908a
Jede Veranlagung gemäß § 41 EStG 1988 setzt voraus, dass im Einkommen Einkünfte enthalten sind, von denen ein Steuerabzug vom Arbeitslohn vorzunehmen ist. Die Veranlagung zur Einkommensteuer bei Bestehen der Lohnsteuerpflicht erfolgt gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 als Pflichtveranlagung und gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 auf Antrag des Steuerpflichtigen. Hinsichtlich bestimmter steuerfreier Bezüge erfolgt eine Hochrechnung gemäß § 3 Abs. 2 und 3 EStG 1988 (siehe Rz 113 ff).
13.1 Pflichtveranlagung (§ 41 Abs. 1 EStG 1988)
909
Bei Vorliegen von lohnsteuerpflichtigen Einkünften ist in den folgenden Fällen ein Pflichtveranlagungstatbestand für das jeweilige Kalenderjahr gegeben:
- andere Einkünfte von mehr als 730 Euro (siehe Rz 910-910b),
- gleichzeitiger Bezug von zwei oder mehreren lohnsteuerpflichtigen Einkünften, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden (siehe Rz 911 – 911b),
- Zufluss von Bezügen gemäß § 69 Abs. 2, 3, 5, 6, 7, 8 oder 9 EStG 1988 (siehe Rz 911c – 911d) (Bezüge aus einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversorgung bzw. Rehabilitationsgeld, Rz 1171 f, Bezüge nach dem Heeresgebührengesetz 2001, Rz 1173 ff, Rückzahlung von Pflichtbeiträgen, Rz 1177, Zahlungen aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds, Rz 1177a, Bezüge aus Dienstleistungsscheck, Rz 655b und Rz 1177b, Bezüge gemäß § 33f Abs. 1 BUAG, Rz 1177c, Rückzahlung von Pensionsbeiträgen Rz 688),
- wenn ein Freibetragsbescheid bei der Lohnverrechnung berücksichtigt wurde (siehe Rz 911e),
- wenn der Alleinverdienerabsetzbetrag, der Alleinerzieherabsetzbetrag, der erhöhte Pensionistenabsetzbetrag oder Freibeträge nach § 62 Z 10 EStG 1988 berücksichtigt wurden, aber die Voraussetzungen nicht vorlagen (siehe Rz 911f),
- wenn auf Grund einer unrichtigen Erklärung des Arbeitnehmers oder der Unterlassung einer Meldung beim Arbeitgeber ein zu hohes Pendlerpauschale (§ 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988) oder zu Unrecht ein Pendlerpauschale berücksichtigt worden ist,
- wenn auf Grund einer unrichtigen Erklärung des Arbeitnehmers oder der Unterlassung einer Meldung beim Arbeitgeber ein Zuschuss zur Kinderbetreuung (§ 3 Abs. 1 Z 13 lit. b EStG 1988) zu Unrecht oder in unrichtiger Höhe steuerfrei ausgezahlt worden ist,
- Zufluss von Bezügen gemäß § 3 Abs. 1 Z 32 EStG 1988,
- wenn Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 27a Abs. 1 EStG 1988 oder entsprechende betriebliche Einkünfte vorliegen, die keinem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen,
- wenn der Arbeitnehmer gemäß § 83 Abs. 3 EStG 1988 unmittelbar für die Lohnsteuer in Anspruch genommen wird,
- wenn Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen im Sinne des § 30 EStG 1988 erzielt wurden, für die keine Immobilienertragsteuer gemäß § 30c Abs. 2 EStG 1988 entrichtet wurde oder keine Abgeltung gemäß § 30b Abs. 2 EStG 1988 gegeben ist,
- bei Vorliegen einer Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988,
- wenn ein Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 berücksichtigt wurde, aber die Voraussetzungen nicht vorlagen oder wenn ein nicht zustehender Betrag berücksichtigt wurde.
Siehe auch Beispiel Rz 10909.
13.1.1 „Andere Einkünfte“
910
Ein Steuerpflichtiger ist zu veranlagen, wenn er andere Einkünfte (siehe Rz 910b) bezogen hat, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt (§ 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988). Bei Überschreiten der Veranlagungsgrenze von 730 Euro sind die gesamten anderen Einkünfte unter Beachtung der Einschleifregelung (siehe Rz 912e) in die Veranlagung einzubeziehen.
