16.1 Allgemeines (§ 7 Abs. 2 KStG 1988 in Verbindung mit § 3 EStG 1988)
Im Gegensatz zu den persönlichen Befreiungen (siehe Rz 166 bis 291) ist bei den sachlichen Steuerbefreiungen nicht das Steuersubjekt, sondern ein bestimmter Teil des erzielten Einkommens aus der Steuerpflicht ausgenommen.
Durch den Verweis im § 7 Abs. 2 KStG 1988 ist für die Einkommensermittlung insofern das EStG 1988 heranzuziehen, als es begrifflich für Körperschaften anwendbar ist (siehe Rz 348 bis 418). Zu den auf Körperschaften anwendbaren sachlichen Steuerbefreiungen siehe Rz 360.
Unter die sachlichen Steuerbefreiungen fällt neben den Steuerbefreiungen des § 3 EStG 1988 die Beteiligungsertragsbefreiung für Beteiligungserträge iSd § 10 Abs. 1 KStG 1988.
16.2 Befreiung für Beteiligungserträge und internationale Schachtelbeteiligungen (§ 10 KStG 1988)
§ 10 KStG 1988 regelt zwei Arten der Befreiung:
- Beteiligungsertragsbefreiung (§ 10 Abs. 1 Z 1 bis 6 KStG 1988), siehe Rz 1157 bis 1199:
Diese bezieht sich auf Gewinnanteile aus Körperschaften. Die historische Einschränkung auf inländische Körperschaften wurde aus unionsrechtlichen Gründen aufgegeben, die Befreiung umfasst nunmehr Erträge aus Beteiligungen an:- inländischen Körperschaften (§ 10 Abs. 1 Z 1 bis 4 KStG 1988) sowie
- „EU-Körperschaften“ (§ 10 Abs. 1 Z 5 KStG 1988) und ausländischen Körperschaften, mit deren Ansässigkeitsstaat eine umfassende Amtshilfe besteht (§ 10 Abs. 1 Z 6 KStG 1988), soweit nicht die Befreiung für internationale Schachtelbeteiligungen anzuwenden ist.
- Befreiung für internationale Schachtelbeteiligungen, siehe Rz 1200 bis 1227: Diese Befreiung betrifft qualifizierte Beteiligungen an ausländischen Körperschaften (§ 10 Abs. 2 KStG 1988: Beteiligungsausmaß mindestens 10%, Behaltedauer mindestens ein Jahr) und umfasst
- Gewinnanteile aus der Beteiligung (§ 10 Abs. 1 Z 7 KStG 1988) und
- Substanzgewinne und Substanzverluste (§ 10 Abs. 3 KStG 1988) wie zB Veräußerungsgewinne, -verluste, Teilwertabschreibungen, Zuschreibungen und sonstige Wertänderungen. Auf die Befreiung für Substanzgewinne und Substanzverluste kann durch Ausübung der Option zur Steuerwirksamkeit (dazuRz 1216) verzichtet werden.
Das Ziel der Beteiligungsertragsbefreiung besteht darin, dass die von Körperschaften erwirtschafteten Gewinne auf der Ebene von Körperschaften nur einmal besteuert werden. Die Befreiung korrespondiert mit der Einkommensverwendung gemäß § 8 Abs. 2 und 3 KStG 1988.
§ 10 KStG 1988 ist immer im Zusammenhang mit der Einkommensbesteuerung von natürlichen Personen zu sehen, dies gilt unabhängig davon, ob die Beteiligung im Privat- oder Betriebsvermögen gehalten wird oder zum Vermögen einer Mitunternehmerschaft gehört. Letztlich soll der Gewinn einmal auf Ebene der Körperschaft (erste Besteuerungshälfte) und einmal bei Ausschüttung des Gewinnes auf Ebene der natürlichen Person (zweite Besteuerungshälfte) belastet sein. Die Durchleitung der Gewinne durch zwischengeschaltete Körperschaften soll hingegen zu keiner zusätzlichen Besteuerung führen. Siehe auch Rz 1514. Die Beteiligungsertragsbefreiung (Dividendenbefreiung) ist unabhängig von der Beteiligungshöhe.
Die Beteiligungsertragsbefreiung ist unabhängig von einem Antrag zwingend von Amts wegen wahrzunehmen. Ein gänzlicher Verzicht oder eine Einschränkung der Höhe nach ist nicht möglich.
