14 Steuererklärungspflicht (§ 42 EStG 1988)
915
Unbeschränkt Steuerpflichtige mit nichtselbständigen Einkünften haben in den folgenden Fällen eine Steuererklärung abzugeben:
- Wenn sie vom FA dazu aufgefordert werden.
- Wenn andere Einkünfte von mehr als 730 Euro vorliegen (§ 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988).
- Wenn zumindest zeitweise nebeneinander mehrere nichtselbständige Einkünfte vorliegen (§ 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988).
- Wenn der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag berücksichtigt wurde, die Voraussetzungen aber nicht vorlagen (§ 41 Abs. 1 Z 5 EStG 1988).
916
Steuererklärungen sind gemäß § 134 BAO bis spätestens Ende April des Folgejahres beim FA einzubringen (Einreichung der Abgabenerklärung mit dem amtlichen Formular). Wenn die Übermittlung der Steuererklärung elektronisch erfolgt, ist sie bis Ende des Monats Juni einzureichen. Bei einer Veranlagung gemäß § 41 Abs. 1 Z 2 und 5 EStG 1988 (gleichzeitige mehrere nichtselbständige Einkünfte, Wegfall des berücksichtigten Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrages) gilt als Frist für die Abgabe der Erklärung jeweils der 30. September des Folgejahres, unabhängig davon, ob die Erklärung mit dem amtlichen Formular oder elektronisch eingereicht wird.
917
In den Pflichtveranlagungsfällen gemäß § 41 Abs. 1 Z 3 und 4 EStG 1988 besteht erst nach Aufforderung durch das FA die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung. Bei der Verpflichtung zur Einreichung von Abgabenerklärungen nach Aufforderung durch das FA kommt es nicht darauf an, ob eine Abgabepflicht besteht oder nicht (vgl. VwGH 28.10.1997, 97/14/0122).
15 Arbeitgeber, Arbeitnehmer (§47 EStG 1988)
15.1 Arbeitgeber (§ 47 Abs. 1 EStG 1988)
15.1.1 Allgemeines
918
Arbeitgeber ist, wer Bezüge im Sinne des § 25 EStG 1988 auszahlt und den damit verbundenen wirtschaftlichen Aufwand trägt (VwGH 26.1.1994, 92/13/0148). Da sich der Begriff des Arbeitgebers in § 47 Abs. 1 EStG 1988 mit jenem in § 47 Abs. 2 EStG 1988 deckt, ist im Zweifel auch zu prüfen, wem der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft schuldet (VwGH 8.6.1979, 2573/77). Die Arbeitgebereigenschaft richtet sich nach der Auszahlung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) im Sinne des § 25 EStG 1988. Daher sind zB auch die Träger der gesetzlichen Sozialversicherung, so weit sie Pensionen (Renten) aus der gesetzlichen Sozialversicherung auszahlen, als Arbeitgeber der Pensionsbezieher anzusehen (VwGH 17.2.1956, 0919/55). Dies gilt auch dann, wenn die Pension nicht mit einem früheren Dienstverhältnis im Zusammenhang steht.
15.1.2 Behörden – öffentliche Kassen
919
Bei Behörden, die Arbeitgeber sind, hat gemäß § 85 Abs. 1 EStG 1988 die bezugsauszahlende öffentliche Kasse die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers wahrzunehmen. Dies bedeutet aber keine Ausnahme vom allgemein gültigen Arbeitgeberbegriff. Arbeitgeber bleibt vielmehr die Behörde; § 85 Abs. 1 EStG 1988 überträgt lediglich die dem Arbeitgeber beim Steuerabzug vom Arbeitslohn obliegenden Aufgaben der auszahlenden Kasse. Öffentliche Kassen sind die Kassen des Bundes, der Länder und der Gemeinden (VwGH 28.9.1959, 1963/56).
15.1.3 Ausländische Arbeitgeber
920
Die Staatsangehörigkeit, der Wohnsitz, der Sitz sowie der Ort der Geschäftsleitung des Arbeitgebers haben keine Bedeutung. Befindet sich im Inland eine Betriebsstätte im Sinne des § 81 EStG 1988, haben im Ausland ansässige Arbeitgeber („ausländische Arbeitgeber“) grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie inländische Arbeitgeber, siehe Rz 1206.
15.1.4 Arbeitgeber bei Umgründungen
921
Gemäß § 41 Umgründungssteuergesetz (UmgrStG, BGBl. Nr. 699/1991) treten übernehmende Körperschaften, Personengesellschaften und Nachfolgeunternehmer hinsichtlich der lohnsteuerlichen Verhältnisse grundsätzlich in die Rechtsstellung des bisherigen Arbeitgebers ein, so weit bei den übernommenen Arbeitnehmern auch arbeitsrechtlich die entsprechenden Folgerungen gezogen werden.
