umfang (tatsächlich bezahltes Ausmaß laut Rechnung). Dabei ist es gleichgültig, ob die Kosten im Zusammenhang mit dem Erstwohnsitz oder einem weiteren Wohnsitz anfallen oder im Zusammenhang mit einem „Luxusgut“ stehen (zB sind auch Kosten für die Reinigung eines Schwimmbades oder einer Sauna absetzbar).
12.4.4 Kosten für die Reparatur und Sanierung beschädigter Gegenstände
838c
Zu den Kosten für die Reparatur und Sanierung durch die Katastrophe beschädigter, aber weiter nutzbarer Vermögensgegenstände zählen beispielsweise: Reparatur und Sanierung von weiter nutzbaren Wohnhäusern bzw. Wohnungen, Erneuerung des Dachstuhls nach einer Schneekatastrophe, Ersatz des Fußbodens, Erneuerung des Verputzes, Ausmalen von Räumen, Sanierung der Kanalisation bzw. Senkgruben, Reparatur bzw. Wiederherstellung von Zäunen und sonstigen Grundstücksumfriedungen sowie Hochwasserschutzbauten, Sanierung von Gehsteigen und Hofpflasterungen, Reparatur beschädigter PKW.
Absetzbar sind die Kosten für die Reparatur und Sanierung in dem Umfang, in dem diese Gegenstände für die „übliche Lebensführung“ benötigt werden (tatsächlich bezahltes Ausmaß laut Rechnung). Nicht abgesetzt werden können daher Kosten für die Reparatur und Sanierung von Gegenständen, die nicht mehr der üblichen Lebensführung zugerechnet werden können, wie zB Kosten im Zusammenhang mit einem Zweitwohnsitz oder Sanierungskosten an einem Schwimmbad.
12.4.5 Kosten für die Ersatzbeschaffung zerstörter Gegenstände (ausgenommen PKW, siehe Rz 838e)
838d
Zu den Kosten für die Ersatzbeschaffung durch die Katastrophe zerstörter Vermögensgegenstände zählen beispielsweise: erforderlicher Neubau des gesamten Wohngebäudes oder von Gebäudeteilen, Neuanschaffung von Einrichtungsgegenständen, Neuanschaffung von Kleidung oder Geschirr.
Absetzbar sind die Kosten in dem Umfang, in dem die zerstörten Gegenstände für die „übliche Lebensführung“ benötigt werden. Nicht absetzbar sind somit die Kosten für die Ersatzbeschaffung von Gütern, die für die übliche Lebensführung nicht notwendig sind (zB Sportgeräte) bzw. einem gehobenen Bedarf dienen (insbesondere „Luxusgüter“). Ebenfalls nicht absetzbar sind die Kosten für die Ersatzbeschaffung von Gegenständen, die nicht dem Hauptwohnsitz, sondern dem Zweitwohnsitz oder einem weiteren Wohnsitz zuzuordnen sind. Die Kosten für die Ersatzbeschaffung sind grundsätzlich mit den tatsächlichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und im Ausmaß des „Neupreises“ absetzbar (tatsächliches Ausmaß laut Rechnung). Werden Gegenstände ersatzbeschafft, die üblicherweise zur Lebensführung benötigt werden, gehen aber die Ersatzbeschaffungskosten über einen durchschnittlichen Standard hinaus, können nur die Vergleichskosten („Neupreise“) für die Anschaffung (Herstellung) eines Gegenstandes üblichen Standards berücksichtigt werden.
Wohnhäuser, Wohnungen
In voller Höhe absetzbar sind die Kosten für die Ersatzbeschaffung von Wohneinheiten vergleichbarer Nutzungsmöglichkeit. Absetzbar sind nur die Ersatzbeschaffungskosten für den Hauptwohnsitz (in Anlehnung an die Beurteilung durch die Landesbehörden), nicht hingegen für Zweit- oder weitere Wohnsitze, Gartenhäuschen, Badehütten (Pfahlbauten), Wohnmobile, Wohnwägen. In voller Höhe absetzbar sind auch die Mietkosten für ein Überbrückungsquartier. Wird ein beschädigtes aber an sich sanierungsfähiges Eigenheim nicht saniert, sondern wird ein neues Eigenheim (eventuell an einem anderen Ort) errichtet, können die Neuerrichtungskosten in jenem Ausmaß geltend gemacht werden, das der von der Schadenskommission festgestellten Schadensumme abzüglich der darauf entfallenden Ersätze entspricht.