Verluste, die durch die Anwendung der Beteiligungsertragsbefreiung entstehen oder sich erhöhen, sind entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen ausgleichs- bzw. vortragsfähig.
Gewinnabhängige Betriebsausgaben sind ohne die steuerbefreiten Beteiligungserträge zu ermitteln (derzeit die Spendenbegünstigungen gemäß §§ 4a, 4b und 4c EStG 1988).
16.2.1 Beteiligungsertragsbefreiung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 bis 6 KStG 1988
16.2.1.1 Voraussetzungen
16.2.1.1.1 Allgemeine Voraussetzungen
Für die Beteiligungsertragsbefreiung ist kein prozentuelles oder betragliches Mindestausmaß der Beteiligung erforderlich (daher löst auch eine einzelne Aktie die Befreiung aus). Ebenso wenig setzt die Befreiung eine bestimmte Beteiligungsdauer voraus. Die Beteiligung kann sowohl als Anlagevermögen als auch als Umlaufvermögen gehalten werden. Es müssen Beteiligungserträge im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 1 bis 6 KStG 1988 vorliegen (siehe Rz 1162 bis Rz 1166). Nur eine gesellschaftsrechtliche oder eine ihr gemäß § 8 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 gleichgestellte Beteiligung kann die Befreiungswirkung auslösen, eine Beteiligung in Form von Darlehen oder eine stille Beteiligung genügt nicht.
Sind gleichzeitig die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 2 KStG 1988 (internationale Schachtelbeteiligung) erfüllt, geht die Anwendung des § 10 Abs. 1 Z 7 KStG 1988 der Befreiung gemäß Z 5 und 6 vor.
Voraussetzungen auf Seiten des Anteilsinhabers (Obergesellschaft) ist, dass es sich um eine
- unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft oder
- beschränkt steuerpflichtige (inländische) Körperschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 2 und 3 KStG 1988 (siehe Rz 1182) oder
- beschränkt steuerpflichtige ausländische Körperschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 handelt, die die in der Anlage 2 zum Einkommensteuergesetz 1988 vorgesehenen Voraussetzungen des Art. 2 der Richtlinie 2011/96/EU über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. Nr. L 345 vom 29.12.2011 S. 8, erfüllt (siehe auch Rz 1204, in Folge kurz „EU-Körperschaft(en)“), wenn die Einkünfte aus der Beteiligung einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind.
Die Beteiligung kann unmittelbar oder mittelbar (zB auch über Personengesellschaft) bestehen.
- Voraussetzung auf Seiten der Beteiligungskörperschaft (Untergesellschaft) ist, dass es sich um eine
- inländische Kapitalgesellschaft oder Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft,
- körperschaftlich organisierte Personengemeinschaft (Agrargemeinschaft) im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Z 3 B-VG,
- andere inländische Körperschaft, soweit sie Partizipationskapital oder Substanzgenussrechte (§ 8 Abs. 3 Z 1 KStG 1988) ausgibt,
- beschränkt steuerpflichtige inländische Körperschaft gemäß § 1 Abs. 3 Z 3 KStG 1988 (steuerbefreite Körperschaft),
- „EU-Körperschaft“ oder
- den inländischen unter § 7 Abs. 3 KStG 1988 fallenden Körperschaften vergleichbare ausländische Körperschaft, mit deren Ansässigkeitsstaat eine umfassende Amtshilfe besteht (in Folge kurz „vergleichbare ausländische Körperschaft(en)“),
- handelt.
- Für die Frage, ab wann eine umfassende Amtshilfe vorliegt, ist auf den Beginn der Wirksamkeit des DBA abzustellen. Entscheidend ist daher, ab wann die Anwendung des DBA erfolgt. Dieser Zeitpunkt ist aufgrund der Regelungen im einzelnen DBA zu ermitteln.
16.2.1.1.2 Voraussetzungen für die Befreiung von ausländischen Beteiligungserträgen
- Bei Beteiligungserträgen aus ausländischen Beteiligungen ist zu differenzieren:
- Liegen die Voraussetzungen für eine internationale Schachtelbeteiligung vor (Beteiligungsausmaß mindestens 10%, Behaltedauer mindestens ein Jahr), ist die Befreiung für internationale Schachtelbeteiligungen anzuwenden (siehe Rz 1200 ff). Eine darüber hinausgehende Differenzierung nach Staaten entfällt.