922
Hinsichtlich der einzelnen Umgründungstatbestände gilt Folgendes:
- Bei der Verschmelzung bleibt die übertragende Körperschaft bis zu ihrem Erlöschen Arbeitgeber (§ 6 Abs. 1 UmgrStG).
- Auch bei der Umwandlung bleibt die übertragende Körperschaft bis zu ihrem Erlöschen Arbeitgeber (§ 11 Abs. 1 UmgrStG).
- Im Falle der Einbringung sind Rechtsbeziehungen des Einbringenden im Zusammenhang mit der Beschäftigung ab Vertragsabschluss, frühestens jedoch für Zeiträume steuerlich wirksam, die nach dem Abschluss des Einbringungsvertrages beginnen (§ 18 Abs. 3 UmgrStG).
- Bei Spaltungen bleibt die spaltende Körperschaft bis zur Eintragung der Spaltung in das Firmenbuch Arbeitgeber (§ 38 Abs. 1 UmgrStG).
15.1.5 Arbeitgeber bei Arbeitskräfteüberlassung (Personalgestellung) und Personalentsendung
923
Bei der Überlassung (Gestellung) von Arbeitskräften an Dritte ist derjenige als Arbeitgeber anzusehen, der die Arbeitnehmer dem Dritten überlassen hat und sie entlohnt (Überlasser), und nicht jener (Beschäftiger), der diese Arbeitskräfte in seinem Betrieb zur Arbeitsleistung einsetzt (VwGH 20.12.1972, 2340/71). Im Falle eines Personalgestellungsunternehmens ist in der Regel von einem Dienstverhältnis zu demjenigen auszugehen, der die Dienste verschafft (VwGH 15.9.1999, 97/13/0164). Bei der Überlassung von Arbeitskräften im Sinne des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG, BGBl. Nr. 196/1988) treffen daher die steuerlichen Verpflichtungen als Arbeitgeber den Überlasser, also denjenigen, der die Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichtet.
924
Bei der Beurteilung, wem – insbesondere bei internationaler konzerninterner Personalentsendung – die typischen Arbeitgeberfunktionen zukommen, sind folgende Fragen zu beantworten:
- Wer entscheidet über die Höhe der Bezüge (mit wem wurde die Gehaltsvereinbarung abgeschlossen)?
- Wer entscheidet über die Teilnahmeberechtigung an einem allfälligen Erfolgsbonus- und Aktienerwerbsplan des Konzerns?
- Wer trägt das Risiko für eine Lohnzahlung im Nichtleistungsfall?
- Wem gegenüber erwachsen dem Arbeitnehmer Abfertigungs- und Pensionsansprüche?
- Wer entscheidet über das Urlaubsausmaß?
- Wer behält den Arbeitnehmer nach Ablauf der Entsendungszeit?
- Wer hat das Recht der Entscheidung über Kündigung bzw. Entlassung? Gelten die Kündigungsgründe des Staates des Personalentsenders oder jene des Staates des Personalverwenders?
- Mit wem hat der Arbeitnehmer Meinungsverschiedenheiten aus dem Dienstvertrag – gegebenenfalls gerichtlich – auszutragen?
- Wer ist für die Sozialversicherungsbelange des Arbeitnehmers verantwortlich?
925
Ist in Fällen der internationalen konzerninternen Arbeitskräftegestellung auf Grund der obigen Beurteilung der (inländische) Beschäftiger als Arbeitgeber anzusehen, so unterliegen auch direkte Zahlungen des ausländischen Überlassers an die Arbeitnehmer dem inländischen Lohnsteuerabzug, wenn diese Zahlungen als Entlohnung für die inländische Tätigkeit anzusehen sind und dem inländischen verbundenen Unternehmen in Rechnung gestellt werden (müssten).
925a
Gewährt der Beschäftiger der überlassenen Arbeitskraft insbesondere geldwerte Vorteile (zB Sachbezüge gemäß SB-VO, steuerfreie Sachleistungen gemäß § 3 EStG 1988), ist in der Regel von einer Verkürzung des Zahlungsweges auszugehen, sofern der Überlasser von diesen Vorteilen Kenntnis hat. Die Versteuerung von steuerpflichtigen Leistungen hat in diesem Fall nicht im Wege der Veranlagung, sondern als steuerpflichtiger Arbeitslohn durch den Überlasser zu erfolgen (vgl. Rz 703 zu vom Beschäftiger gewährten Reisekostenersätzen).
15.2 Arbeitnehmer (§ 47 Abs. 1 EStG 1988)
926
Arbeitnehmer ist eine natürliche Person, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht. Ob Arbeitnehmereigenschaft vorliegt, richtet sich ausschließlich nach dem Bezug von Arbeitslohn im Sinne des § 25 EStG 1988 (siehe Rz 645 ff). Die in anderen Rechtsgebieten verwendeten Begriffe (Arbeitnehmer nach Arbeitsrecht, Sozialrecht, bürgerlichem Recht) sind für das Einkommensteuerrecht grundsätzlich nicht maßgebend (vgl. VwGH 22.1.1986, 84/13/0015). Sie können allenfalls ein Indiz für die steuerliche Arbeitnehmereigenschaft darstellen.