910a
Für die Anwendung des Veranlagungsfreibetrages ist die Bagatellgrenze für Kapitaleinkünfte von 22 Euro zu berücksichtigen (§ 39 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988, siehe EStR 2000 Rz 7511). Nicht ausgleichfähige Verluste (zB Verluste bei Einkünften aus Leistungen gemäß § 29 Z 3 EStG 1988) oder nur innerbetrieblich verrechenbare Verluste (§ 2 Abs. 2a EStG 1988) bleiben unberücksichtigt. Im Fall einer Verlustverrechnung gemäß § 2 Abs. 2b Z 1 EStG 1988 ist der nach der Verlustverrechnung verbleibende Gewinn maßgeblich. Hinsichtlich der Berücksichtigung ausländischer Einkünfte siehe EStR 2000 Rz 198ff. Zur Berücksichtigung ausländischer Verluste gemäß § 2 Abs. 8 Z 3 EStG 1988 im Rahmen des Veranlagungsfreibetrages siehe EStR 2000 Rz 209.
910b
Als „andere Einkünfte“ gelten alle Einkünfte, die dem Grunde nach nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen. Andere Einkünfte sind daher Einkünfte aus anderen Einkunftsarten sowie nichtselbstständige Einkünfte, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen, wie zB Arbeitslohn von dritter Seite ohne Lohnsteuerabzug gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988, inländische Einkünfte von Arbeitgebern ohne inländischer Betriebsstätte oder von Arbeitgebern, die nicht zum Lohnsteuerabzug verhalten werden können (zB sur-place-Personal bei Botschaften), ausländische Einkünfte für die Österreich das Besteuerungsrecht zukommt oder die im Rahmen des Progressionsvorbehaltes zu erfassen sind. Zur Behandlung endbesteuerungsfähiger Kapitalerträge siehe Rz 912f, zur Behandlung steuersatzbegünstigter Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen siehe Rz 912g.
Steuerfreie Einkünfte im Sinne des § 3 EStG 1988 lösen für sich alleine keine Pflichtveranlagung aus.
13.1.2 Bezug von zwei oder mehreren lohnsteuerpflichtigen Einkünften
911
Eine Pflichtveranlagung ist durchzuführen, wenn im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind (§ 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988). Bei einer gemeinsamen Versteuerung von mehreren Pensionen, die durch eine Pensionsversicherungsanstalt ausbezahlt werden (zB Eigenpension und Witwer- bzw. Witwenpension) ist diese Voraussetzung nicht gegeben. Ein Pflichtveranlagungstatbestand gemäß § 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 liegt somit in diesen Fällen nicht vor, der Steuerpflichtige kann seinen Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung zurückziehen.
911a
Eine Urlaubsersatzleistung, bei der sozialversicherungsrechtlich (§ 11 Abs. 2 ASVG) die Pflichtversicherung für den Zeitraum weiter besteht, der verstrichen wäre, hätte der Dienstnehmer den Urlaub im Anschluss an das Dienstverhältnis konsumiert, führt zu keinem Pflichtveranlagungstatbestand, wenn die Urlaubsersatzleistung gemeinsam mit dem Bezug des Endemonats abgerechnet wird.
Wird die Urlaubsersatzleistung später, dh. in einem neuen Kalendermonat, ausbezahlt, und kommt es dadurch im tatsächlichen Auszahlungsmonat zu einer Überschneidung mit anderen Bezügen, liegt ein Pflichtveranlagungstatbestand vor.
Erfolgt die Abrechnung der Urlaubsersatzleistung nicht im Monat der Beendigung des Dienstverhältnisses, ist darüber ein gesonderter Lohnzettel auszustellen.