- Liegen die Voraussetzungen für eine internationale Schachtelbeteiligung nicht vor (Portfoliobeteiligungen), fallen ab der Veranlagung 2011 Beteiligungserträge aus folgenden Körperschaften unter die Befreiung (siehe auch Rz 1159):
- „EU-Körperschaften“
- „Vergleichbare ausländische Körperschaften“
- Gewinnanteile aus anderen Beteiligungen unterliegen der österreichischen Besteuerung. Eine Anrechnung ausländischer Ertragsteuern ist nicht möglich, allenfalls können Quellensteuern abhängig vom entsprechenden DBA angerechnet werden.
- Vor der Veranlagung 2011 sind nach den Änderungen durch das BBG 2009, BGBl. I Nr. 52/2009 bzw. des AbgÄG 2011, BGBl. I Nr. 76/2011 folgende Gruppen von Körperschaften zu unterscheiden:
- „EU-Körperschaften“ (siehe auch Rz 1204) und „vergleichbare ausländische Körperschaften“ des EWR, mit deren Ansässigkeitsstaat eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe besteht
Gewinnanteile aus diesen Beteiligungen unterliegen rückwirkend der Befreiungsmethode. Diese ist auf alle offenen Veranlagungen anzuwenden. Die Rückwirkung betrifft nur § 10 KStG 1988 selbst. Nicht von der Rückwirkung erfasst sind jene Normen, die auf § 10 KStG 1988 verweisen (insbesondere § 12 Abs. 3 KStG 1988) sowie § 12 Abs. 2 KStG 1988. Siehe auch Rz 1180.
- „Vergleichbare ausländische Körperschaften“
Die unionsrechtlich gebotene Entlastung der Beteiligungserträge erfolgt durch Anrechnung der ausländischen Steuern (siehe Rz 1243 ff).
- Andere ausländische Körperschaften
Gewinnanteile aus diesen Beteiligungen unterliegen der österreichischen Besteuerung. Eine Anrechnung ausländischer Ertragsteuern ist nicht möglich, allenfalls können Quellensteuern abhängig vom entsprechenden DBA angerechnet werden.
- Zu beachten ist, dass bei allen Portfoliobeteiligungen der Besteuerungsvorbehalt des § 10 Abs. 5 KStG 1988 (auch rückwirkend) zur Anwendung kommen kann (siehe Rz 1240 ff).
„Entscheidungsbaum“ für Portfoliobeteiligungen:
- Zur Portfolio-Befreiung eines Investmentfonds siehe Rz 1178.
- Im Ergebnis führt die Neufassung des § 10 Abs. 1 KStG 1988 zu einer Gleichstellung von Beteiligungserträgen aus Portfoliobeteiligungen an ausländischen Körperschaften (EU bzw. Staaten mit umfassender Amtshilfe) mit inländischen Beteiligungserträgen; bei ausländischen Portfoliobeteiligungen ist jedoch § 10 Abs. 5 KStG 1988 zu beachten (siehe Rz 1240 ff).
- Für die Befreiung sind weder bei der Obergesellschaft noch bei der Untergesellschaft die Einkunftsart oder die Einkunftsermittlung ausschlaggebend (zB bei einem nicht gemeinnützigen Verein, der sein Einkommen nach § 7 Abs. 2 KStG 1988 ermittelt). Erfolgt eine Gewinnermittlung, ist die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht Voraussetzung.
16.2.1.2 Erscheinungsformen von Beteiligungserträgen
- Die Befreiung umfasst Gewinnanteile jeder Art, die aus Aktien, GmbH-Anteilen, Anteilen an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Substanzgenussrechten und sonstigen Finanzierungsinstrumenten (dh. aus anteilsähnlichen, nicht aus obligationenähnlichen) und Partizipationskapital im Sinne des § 23 Abs. 4 BWGidF vor BGBl. I Nr. 184/2013 und § 73c VAGidF vor BGBl. I Nr. 34/2015 resultieren.