15.3 Lohnsteuerabzug
927
Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben, wenn im Inland eine Betriebsstätte des Arbeitgebers im Sinne des § 81 EStG 1988 besteht. Hat ein ausländischer Arbeitgeber im Inland keine Betriebsstätte im Sinne des § 81 Abs. 1 oder 2 EStG 1988, unterliegt er grundsätzlich nicht den Vorschriften über den Steuerabzug vom Arbeitslohn (Ausnahme siehe Rz 927a). Es bestehen aber keine Bedenken, wenn ein befugter Vertreter im Inland die Lohnkonten für den ausländischen Arbeitgeber führt, die Einkommensteuer im Abzugsweg einbehält und an das Betriebsstättenfinanzamt des befugten Vertreters auf das Abgabenkonto des ausländischen Arbeitgebers abführt sowie einen Lohnzettel gemäß § 84 EStG 1988 ausstellt (siehe auch EStR 2000 Rz 7509).
Der inländische Beschäftiger wird bei grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung grundsätzlich nur dann von Einbehalt und Abfuhr der Abzugsteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 befreit, wenn ihm eine Kopie des Bescheides iSd § 5 Abs. 3 der DBA-Entlastungsverordnung (BGBl. III Nr. 92/2005 idgF) vorliegt (siehe auch Erlass des BMF vom 12.06.2014, BMF-010221/0362-VI/8/2014).
Unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer eines ausländischen Arbeitgebers sind mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu veranlagen (VwGH 6.3.1964, 2057/63, betreffend Grenzgänger; weiters VwGH 7.7.1967, 0758/67, betreffend Bezug einer ausländischen Pension). Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind dabei zu beachten.
927a
Eine ausländische Einrichtung im Sinne des § 5 Z 4 PKG hat einen Lohnsteuerabzug auch dann vorzunehmen, wenn sie im Inland keine Betriebsstätte hat. Für die Erhebung der Lohnsteuer ist das Finanzamt Graz-Stadt zuständig.
928
Diplomatische Vertretungen, exterritoriale Arbeitgeber, ausländische diplomatische Vertretungen und sonstige exterritoriale Arbeitgeber von Arbeitnehmern, die in Österreich steuerpflichtig sind, unterliegen nicht den Vorschriften über den Steuerabzug vom Arbeitslohn. Die steuerpflichtigen inländischen Arbeitnehmer solcher Arbeitgeber werden mit den von diesen Arbeitgebern bezogenen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zur Einkommensteuer veranlagt (VwGH 20.1.1970, 0988/69).
929
Vorteile aus einem Dienstverhältnis, die sich der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers verschafft, unterliegen nicht dem Lohnsteuerabzug, sondern sind im Wege der Veranlagung zu erfassen (VwGH 15.11.1995, 92/13/0274; VwGH 25.2.1997, 95/14/0112; VwGH 28.5.1998, 96/15/0114).
15.4 Dienstverhältnis (§ 47 Abs. 2 EStG 1988)
15.4.1 Allgemeines
930
Die Definition des Dienstverhältnisses in § 47 Abs. 2 EStG 1988 ist eine eigenständige des Steuerrechts und daher mit den korrespondierenden Begriffen des Arbeits- und Sozialrechtes nicht immer deckungsgleich. Auch wenn arbeits- oder dienstrechtliche Bestimmungen vorsehen, dass durch eine bestimmte Tätigkeit kein Dienstverhältnis begründet wird, ist das Rechtsverhältnis dennoch nach abgabenrechtlichen Gesichtspunkten darauf zu untersuchen, ob die für oder gegen die Nichtselbständigkeit sprechenden Merkmale überwiegen (VwGH 22.2.1996, 94/15/0123). Allerdings kann sich aus der Beurteilung einer Leistungsbeziehung in anderen Rechtsgebieten ein Anhaltspunkt für das Vorliegen eines steuerlichen Dienstverhältnisses ergeben (VwGH 22.1.1986, 84/13/0015). Umgekehrt gilt gemäß § 4 Abs. 2 ASVG als Dienstnehmer im Sinne der Sozialversicherung jedenfalls auch, wer gemäß § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist.
Die Definition des Dienstverhältnisses in § 47 Abs. 2 EStG 1988 einerseits und der Begriff des Unternehmers in § 2 Abs. 1 UStG 1994 andererseits grenzen die Lohn- und die Umsatzbesteuerung voneinander ab. Der Begriff der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit knüpft ua. an das Vorliegen eines Dienstverhältnisses, der Begriff des Unternehmers im Umsatzsteuerrecht an die selbständige Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit an. Wesentliche Merkmale für die Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit sind das Unternehmerwagnis, eine Weisungsgebundenheit, die die Entschlussfreiheit über die ausdrücklich übernommenen Vertragspflichten hinaus beschränkt, und eine organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers (VwGH 9.7.1997, 95/13/0289; VwGH 24.6.1999, 96/15/0099).