911b
Liegen neben steuerpflichtigen nichtselbstständigen Einkünften nur Einkünfte nach § 3 Abs. 1 Z 11 lit. b EStG 1988 (Entwicklungshilfe) vor, ist allein aus diesem Grund keine Pflichtveranlagung durchzuführen. Wenn kein Pflichtveranlagungsfall vorliegt, besteht die Möglichkeit, innerhalb von fünf Jahren eine Veranlagung zu beantragen. Liegt kein Pflichtveranlagungstatbestand vor, können beantragte Veranlagungen im Beschwerdewege zurückgezogen werden. Im Übrigen siehe Rz 912 – 912c.
13.1.5 Berücksichtigung des Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrages
911f
Wurde der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag bei der laufenden Lohnverrechnung ohne Vorliegen der Voraussetzungen berücksichtigt, ist eine Pflichtveranlagung vorzunehmen (§ 41 Abs. 1 Z 5 EStG 1988); siehe Rz 788.
13.2 Antragsveranlagung und antragslose Arbeitnehmerveranlagung (§ 41 Abs. 2 EStG 1988)
13.2.1 Antragsveranlagung (§ 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988)
912
Der Antrag auf Veranlagung kann innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes gestellt werden. Die Frist für die Antragstellung ist eine unerstreckbare gesetzliche Frist. Der Antrag ist mit der Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung zu stellen (§ 133 Abs. 2 BAO). Er führt zu keiner Bindung für spätere Jahre.
912a
Mit dem Antrag auf Veranlagung kann der Steuerpflichtige Werbungskosten (§ 16 EStG 1988), Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988) oder außergewöhnliche Belastungen (§§ 34, 35 und 105 EStG 1988), den Alleinverdiener/Alleinerzieherabsetzbetrag (§ 33 Abs. 4 Z 1 und 2 EStG 1988), den Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988), die Einschleifregelung bei sonstigen Bezügen (§ 77 Abs. 4 EStG 1988) und den Kinderfreibetrag (§ 106a EStG 1988 – bis einschließlich der Veranlagung für das Kalenderjahr 2018) geltend machen.
912b
Eine Veranlagung kann auch beantragt werden, wenn die Summe der anderen Einkünfte einen Verlust ergibt oder der Arbeitnehmerabsetzbetrag zu einer negativen Einkommensteuer (§ 33 Abs. 8 EStG 1988) führt. Ergibt sich bei der Antragsveranlagung eine Nachzahlung (insbesondere bei Lohnsteuerfehlberechnungen), kann der Arbeitnehmer den Antrag auch noch im Rechtsmittelverfahren zurückziehen. Die Freigrenze für Kapitaleinkünfte in Höhe von 22 Euro (§ 39 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988) gilt auch im Rahmen der Antragsveranlagung.
912c
Beschränkt Steuerpflichtige sind nach Maßgabe des § 102 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 ebenfalls berechtigt, eine Veranlagung zu beantragen. Im Rahmen dieser Veranlagung sind auch die im Lohnsteuerabzugsweg nicht berücksichtigten Steuerfreistellungen auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen zu beachten. Eine abkommensgemäße Entlastung von Lohnsteuer, die vom Arbeitslohn einbehalten wurde, der nicht in die Veranlagung einzubeziehen ist (zB nach § 67 Abs. 8 EStG 1988 besteuerte Pensionsabfindung), kann nur im Wege eines Rückzahlungsantrages gemäß § 240 BAO herbeigeführt werden; zuständig dafür ist das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart.
912d
EU/EWR-Bürger können unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag als unbeschränkt Steuerpflichtige behandelt werden (§ 1 Abs. 4 EStG 1988, siehe Rz 7 ff). Daher finden in diesen Fällen die Bestimmungen über die Veranlagung unbeschränkt Steuerpflichtiger Anwendung.
13.2.2 Antragslose Arbeitnehmerveranlagung (§ 41 Abs. 2 Z 2 EStG 1988)
912e
Gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 ist eine antragslose Arbeitnehmerveranlagung durchzuführen, wenn
- bis 30. Juni des Folgejahres keine Steuererklärung eingereicht wurde und
- die Veranlagung auf Grund der dem Finanzamt bekannten Datenlage zu einer Steuergutschrift führt,
außer der Abgabepflichtige hat darauf verzichtet.