- Darunter fallen
- offene Ausschüttungen auf Grund unternehmensrechtlicher Gewinnverteilungsbeschlüsse (Gewinnverteilung gemäß § 126 AktG, § 35 GmbHG, § 24 GenG) bzw. Satzung oder Gesellschaftsvertrag und
- verdeckte Ausschüttungen (zu Begriff und Erscheinungsformen siehe Rz 565 bis 990).
16.2.1.2.1 Ausschüttungsfiktion gemäß § 9 Abs. 6 UmgrStG
- Bei errichtenden und verschmelzenden Umwandlungen von Kapitalgesellschaften nach dem Umwandlungsgesetz und Art. II UmgrStG in Personengesellschaften oder auf den Hauptgesellschafter gilt das Gewinnkapital der übertragenden Körperschaftals ausgeschüttet. Gewinnkapital ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Umwandlungskapital im Sinne des § 8 Abs. 5 UmgrStG und den vorhandenen Einlagen im Sinne des § 4 Abs. 12 des Einkommensteuergesetzes 1988 zum Umwandlungsstichtag. Der Ausschüttungszeitpunkt ist der Tag der Anmeldung der Umwandlung beim Firmenbuch. Ist eine in § 10 Abs. 1 KStG 1988 genannte Körperschaft Gesellschafter oder Hauptgesellschafter, bewirkt die Ausschüttungsfiktion keine steuerliche Belastung, weil die Beteiligungsertragsbefreiung wirksam ist.
16.2.1.2.2 Dividendengarantie
- Zur Dividendengarantie siehe Rz 563.
16.2.1.2.3 Rückzahlung auf Grund einer Kapitalherabsetzung (§ 32 Abs. 1 Z 3 EStG 1988)
- Bei Vorliegen eines Nachversteuerungstatbestandes gemäß § 32 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 (EStR 2000 Rz 6908 bis Rz 6911) sind jene Regeln anzuwenden, welche schon für den ursprünglichen Steuertatbestand gegolten hätten (Theorie der Doppelmaßnahme – daher Gewinnausschüttung). Der Nachversteuerungsbetrag stellt daher bei in § 10 Abs. 1 Z 1 bis 6 KStG 1988 genannten Körperschaften einen Beteiligungsertrag dar.
16.2.1.2.4 Keine Beteiligungserträge gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988
- Keine Beteiligungserträge gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 sind
- Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen und
- Gewinne aus der Liquidation (VwGH 24.2.1999, 96/13/0008) sowie Teilliquidation.
Lediglich die Ausschüttungen von Erträgen aus Perioden vor dem Liquidationszeitraum stellen Beteiligungserträge gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 dar, und zwar auch dann, wenn die Ausschüttung nach der Liquidationseröffnung erfolgt.
- Einlagenrückzahlungen im Sinne des § 4 Abs. 12 EStG 1988 (zur Abgrenzung von Ausschüttung und Einlagenrückzahlung siehe Erlass des BMF vom 27.9.2017, BMF-010203/0309-IV/6/2017), da diese Veräußerungen darstellen.
16.2.1.3 Zeitlicher Horizont
Die Befreiung setzt keine bestimmte Beteiligungsdauer voraus. Sie wirkt sofort ab Erwerb der Beteiligung.
Erfolgt eine Beteiligungsveräußerung mit einem Dividendenvorbehalt dahingehend, dass dem Veräußerer Dividendenzahlungen nach der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums zukommen sollen, und liegt zum Veräußerungszeitpunkt über diese Dividendenzahlungen noch kein Gewinnverteilungsbeschluss vor, steht die vorbehaltene Dividende in offenkundigem Zusammenhang mit dem Verkauf und stellt daher in wirtschaftlicher Betrachtungsweise einen Teil des Kaufpreises dar (VwGH 14.12.2005, 2002/13/0053). Die Beteiligungsertragsbefreiung kommt daher auf die vorbehaltene Dividende nicht zur Anwendung.
Beispiel:
Die inländische X-AG bilanziert zum 31.12; die inländische A-AG hält 30 % der Anteile an der X-AG; der Buchwert der Beteiligung beträgt 500.000 Euro. Die A-AG verkauft ihre 30-prozentige Beteiligung an der X-AG um 1 Mio. Euro; im Kaufvertrag wird vereinbart, dass der A-AG noch die Dividende des Jahres 2012 zusteht. Der Verkauf erfolgt zum 15.4.2013. Zu diesem Zeitpunkt ist weder der Jahresabschluss festgestellt, noch wurde bereits eine Ausschüttung beschlossen. Nach Feststellung des Jahresabschlusses 2012 per 30.6.2013 wird an die A-AG die vorbehaltene Dividende in Höhe von 200.000 Euro ausbezahlt.