931
Maßgebend für die Beurteilung einer Leistungsbeziehung als Dienstverhältnis sind nicht die vertraglichen Abmachungen, sondern stets das tatsächlich verwirklichte Gesamtbild der vereinbarten Tätigkeit, wobei auch der im Wirtschaftsleben üblichen Gestaltungsweise Gewicht beizumessen ist (VwGH 25.10.1994, 90/14/0184; VwGH 20.12.2000, 99/13/0223, VwGH 19.09.2007, 2007/13/0071 betr. Scheinselbständigkeit von Bauarbeitern).
932
Bei der Beurteilung, ob steuerlich ein Dienstverhältnis besteht, ist daher immer vom wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern auszugehen. Maßgebend sind weder die Bezeichnung noch subjektive Gesichtspunkte, sondern ausschließlich die objektiven Umstände (VwGH 18.10.1989, 88/13/0185). Ein schriftlich abgeschlossener Dienstvertrag kann daher lohnsteuerrechtlich bedeutungslos sein, wenn nicht durch die der Vereinbarung zu Grunde liegende Tätigkeit die Voraussetzungen für das Bestehen eines Dienstverhältnisses gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 begründet werden. Umgekehrt ist ein Dienstverhältnis gegeben, wenn eine formell als Werkvertrag bezeichnete Vereinbarung überwiegend Elemente eines Dienstverhältnisses trägt oder zwar ein Werkvertrag vorliegt, aber die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit in Abweichung vom Vertragsinhalt überwiegend Merkmale eines Dienstverhältnisses aufweist (VwGH 19.12.1990, 89/13/0131; VwGH 20.12.2000, 99/13/0223; VwGH 24.9.2003, 2000/13/0182). Ein Rahmenvertrag, der weder die tatsächlich geschuldete Leistung noch das Entgelt bestimmt, sondern dies mündlichen Vereinbarungen überlässt, kann nicht ohne weitere Feststellungen der Entscheidung zu Grunde gelegt werden, ob Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder gewerbliche Einkünfte vorliegen (VwGH 28.4.2004, 2000/14/0125).
933
Sofern die Merkmale des § 47 Abs. 2 EStG 1988 vorliegen, ist es steuerrechtlich ohne Bedeutung, ob das Dienstverhältnis schriftlich, mündlich, durch konkludente Handlungen oder ohne übereinstimmende Willenserklärungen zu Stande kommt.
15.4.2 Wesen und Merkmale
15.4.2.1 Dauerschuldverhältnis
934
Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Seinem Wesen nach stellt das Dienstverhältnis daher ein Dauerschuldverhältnis dar, bei dem sich der Arbeitnehmer verpflichtet, die Arbeitsleistung grundsätzlich persönlich zu erbringen (VwGH 27.6.1989, 88/14/0112; VwGH 24.9.2003, 2000/13/0182). Demgegenüber handelt es sich bei einem Werkvertrag, bei dem ein bestimmter Arbeitserfolg oder ein Werk zugesagt wird, um ein Zielschuldverhältnis, das häufig auch durch Stellung eines Vertreters oder durch Beiziehung von Hilfskräften erbracht werden kann (siehe Rz 959). Unter dem Begriff eines Werkes im Sinne des § 1165 ABGB kann nicht allein die Herstellung einer körperlichen Sache, sondern können vielmehr auch ideelle, unkörperliche, also geistige Werke verstanden werden (VwGH 20.12.2000, 99/13/0223).
Siehe auch Beispiel Rz 10934.
15.4.2.2 Weisungsgebundenheit
935
Die Legaldefinition enthält zwei Kriterien, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers (VwGH 25.10.1994, 90/14/0184). Es ist zu beachten, dass nicht schon jede Unterordnung unter den Willen eines anderen die Arbeitnehmereigenschaft einer natürlichen Person zur Folge haben muss, denn auch der Unternehmer, der einen Werkvertrag erfüllt, wird sich in aller Regel bezüglich seiner Tätigkeiten zur Einhaltung bestimmter Weisungen seines Auftraggebers verpflichten müssen, ohne hierdurch seine Selbständigkeit zu verlieren. Dieses sachliche Weisungsrecht ist auf den Arbeitserfolg gerichtet, während das für die Arbeitnehmereigenschaft sprechende persönliche Weisungsrecht einen Zustand wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit fordert. Die persönlichen Weisungen sind auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtet und dafür charakteristisch, dass der Arbeitnehmer nicht die Ausführung einzelner Arbeiten verspricht, sondern seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt (VwGH 21.12.1993, 90/14/0103; VwGH 23.5.2000, 97/14/0167; VwGH 20.12.2000, 99/13/0223). So nimmt das persönliche Weisungsrecht des Arbeitgebers etwa auf die Art der Ausführung der Arbeit, die Zweckmäßigkeit des Einsatzes der Arbeitsmittel, die zeitliche Koordination der zu verrichtenden Arbeiten, die Vorgabe des Arbeitsortes usw. Einfluss.