Zusätzlich muss auf Grund der Aktenlage des Finanzamtes anzunehmen sein, dass
- im Veranlagungsjahr keine anderen als nichtselbständige Einkünfte erzielt wurden und
- die Steuergutschrift auf Grund der antragslosen Veranlagung nicht niedriger ist als die dem Steuerpflichtigen tatsächlich zustehende Steuergutschrift.
Wurde bis zum Ablauf des dem Veranlagungszeitraum zweitfolgenden Kalenderjahres keine Abgabenerklärung für den betroffenen Veranlagungszeitraum abgegeben, ist in Fällen einer Steuergutschrift jedenfalls eine antragslose Veranlagung durchzuführen.
Die antragslose Arbeitnehmerveranlagung kommt erstmalig für das Veranlagungsjahr 2016 zur Anwendung.
912f
§ 41 Abs. 2a EStG 1988 sieht vor, dass die antragslose Arbeitnehmerveranlagung in folgenden Fällen zu unterbleiben hat:
- wenn ein Verdacht besteht, dass der Steuerpflichtige Dienstnehmer eines Scheinunternehmers im Sinne des Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes ist,
- wenn Zweifel an der Identität des Steuerpflichtigen oder der Bevollmächtigung seines steuerlichen Vertreters bestehen, oder
- wenn sonstige schwerwiegende Bedenken gegen die Durchführung einer antragslosen Arbeitnehmerveranlagung bestehen.
912g
Um sicherzustellen, dass die antragslose Arbeitnehmerveranlagung zu einer das Veranlagungsjahr abschließenden Erledigung führt, bestehen Ausschlussgründe für eine antragslose Arbeitnehmerveranlagung. Insbesondere ist in folgenden Fällen keine antragslose Arbeitnehmerveranlagung durchzuführen:
1.Es ist nach der Aktenlage des Finanzamtes anzunehmen, dass der Steuerpflichtige im betreffenden Jahr auch noch andere als in einem Lohnzettel erfasste nichtselbständige Einkünfte erzielt hat. Das ist der Fall, wenn bei der Veranlagung in einem der beiden vorangegangenen Jahre andere als nichtselbständige Einkünfte berücksichtigt wurden.
2.Es ist nach der Aktenlage des Finanzamtes anzunehmen, dass der Steuerpflichtige im betreffenden Jahr Abzugsposten, wie etwa Werbungskosten, von der Datenübermittlung nicht erfasste Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen oder antragsgebundene Freibeträge (Kinderfreibetrag bis einschließlich der Veranlagung für das Kalenderjahr 2018) oder Absetzbeträge (zB Unterhaltsabsetzbetrag, Alleinverdiener-/Alleinerzieherabsetzbetrag) geltend machen wird. Das ist der Fall, wenn bei der Veranlagung in einem der beiden vorangegangenen Jahre derartige Abzugsposten berücksichtigt wurden.
3.Für das Veranlagungsjahr sind Kontrollmitteilungen (zB § 109a-Meldung und/oder eine AEOI-Kontrollmeldung aufgrund des internationalen Informationsaustauschs) vorhanden.
4.Im Veranlagungsjahr wurde eine besondere Vorauszahlung (§ 30b Abs. 4 EStG 1988) oder Immobilienertragsteuer (§ 30b EStG 1988) entrichtet.
Die Ausschlussgründe können durch Zeitablauf entfallen: Wurde bis zum Ablauf des dem Veranlagungszeitraum zweitfolgenden Kalenderjahres keine Abgabenerklärung für den betroffenen Veranlagungszeitraum abgegeben, ist in Fällen, in denen die Aktenlage zu einer Steuergutschrift führt, jedenfalls eine antragslose Veranlagung durchzuführen.
912h
§ 41 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sieht vor, dass die Erklärungspflicht gemäß § 42 EStG 1988 auch nach Vornahme der antragslosen Veranlagung aufrecht bleibt. Dementsprechend müssen veranlagungspflichtige Einkünfte auch noch nach Durchführung einer antragslosen Veranlagung erklärt werden.