Auf die vorbehaltene Dividende kommt die Beteiligungsertragsbefreiung nach § 10 Abs. 1 KStG 1988 nicht zur Anwendung. Die vorbehaltene Dividende ist Teil des steuerpflichtigen Gewinnes aus der Beteiligungsveräußerung; der steuerpflichtige Gewinn aus der Beteiligungsveräußerung beträgt 700.000 Euro.
Variante zu Beispiel:
Die Veräußerung erfolgt zum 30.6.2013. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Jahresabschluss bereits festgestellt und die Gewinnverteilung beschlossen, die Ausschüttung aber noch nicht vorgenommen.
Da im Zeitpunkt der Beteiligungsveräußerung der Beschluss auf Verteilung des Gewinns bereits gefasst wurde, ist der Dividendenanspruch der A-AG bereits zum Veräußerungszeitpunkt entstanden. Die spätere Vornahme der Gewinnausschüttung stellt daher keinen Kaufpreisanteil sondern einen befreiten Beteiligungsertrag dar. Die Gewinnausschüttung in Höhe von 200.000 ist gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 steuerbefreit; der steuerpflichtige Gewinn aus der Beteiligungsveräußerung beträgt 500.000 Euro.
Der Zeitpunkt der Erfassung des Beteiligungsertrages richtet sich nach dem Tag des Gewinnverteilungsbeschlusses; zu einer Aktivierungspflicht der Forderung bereits vor dem Zustandekommen des Gewinnverteilungsbeschlusses kann es nur dann kommen, wenn zum Bilanzstichtag die Ausschüttung eines bestimmten Gewinnanteiles bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung bereits festgestanden ist (VwGH 18.01.1994, 93/14/0169; VwGH 23.03.2000, 97/15/0112; siehe auch EStR 2000 Rz 2339). Eine solche „phasengleiche Bilanzierung“ kann aber nur ausnahmsweise erfolgen
- wenn an Hand objektiver, nachprüfbarer und nach außen in Erscheinung tretender Kriterien festgestellt werden kann, dass die Gesellschafter endgültig entschlossen sind, eine bestimmte Gewinnausschüttung künftig zu beschließen und
- insoweit, als der (mindestens) ausschüttungsfähige Bilanzgewinn am Bilanzstichtag bekannt ist. Haben Mutter- und Tochtergesellschaft denselben Bilanzstichtag, liegt eine solche gesicherte Position der Muttergesellschaft auf einen in seiner Höhe bestimmten Gewinn nicht vor (VwGH 13.09.2006, 2002/13/0129).
Bei Ausschüttungen in fremder Währung ist für die Umrechnung der Devisengeldkurs im Zeitpunkt der Ausschüttung maßgebend. Wird ein Beteiligungsertrag bei der Muttergesellschaft bereits in dem der Beschlussfassung vorangegangenen Geschäftsjahr als Forderung erfasst, ist diese Forderung mit dem Devisengeldkurs zum Bilanzstichtag zu bewerten. Im Zeitpunkt des Zuflusses ergibt sich bedingt durch den jeweiligen Devisengeldkurs eine entsprechend höhere oder niedrigere Bewertung. Ein abwertungsbedingter Aufwand ist im Jahr des Zuflusses außerbücherlich gemäß § 12 Abs. 2 KStG 1988 zuzurechnen, ein bewertungsbedingter nachträglicher Ertrag fällt unter die Befreiungsbestimmung des § 10 Abs. 1 KStG 1988.
Beispiel:
Die Muttergesellschaft A sowie die Tochtergesellschaft B haben als Bilanzstichtag jeweils den 31.12. Im Hinblick auf die internationale Verflochtenheit beider Gesellschaften sind Gewinnausschüttungen innerhalb des Konzernkreises in US-Dollar vorzunehmen. Die Ausschüttung der Tochter B für das Jahr 01 beträgt 100.000 US-Dollar und wird von der Mutter A in ihrem Jahresabschluss 01 als Forderung erfasst.