Einrichtungsgegenstände
In voller Höhe absetzbar sind Kosten für die Ersatzbeschaffung von Möbeln, Teppichen, Vorhängen, Wäsche (für Schlafzimmer, Badezimmer, Küche inkl. Tischwäsche), Beleuchtungskörper, Speisegeschirr, Elektro-, Haushalts-, Küchengeräten (zB Waschmaschine, Wäschetrockner, Kühlschrank, Tiefkühltruhe, Geschirrspüler, Elektroherde inkl. Mikrowellenherde), Sanitär- und Heizungsanlagen. Die Kosten für die Ersatzbeschaffung von handgeknüpften Teppichen sind mit maximal 730 Euro pro Quadratmeter absetzbar, Antiquitäten mit jeweils maximal 7.300 Euro, sofern sie die zuvor angeführten und daher dem Grunde nach abzugsfähigen Gebrauchsgegenstände ersetzen. Nicht absetzbar sind Kosten für Zier- und Dekorationsgegenstände (einschließlich Bilder und Tapisserien), Zimmerpflanzen uÄ.
Unterhaltungselektronik, Foto- und Filmausrüstungen
In voller Höhe absetzbar sind folgende Kosten, sofern die Gegenstände dem üblichen Standard entsprechen: Kosten für die Ersatzbeschaffung von Radio- und Fernsehgeräten, Satellitenanlagen, CD-Playern, Videoanlagen inkl. DVD, PC einschließlich DVD-Anlage und Brenner. Nicht absetzbar sind Ersatzbeschaffungskosten für Foto- und Film(Video)ausrüstungen.
Fahrzeuge (ausgenommen PKW)
In voller Höhe absetzbar sind die Kosten für Mopeds und Fahrräder, ausgenommen Fahrräder, die als Sportgerät ausgelegt sind (Rennräder). Nicht absetzbar sind die Kosten für die Ersatzbeschaffung von Motorrädern, es sei denn, es handelt sich um das einzige von der betreffenden Person genutzte Kraftfahrzeug. Nicht absetzbar sind die Kosten für Wohnmobile und Wohnwägen.
Andere Gegenstände
In voller Höhe absetzbar sind die Kosten für die Ersatzbeschaffung von Vorräten, Spielwaren, Schulbedarf, Werkzeugen, die üblicherweise im Haushalt verwendet werden, weiters die Kosten für Gräberrenovierungen. Die Kosten für die Ersatzbeschaffung von Bekleidung sind bis zu einem Höchstausmaß von 2.000 Euro pro im Haushalt lebender Person absetzbar. Nicht absetzbar sind die Ersatzbeschaffungskosten für Sammlungen aller Art (zB Bücher, Briefmarken, Münzen, Weine, CDs, Videobänder, Schallplatten). Weiters nicht absetzbar sind die Kosten für ein Kellerstüberl, einen Swimmingpool, eine Sauna, die Gartengestaltung, Gartengeräte, Biotope, Grillplätze, Werkzeug- und Gartenhütten, Sportgeräte (zB Schiausrüstung, Fitnessgeräte).
12.4.6 Kosten für die Ersatzbeschaffung von PKW
838e
Die Ersatzbeschaffung von PKW führt grundsätzlich zu einer außergewöhnlichen Belastung, und zwar auch dann, wenn sich das Fahrzeug am Zweitwohnsitz befunden hat. Die Höhe der außergewöhnlichen Belastung ist mit dem Zeitwert im Zeitpunkt der Zerstörung (Beschädigung) des Fahrzeuges begrenzt, und zwar unabhängig davon, ob ein gebrauchtes oder neues Ersatzfahrzeug erworben wird. Der Zeitwert kann dabei an Hand einer achtjährigen Gesamtnutzungsdauer des (zerstörten) Fahrzeuges („fiktiver Buchwert“) errechnet werden; es ist jedoch mindestens ein Wert von 10% der seinerzeitigen Anschaffungskosten des zerstörten PKW anzunehmen. Bei Ermittlung des Zeitwertes ist von Anschaffungskosten in Höhe von maximal 40.000 Euro auszugehen.
Bei der Ersatzbeschaffung von PKW ist steuerlich nur das bisherige „Erstauto“ eines Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Nutzen zB in einem Haushalt beide Ehegatten jeweils einen eigenen PKW und wurden beide PKW unbrauchbar, wird die Ersatzbeschaffung für beide PKW berücksichtigt; verfügte ein Ehegatte hingegen über zwei Autos wie etwa einen Gebrauchs-PKW sowie einen Jagd/Geländewagen, ist nur die Ersatzbeschaffung des Gebrauchs-PKW absetzbar. Für welches Familienmitglied das oder die Kraftfahrzeug(e) zugelassen waren, ist für die Zurechnung des Vermögensschadens innerhalb der Familie nicht maßgeblich; es ist von der tatsächlichen Nutzung auszugehen.