912i
Gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 lit. c EStG 1988 kann die antragslose Arbeitnehmerveranlagung durch Abgabe einer Steuererklärung für das betreffende Veranlagungsjahr beseitigt werden; dafür steht – die für die Antragsveranlagung geltende – Frist von fünf Jahren offen. Wird eine Abgabenerklärung abgegeben, hat das Finanzamt darüber zu entscheiden und gleichzeitig damit den antragslos ergangenen Bescheid aufzuheben.
Die Bescheidaufhebung erfolgt in diesem Fall außerhalb der in der BAO vorgesehenen Möglichkeiten der Änderung von Bescheiden.
Unabhängig davon kann der aus einer antragslosen Arbeitnehmerveranlagung ergangene Bescheid mit Beschwerde gemäß § 243 BAO angefochten werden.
Auch eine ersatzlose Aufhebung des Bescheids kann mit einer Beschwerde gemäß § 243 BAO beantragt werden, wobei diese Beschwerde auf Aufhebung nicht begründet sein muss.
Eine verspätet eingebrachte Beschwerde ist zurückzuweisen. Dem Steuerpflichtigen bleibt es unbenommen, danach eine Steuererklärung einzubringen.
912j
Nachträgliche Änderungen eines Bescheides aus einer antragslosen Arbeitnehmerveranlagung sind aus allen in der BAO genannten Fällen möglich. Der Bescheid kann insbesondere durch Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO oder auf Grund einer Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO geändert oder aufgehoben werden. Für einen Bescheid, der an die Stelle eines Bescheides aus einer antragslosen Arbeitnehmerveranlagung tritt, besteht die Möglichkeit nicht mehr, ihn durch Abgabe einer Steuererklärung zu ändern.
912k
Auf die Durchführung einer antragslosen Arbeitnehmerveranlagung kann verzichtet werden. Dies kann nach der diesbezüglichen Verständigung erfolgen, die vor erstmaliger Durchführung einer antragslosen Arbeitnehmerveranlagung vorgenommen wird. Der Verzicht kann aber auch unabhängig davon gegenüber dem Finanzamt erklärt werden.
13.3 Veranlagungsfreibetrag (§ 41 Abs. 3 EStG 1988)
912l
Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, ist von den anderen (das heißt nicht lohnsteuerpflichtigen) Einkünften ein Veranlagungsfreibetrag bis zu 730 Euro abzuziehen. Dieser Freibetrag vermindert sich um jenen Betrag, um den die anderen Einkünfte 730 Euro übersteigen und beträgt bei 1.460 Null.
Beispiel 1:
Lohnsteuerpflichtige Einkünfte 29.000 Euro, andere Einkünfte 600 Euro: Der Freibetrag beträgt 600 Euro.
Beispiel 2:
Lohnsteuerpflichtige Einkünfte 29.000 Euro, andere Einkünfte 1.000 Euro: Der Freibetrag beträgt 460 Euro (730 Euro minus dem Betrag, um den die anderen Einkünfte 730 Euro übersteigen, das sind 270 Euro, ergibt 460 Euro). Steuerpflichtige andere Einkünfte daher 540 Euro.
Beispiel 3:
Lohnsteuerpflichtige Einkünfte 29.000 Euro, andere Einkünfte 1.460 Euro: Der Freibetrag beträgt Null Euro.
Der Freibetrag ist primär von den tariflich nicht begünstigten Einkünften abzuziehen, wenn mehrere andere Einkünfte vorliegen (VwGH 22.10.1974, 1247/73).
912m
Hinsichtlich der Behandlung von steuersatzbegünstigten Kapitalerträgen gilt Folgendes (ab Veranlagung 2012):
In- und ausländische (betriebliche oder außerbetriebliche) Kapitaleinkünfte, auf die der besondere Steuersatz von 25% oder 27,5% anwendbar ist (zB Einkünfte aus Zinsen, Dividenden, Substanzgewinne, Derivate) sind auch bei Ausübung der Regelbesteuerungsoption nicht für den Veranlagungsfreibetrag zu berücksichtigen. Auf derartige Kapitaleinkünfte kommt der Veranlagungsfreibetrag nicht zur Anwendung. Dementsprechend sind auch ausländische Kapitaleinkünfte, die in der Veranlagung mit 25% oder 27,5% zu besteuern sind, stets ohne Berücksichtigung eines Veranlagungsfreibetrages anzusetzen.