Ein Weisungsrecht kann auch durch die „stille Autorität“ des Arbeitgebers gegeben sein. Mit der Bezeichnung „stille Autorität“ des Arbeitgebers wird ein – durch Kontrollrechte abgesichertes – Weisungsrecht des Arbeitgebers umschrieben, welches sich nicht in konkreter Form äußert, weil der Arbeitnehmer zB von sich aus weiß, wie er sich „im Betrieb“ des Dienstgebers zu bewegen und zu verhalten hat (vgl. VwGH 19.02.2003, 99/08/0054). Ein vertraglicher Verzicht auf das Weisungsrecht ist hingegen mit der „stillen Autorität“ eines Weisungsberechtigten, der keine Weisungen erteilt, nicht vergleichbar (VwGH 24.11.2016, 2013/13/0046).
Bei gering ausgeprägter Einbindung in die Betriebsorganisation hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenes Verhalten („delegierter Aktionsbereich eines Unternehmens“) ist es entscheidend, dass ein Weisungs- und Kontrollrecht des Arbeitgebers besteht und dadurch die Bestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers weitgehend ausgeschaltet ist. Dabei schadet es nicht, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer – angesichts der vom Unternehmenssitz dislozierten oder überwiegend in seiner Abwesenheit verrichteten Beschäftigung – keine konkreten persönlichen Weisungen erteilt. Vielmehr kommt es darauf an, dass der Arbeitgeber statt der unmittelbaren Weisungsmöglichkeit über eine entsprechende Kontrollmöglichkeit verfügt (vgl. VwGH 02.05.2012, 2010/08/0083).
15.4.2.3 Organisatorische Eingliederung
936
Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus ist im Sinne einer Abhängigkeit vom Auftraggeber zu verstehen (VwGH 21.12.1993, 90/14/0103). Sie zeigt sich ua. in der Vorgabe von Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsmittel durch den Auftraggeber sowie die unmittelbare Einbindung der Tätigkeit in betriebliche Abläufe des Arbeitgebers. Ein Tätigwerden nach den jeweiligen zeitlichen Gegebenheiten bringt eine Eingliederung in den Unternehmensorganismus zum Ausdruck, was dem Vorliegen eines Werkverhältnisses zuwider läuft (VwGH 15.9.1999, 97/13/0164). Der zeitlichen und organisatorischen Eingliederung in den Unternehmensbereich wird allerdings dann keine wesentliche Bedeutung zukommen, wenn die Arbeitsleistung überwiegend oder gänzlich außerhalb örtlicher Einrichtungen des Arbeitgebers erbracht wird (zB Heimarbeit, Vertretertätigkeit; VwGH 25.10.1994, 90/14/0184) und auch keine Eingliederung in einer anderen Form (zB EDV-Vernetzung) vorliegt. Der Frage, ob einem Vertreter von seinem Geschäftsherrn eine Räumlichkeit zur Verfügung gestellt wird oder nicht, kommt keine wesentliche Bedeutung für die Beurteilung zu, ob ein Dienstverhältnis vorliegt (VwGH 28.3.2000, 96/14/0070).
Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, kann bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers – in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte – das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. zB VwGH 26.01.2010, 2009/08/0269).
15.4.2.4 Fehlen eines Unternehmerrisikos
937
Ermöglichen die Kriterien der „Weisungsgebundenheit“ und der „Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers“ noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit, so sind noch weitere Kriterien für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses, wie das Fehlen des für eine selbständige Tätigkeit typischen Unternehmerrisikos, heranzuziehen (VwGH 21.12.1993, 90/14/0103). Ein Unternehmerwagnis liegt insbesondere dann vor, wenn der Erfolg der Tätigkeit und daher auch die Höhe der erzielten Einnahmen weitgehend von der persönlichen Tüchtigkeit, vom Fleiß, von der Ausdauer und der persönlichen Geschicklichkeit abhängig sind und die mit der Tätigkeit verbundenen Aufwendungen nicht vom Auftraggeber ersetzt, sondern vom Unternehmer aus Eigenem getragen werden müssen (VwGH 6.4.1988, 87/13/0202; VwGH 21.12.1993, 90/14/0103; VwGH 23.5.2000, 97/14/0167).
Im Vordergrund des Merkmales des Unternehmerwagnisses steht, ob den Steuerpflichtigen tatsächlich das Wagnis ins Gewicht fallender Einnahmenschwankungen trifft. In die Überlegungen einzubeziehen sind aber auch Wagnisse, die sich aus Schwankungen bei nicht überwälzbaren Ausgaben ergeben. Dabei kommt es nicht auf die Vertragsgestaltung sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse an (VwGH 23.4.2001, 2001/14/0052).