12.4.7 Nachweis der Aufwendungen
838f
Für die steuerliche Berücksichtigung von katastrophenbedingten Aufwendungen ist es grundsätzlich erforderlich, dass dem zuständigen Finanzamt die von den Gemeindekommissionen über die Schadenserhebung aufgenommenen Niederschriften vorgelegt werden. Die in der Niederschrift getroffenen Schadensfeststellungen oder – bei Fehlen von Gemeindekommissionen – die dem Katastrophenfonds vorgelegten Unterlagen betreffend Fremdleistungen sind regelmäßig die Grundlage für die steuerliche Berücksichtigung der Schadensbeseitigungskosten. Überdies sind diese Kosten selbst durch Rechnungen zu belegen. Sollte (ausnahmsweise) eine Niederschrift nicht oder nicht vollständig aufgenommen worden sein (zB wegen Lage eines Gebäudes in einem als hochwassergefährdet eingestuften Gebiet), muss eine „Selbsterklärung“ unter Anschluss der entsprechenden Rechnungen beigebracht werden.
12.4.8 Finanzierung der Aufwendungen im Zusammenhang mit Katastrophenschäden
838g
Wird ein laufendes Einkommen erzielt, ist davon auszugehen, dass Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden aus diesem laufenden Einkommen bezahlt werden. Wird zur Finanzierung der steuerlich abzugsfähigen Kosten ein Darlehen aufgenommen, sind die auf diese Kosten entfallenden Darlehensrückzahlungen – samt Zinsen – als außergewöhnliche Belastung abzuziehen (siehe auch Rz 821).
Erhält der Steuerpflichtige aus Anlass der Katastrophenschäden steuerfreie Subventionen (Katastrophenfonds, sonstige öffentliche Mittel wie zB Wohnbauförderungsbeträge), steuerfreie Spenden oder steuerfreie Bezüge, kürzen diese die abzugsfähigen Kosten. Gleiches gilt für Erlöse aus der Veräußerung ersatzbeschaffter Wirtschaftsgüter (zB Erlöse aus dem Verkauf eines Haus- oder PKW – Wracks). Weiters kürzen Ersätze von Versicherungen die Reparatur- oder Ersatzbeschaffungskosten für das versicherte Wirtschaftsgut (zB Kaskoversicherung für PKW).
Bei der Verrechnung der steuerfreien Ersätze sind im Wesentlichen folgende Fälle denkbar:
- Der Steuerpflichtige hat im Jahr des Katastrophenschadens keine Reparatur oder Ersatzbeschaffung gezahlt, aber bereits eine Akontozahlung auf eine steuerfreie Subvention erhalten; diese Akontozahlung kürzt die Aufwendungen im Jahr (in den Jahren) der Bezahlung.
Beispiel:
Jahr 2002 – keine Aufwendungen, aber Akontozahlung 5.000 Euro; Jahr 2003 – Aufwendungen 50.000 Euro, Abschlusszahlung des Katastrophenfonds 15.000 Euro. Die Aufwendungen des Jahres 2003 sind um den Gesamtbetrag von 20.000 Euro zu kürzen.
- Der Steuerpflichtige hat im Jahr des Katastrophenschadens Reparaturen oder Ersatzbeschaffungen gezahlt und eine Akontozahlung für eine steuerfreie Subvention erhalten; bis zur Antragstellung liegt aber noch keine endgültige Abrechnung vor. Die Aufwendungen im Katastrophenjahr sind um die Akontozahlung, die Aufwendungen in einem Folgejahr um später zuerkannte Subventionen zu kürzen.
Beispiel:
Jahr 2002 – Aufwendungen 15.000 Euro, Akontozahlung 5.000 Euro; Jahr 2003 – Aufwendungen 30.000 Euro, Abschlusszahlung 15.000 Euro. Die Aufwendungen des Jahres 2002 sind um 5.000 Euro, die des Jahres 2003 um 15.000 Euro zu kürzen; zu berücksichtigen sind daher für 2002 10.000 Euro und für 2003 15.000 Euro.
- Der Steuerpflichtige hat im Jahr des Katastrophenschadens Reparaturen oder Ersatzbeschaffungen durch die Aufnahme eines Darlehens finanziert und erhält im Folgejahr eine steuerfreie Subvention. Die jährlichen Zinsen- und Darlehensrückzahlungen sind anteilsmäßig (entsprechend dem Verhältnis der Subventionen zu den Reparaturen bzw. Ersatzbeschaffungen) zu kürzen.
Beispiel:
Jahr 2002 – Aufwendungen von 50.000 Euro werden mittels eines Darlehens finanziert, keine Aufwendungen; Jahr 2003 – Subvention 20.000 Euro, das sind 40% der Aufwendungen. Die jährlichen Zinsen- und Darlehensrückzahlungen sind daher im Ausmaß von 60% abzugsfähig.
- Der Steuerpflichtige hat im Jahr des Katastrophenschadens bereits Reparaturen oder Ersatzbeschaffungen gezahlt, er erhält aber erst in einem späteren Jahr die Ersatzleistung. Die Ersatzleistung des späteren Jahres kürzt die außergewöhnliche Belastung des früheren Jahres.
Beispiel:
Jahr 2002 – Aufwendungen 20.000 Euro; Jahr 2003 Versicherungsersatz 5.000 Euro. Die außergewöhnliche Belastung beträgt daher im Jahr 2002 15.000 Euro.