912n
Einkünfte aus (privaten und betrieblichen) Grundstücksveräußerungen, auf die der besondere Steuersatz anwendbar ist (§ 30a EStG 1988) bleiben für den Veranlagungsfreibetrag dann außer Ansatz, wenn sie bei Veranlagung mit 30% (bis 2015 mit 25%) besteuert werden (§ 30a Abs. 1 EStG 1988). Bei Ausübung der Regelbesteuerungsoption (§ 30a Abs. 2 EStG 1988) sind sie hingegen als „andere Einkünfte“ iSd § 41 Abs. 3 EStG 1988 zu berücksichtigen. Gleiches gilt für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen, auf die der besondere Steuersatz nicht anwendbar ist (Grundstücksveräußerung gegen Rente, § 30a Abs. 4 EStG 1988).
13.4 Ermittlung der lohnsteuerpflichtigen Einkünfte (§ 41 Abs. 4 EStG 1988)
912o
Bei der Veranlagung lohnsteuerpflichtiger Einkünfte besteht weder eine Bindung an den Steuerabzug durch den Arbeitgeber noch eine Bindung an einen Freibetragsbescheid. Dabei bleiben die vom Arbeitgeber begünstigt behandelten Bezugsteile grundsätzlich außer Ansatz.
912p
Außer Ansatz bleiben:
- Steuerfreie Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 („sonstige Bezüge“); zum Begriff „sonstige Bezüge“ siehe Rz 1050 bis 1056.
- Steuerfreie Bezüge gemäß § 68 EStG 1988 (bestimmte Zulagen und Zuschläge); siehe Rz 1126 bis 1165.
- Mit den festen Sätzen des § 67 Abs. 1 EStG 1988 zu versteuernde Bezüge; siehe Rz 1054a bis 1069a.
- Mit den Pauschsätzen des § 69 Abs. 1 EStG 1988 zu versteuernde Bezüge (vorübergehend beschäftigte Arbeitnehmer); siehe Rz 1166 bis 1170.
912q
Bei der Veranlagung ist die Steuer, die auf die sonstigen Bezüge innerhalb des Jahressechstels iSd § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 entfällt, neu zu berechnen. Von den Bezügen gemäß § 69 Abs. 2 und 3 EStG 1988 (Pauschalbesteuerung) wird von der bezugsauszahlenden Stelle ein Siebentel als sonstiger Bezug ausgeschieden (dieses Siebentel bleibt im Zuge der Veranlagung bestehen) und es erfolgt (im Zuge der Veranlagung) eine Besteuerung gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988.
912r
Bei den Bezügen gemäß § 69 Abs. 5 EStG 1988 ist zwar am Lohnzettel ein Siebentel der ausgezahlten Bezüge als sonstiger Bezug auszuweisen, die Besteuerung gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 erfolgt im Wege der Veranlagung.
913
Steuerfreie Einkünfte nach § 67 Abs. 1 und § 68 EStG 1988 sowie Bezüge, die mit den festen Steuersätzen nach §§ 67 oder 69 Abs. 1 EStG 1988 versteuert wurden, bleiben bei der Veranlagung außer Ansatz. Die Steuer für sonstige Bezüge innerhalb des Jahressechstels (§ 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988) ist aber neu zu berechnen. Hinsichtlich Einschleifregelung für die sonstigen Bezüge nach § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 siehe Rz 1193. Bei Bezügen nach § 69 Abs. 2, 3, 5 und 7 EStG 1988 ist ein Siebentel der ausgezahlten Beträge als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 zu berücksichtigen.
914
Lohnsteuer, die im Zuge von Prüfungen dem Arbeitgeber gemäß § 82 EStG 1988 als Haftungspflichtiger vorgeschrieben wurde, ist nach § 46 Abs. 1 EStG 1988 nur dann bei der Veranlagung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (anzurechnen), wenn sie auch tatsächlich vom Arbeitnehmer getragen wurde, siehe Rz 1208 ff.