Das Unternehmerrisiko kommt auch darin zum Ausdruck, dass der Leistungserbringer die Möglichkeit hat, im Rahmen seiner Tätigkeit Aufträge anzunehmen oder abzulehnen und solcherart den Umfang seines Tätigwerdens bzw. dessen wirtschaftlichen Erfolg selbst zu bestimmen (VwGH 20.12.2000, 99/13/0223). Das Merkmal eines Unternehmerrisikos, wonach sich Erfolg und Misserfolg einer Tätigkeit unmittelbar auf die Höhe der Tätigkeitseinkünfte auswirken, spricht zwar für eine selbständig ausgeübte Tätigkeit. Dieses Merkmal ist aber für sich allein noch nicht entscheidend und kann auch auf Dienstverhältnisse zutreffen (VwGH 20.12.2000, 99/13/0223). Siehe auch EStR 2000 Rz 5403 ff.
15.4.3 ABC der Abgrenzungsmerkmale
938
Im Rahmen der oben angeführten Wesensmerkmale können folgende, allenfalls zu gewichtende, Indizien für die Beurteilung eines Dienstverhältnisses nach dem Gesamtbild der Tätigkeit herangezogen werden.
15.4.3.1 Arbeitskleidung
939
Die Bereitstellung der Arbeitskleidung durch den Auftraggeber ist grundsätzlich nur bei Dienstverhältnissen üblich (VwGH 31.7.1996, 95/13/0220).
15.4.3.2 Arbeitsmittel
940
Die Gestellung der Arbeitsgeräte und der Arbeitsmaterialien durch den Auftraggeber spricht für ein Dienstverhältnis. Die Tätigkeit mit eigenen Arbeitsmitteln des Auftragnehmers – noch dazu ohne Kostenersatz – lässt auf Selbständigkeit schließen.
15.4.3.3 Arbeitsrecht
941
Der – im Übrigen nicht einheitliche – Arbeitnehmerbegriff im Arbeitsrecht deckt sich nicht mit dem steuerlichen Begriff des Arbeitnehmers. Dennoch weist eine Behandlung als Arbeitnehmer im Arbeitsrecht auch auf das Vorliegen eines steuerlichen Dienstverhältnisses hin (zB Entlohnung nach dem Kollektivvertrag, Anwendung der Abfertigungsbestimmung des Angestelltengesetzes).
15.4.3.4 Arbeitsort
942
Ein vom Auftraggeber vorgegebener Arbeitsort (zB in seinem Betrieb) weist auf das Vorliegen eines Dienstverhältnisses hin (VwGH 21.12.1993, 90/14/0103), während die Erledigung der Arbeiten an einem selbstgewählten Ort Kennzeichen der Selbständigkeit ist. Keine große Bedeutung wird diesem Merkmal allerdings dann zukommen, wenn auf Grund der Art der Tätigkeit eine bestimmte Freizügigkeit in der Wahl des Arbeitsplatzes eingeräumt wird (zB Heimarbeit, Telearbeit, Vertretertätigkeit; vgl. VwGH 25.10.1994, 90/14/0184).
15.4.3.5 Arbeitszeit
943
Für das Bestehen eines Dienstverhältnisses ist wesentlich, dass der Erwerbstätige in den Betrieb eingegliedert ist, wobei in diesem Zusammenhang auch das zeitliche Ausmaß seiner Tätigkeit und die Einhaltung bestimmter Arbeitsstunden von Bedeutung sind (VwGH 22.4.1992, 88/14/0082). Die Verpflichtung zur Einhaltung einer bestimmten Arbeitszeit spricht also für ein Dienstverhältnis, muss aber nicht immer gefordert sein (zB Vertreter, Geschäftsführer). Ebenso sind die Einteilung der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber und die Arbeitsbereitschaft des Auftragnehmers für einen bestimmten Zeitraum Indizien für die Nichtselbständigkeit. Ist der Auftragnehmer in der Zeiteinteilung völlig unabhängig, weist das auf Selbständigkeit hin.
15.4.3.6 Auslagenersatz
944
Werden im Zusammenhang mit der Tätigkeit anfallende Spesen bzw. Auslagen (zB Tages- und Nächtigungsgelder, Fahrtkostenersätze, Arbeitsmittel) ersetzt, spricht dies für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses. Werden hingegen die mit der Tätigkeit verbundenen Aufwendungen vom Auftraggeber nicht ersetzt, ist das ein Indiz für ein Unternehmerrisiko (VwGH 6.4.1988, 87/13/0202; VwGH 25.10.1994, 90/14/0184).
15.4.3.7 Auftraggeber
945
Die Verpflichtung, die „ganze Arbeitskraft“ in den Dienst des Auftraggebers zu stellen, schließt eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr aus und spricht daher für Nichtselbständigkeit. Kann ein Auftragnehmer hingegen ohne Zustimmung des Auftraggebers für eine Mehrzahl verschiedener anderer Auftraggeber gleichartige Leistungen erbringen, so wird nicht von einer im Sinne einer Abhängigkeit zu verstehenden Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers auszugehen sein (VwGH 21.12.1993, 90/14/0103). Siehe auch EStR 2000 Rz 5415.
15.4.3.8 Dauer
946
Gegenstand eines Dienstverhältnisses können sowohl auf längere Dauer angelegte Beschäftigungen als auch kurzfristige oder vorübergehende Tätigkeiten sein.
15.4.3.9 Disziplinarmaßnahmen
947
Die Möglichkeit des Auftraggebers, bei Nichterreichen der vereinbarten Leistung dienstrechtliche Zwangsmaßnahmen zu setzen (zB Entgeltkürzungen), spricht für ein Dienstverhältnis (VwGH 31.7.1996, 95/13/0220).
15.4.3.10 Entlohnung
948
Wesentliches Merkmal eines Dienstverhältnisses ist, dass fortlaufende, im Wesentlichen gleich bleibende Arbeiten mit einem fortlaufenden, gleich bleibenden Betrag entlohnt werden (VwGH 23.5.2000, 97/14/0167). Schwankende Entlohnungen sprechen aber nicht zwingend gegen ein Dienstverhältnis (siehe auch Rz 937). Eine laufende Entlohnung liegt auch vor, wenn der Jahresbezug nicht in monatlich gleich bleibenden Monatsbeträgen ausbezahlt wird (VwGH 23.4.2001, 2001/14/0054).
Für ein Dienstverhältnis sprechen zB die Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Entlohnung (VwGH 11.8.1993, 92/13/0022), der Anspruch auf Abgeltung von über die vereinbarte Arbeitszeit hinausgehender Mehrarbeit sowie die Entgeltfortzahlung im Verhinderungsfall (zB Urlaub, Krankheit, Feiertage; VwGH 21.12.1993, 90/14/0103). Eine Abrechnung nach geleisteten Arbeitsstunden (Entlohnung nach Maßgabe der vorgelegten Stundenzettel) stellt für sich allein noch keine erfolgsabhängige Entlohnung dar und kann als gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer nichtselbständigen Tätigkeit gewertet werden (VwGH 18.10.1995, 94/13/0121; VwGH 15.9.1999, 97/13/0164). Weitere Indizien für ein Dienstverhältnis sind zB eine am Kollektivvertrag orientierte Entlohnung oder eine weit gehend autonome Festlegung der Bezugshöhe durch den Auftraggeber. Der Umstand, dass zusätzlich gewinn- oder umsatzabhängige Bezüge gewährt werden, steht diesfalls einem Dienstverhältnis nicht entgegen.
949
Eine Entlohnung, die sich ausschließlich am wirtschaftlichen Erfolg bzw. Arbeitsergebnis orientiert (Akkordlohn, Provisionen), ist für einen Arbeitnehmer eher selten, kommt aber im Wirtschaftsleben vor. Sie begründet dann kein Unternehmerwagnis, wenn die mit der Tätigkeit verbundenen Kosten unmittelbar vom Auftraggeber getragen werden, und wenn diesem gegenüber ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis besteht (VwGH 9.11.1994, 93/13/0310).
15.4.3.10a Gewerbeschein
949a
Ein Dienstverhältnis ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer über eine Gewerbeberechtigung für die ausgeübte Tätigkeit verfügt (vgl. VwGH 21.12.2011, 2010/08/0129).
15.4.3.11 Haftung
950
Eine Haftung des Beschäftigten für eigenes Verschulden kommt auch bei Dienstverhältnissen vor und spricht daher nur dann für Selbständigkeit, wenn die Haftung über den bei Dienstverhältnissen üblichen Rahmen deutlich hinausgeht (zB Verpflichtung zur Mängelbehebung ohne Kostenersatz).
15.4.3.12 Hilfskräfte
951
Die Beiziehung von Hilfskräften zur Erfüllung des Auftrages spricht für eine selbständige Tätigkeit, wenn diese Hilfskräfte auf Namen und Rechnung des Auftragnehmers tätig werden (VwGH 27.6.1989, 88/14/0112).
15.4.3.13 Konkurrenzverbot
952
Die Vereinbarung eines Konkurrenzverbotes kann auf die für ein Dienstverhältnis typische Unterordnung unter den Willen des Auftraggebers hinweisen (VwGH 31.7.1996, 95/13/0220).
15.4.3.14 Kontrolle
953
Eine Kontrolle des Auftraggebers hinsichtlich Art, Ort und Zeit der Beschäftigung spricht für Nichtselbständigkeit.
15.4.3.15 Sozialleistungen
954
Die Einbindung des Auftragnehmers in einen betrieblichen Sozialplan (zB Zukunftssicherung) spricht für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses. Sozialleistungen, wie die Gewährung von Urlaub, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder die Absicherung bei Verletzungen mögen zwar Kennzeichen eines allgemein üblichen Dienstverhältnisses sein, ihr Fehlen bedeutet aber noch nicht, dass ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 nicht schuldet (VwGH 15.9.1999, 97/13/0164).
15.4.3.16 Sozialversicherung
955
Die Beurteilung einer Tätigkeit als Dienstverhältnis im Sinne des ASVG hat keine unmittelbare Bindungswirkung für das EStG. Allerdings stellt die Behandlung als Dienstnehmer im Sinne des ASVG ein wesentliches Indiz für das Vorliegen eines steuerlichen Dienstverhältnisses dar (VwGH 11.8.1993, 92/13/0022).
15.4.3.17 Urlaub
956
Der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsgeld weist auf das Vorliegen eines Dienstverhältnisses hin.
15.4.3.18 Tätigkeit
957
Die Art der Tätigkeit führt in vielen Fällen dazu, dass einzelne Merkmale unterschiedlich ausgeprägt sind, ohne dass dadurch das Gesamtbild der Tätigkeit als Dienstverhältnis beeinträchtigt wird. So wird etwa bei höher qualifizierten Tätigkeiten (zB leitenden Angestellten) die Weisungsgebundenheit oder bei Außendiensttätigkeiten (zB Vertretern) die Eingliederung in den Betrieb häufig in den Hintergrund treten (VwGH 17.5.1989, 85/13/0110). Andererseits können gerade aus der Art der Tätigkeit Indizien für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses herrühren, wie zB bei der Übernahme von im betrieblichen Ablauf anfallenden Reinigungs- und Verpackungsarbeiten (VwGH 5.10.1994, 92/15/0230)
15.4.3.19 Unternehmerwagnis
958
Ein auf Selbständigkeit hinweisendes Unternehmerrisiko liegt insbesondere dann vor, wenn der Erfolg der Tätigkeit und daher auch die Höhe der erzielten Einnahmen weitgehend von der persönlichen Tüchtigkeit, vom Fleiß, von der Ausdauer und der persönlichen Geschicklichkeit abhängig sind und die mit der Tätigkeit verbundenen Aufwendungen nicht vom Auftraggeber ersetzt, sondern vom Unternehmer aus Eigenem getragen werden müssen (VwGH 23.5.2000, 97/14/0167). Das an sich für eine selbständig ausgeübte Tätigkeit sprechende Merkmal des Unternehmerrisikos kann in gewissem Maße auch auf Dienstverhältnisse zutreffen, etwa wenn der Arbeitnehmer in Form von Provisionen oder Umsatzbeteiligungen am wirtschaftlichen Erfolg seines Arbeitgebers beteiligt ist (VwGH 25.10.1994, 90/14/0184). Es muss weiters grundsätzlich die Möglichkeit bestehen, im Rahmen der Tätigkeit Aufträge anzunehmen oder abzulehnen und somit den Umfang und den wirtschaftlichen Erfolg der Tätigkeit selbst zu bestimmen (VwGH 17.5.1989, 85/13/0110). Siehe auch EStR 2000 Rz 5403 ff.
15.4.3.20 Vertretung
959
Wenn ein Auftragnehmer sich bei seiner Arbeitsleistung vertreten lassen kann und das Bestimmungsrecht darüber nicht dem Auftraggeber zusteht, sondern im Belieben des Auftragnehmers liegt, ist in der Regel ein Werkvertragsverhältnis anzunehmen (VwGH 16.2.1994, 92/13/0149; VwGH 23.5.2000, 97/14/0167). Allerdings ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise darauf Bedacht zu nehmen, dass es sich bei der Vertretungsmöglichkeit nicht bloß um eine formale Vereinbarung, sondern um eine der üblichen Gestaltung im Wirtschaftsleben entsprechende tatsächliche Vertretungsmöglichkeit handeln muss (VwGH 5.10.1994, 92/15/0230).
15.4.3.21 Vertragsgestaltung
960
Maßgebend für die Beurteilung einer Leistungsbeziehung als Dienstverhältnis sind nicht die vertraglichen Abmachungen, sondern stets das tatsächlich verwirklichte Gesamtbild der vereinbarten Tätigkeit (VwGH 25.10.1994, 90/14/0184). Die Vertragsgestaltung lässt daher für sich allein noch keinen zwingenden Schluss auf das tatsächliche Vertragsverhältnis zu, gibt allerdings Aufschluss über den Willen der Vertragspartner (VwGH 17.5.1989, 85/13/0110). Es ist steuerrechtlich völlig bedeutungslos, ob ein Dienstverhältnis im Sinne des bürgerlichen Rechts vorliegt oder Dienste auf Grund eines Hoheitsaktes geleistet werden, ob das Dienstverhältnis schriftlich, mündlich, durch konkludente Handlungen oder überhaupt nicht durch übereinstimmende Willenserklärung zu Stande kam; demzufolge ist es auch bedeutungslos, ob ein Dienstvertrag – nach bürgerlichem Recht – nichtig oder anfechtbar ist. Die ausgeübte Tätigkeit muss dem im Steuerrecht beschriebenen „Tatbild“ entsprechen (VwGH 22.1.1986, 84/13/0015).