Devisengeldkurs zum Bilanzstichtag: Euro zu US-Dollar = 0,95
Devisengeldkurs im Zeitpunkt des Zuflusses 02 = Variante a) 1; Variante b) 0,9;
In der Bilanz zum 31.12.01 der Muttergesellschaft ist ein Beteiligungsertrag in Höhe von 105.263 Euro zu erfassen. Im Zeitpunkt des Zuflusses im März 02 ergibt sich bei der Muttergesellschaft a) ein abwertungsbedingter Aufwand in Höhe von 5.263 Euro, der gemäß § 12 Abs. 2 KStG 1988 außerbilanziell zuzurechnen ist; b) ein bewertungsbedingter Ertrag in Höhe von 5.848 Euro, der gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 steuerfrei zu stellen ist.
16.2.1.4 Zurechnung
Auch eine mittelbare Beteiligung kann die nationale Beteiligungsertragsbefreiung auslösen.
Folgende Formen sind denkbar:
- Zwischengeschaltete Personengesellschaft
- Zwischengeschaltete Körperschaft
- Treuhandschaft
- Fruchtgenuss
- Investmentfonds
- Wertpapierleihe; Pensionsgeschäft.
16.2.1.4.1 Zwischengeschaltete Personengesellschaft
- Bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft (OG und KG) ergibt sich die Zurechnung der Beteiligungserträge aus § 23 Z 2 EStG 1988, die Befreiung steht für den anteiligen Beteiligungsertrag zu.
Beispiel 1:
Die GmbH-A ist zu 60%, die GmbH-B ist zu 40% an einer OG beteiligt. Die OG hält ihrerseits 50% an der AG-XY. Die GmbH A ist daher zu 30%, die GmbH B zu 20% mittelbar an der AG-XY beteiligt. Schüttet die AG-XY 100.000 Euro aus, erhält die OG eine Dividende über 50.000 Euro. Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung ist im Gewinnanteil der GmbH-A ein Beteiligungsertrag von 30.000 Euro und im Gewinnanteil der GmbH-B ein Beteiligungsertrag von 20.000 Euro enthalten, der jeweils gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 steuerfrei zu stellen ist.
Variante:
Am Unternehmen der oben genannten GmbH-B ist eine natürliche Person atypisch still mit 50% beteiligt. Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der stillen Mitunternehmerschaft kommt der GmbH-B ein Dividendenanteil von 10.000 Euro zu, der gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 steuerfrei zu stellen ist.
Beispiel 2:
Angabe wie Beispiel 1, OG weist aber einen Verlust (inklusive Beteiligungsertrag) in Höhe von 200.000 Euro aus. Über die Tangente werden der GmbH-A 120.000 Euro und der GmbH-B 80.000 Euro Verlust zugewiesen, die darin enthaltenen Beteiligungserträge sind trotz der Verlusttangenten steuerfrei zu stellen.
Die GmbH-A erzielt als solche nach Ausgleich mit dem Verlust aus dem laufenden Betrieb einen steuerpflichtigen Gewinn von 40.000 Euro, der nach Abzug des Beteiligungsertrages mit 10.000 Euro der Körperschaftsteuer unterliegt.
- Die GmbH-B weist insgesamt einen Verlust von 25.000 Euro aus. Nach Abzug des Beteiligungsertrages ergibt sich ein vortragsfähiger Verlust von 45.000 Euro.
16.2.1.4.2 Zwischengeschaltete Körperschaft
- Eine weitere Form der mittelbaren Beteiligung ist auch denkbar bei zwischengeschalteten Körperschaften, insoweit eine Enkelgesellschaft eine (mittelbare) verdeckte Ausschüttung an eine Großmuttergesellschaft vornimmt. Auch hier steht der Zwischengesellschaft und der Großmuttergesellschaft die Befreiung des § 10 Abs. 1 Z 1 bis 6 KStG 1988 zu. Zur Zwischenschaltung einer Körperschaft in Zusammenhang mit der internationalen Schachtelbeteiligung siehe Rz 1207.
16.2.1.4.3 Treuhandschaft
- Wenn die formale Obergesellschaft lediglich Treuhänderin ist, liegt beim Treugeber ebenfalls eine steuerbegünstigte mittelbare Beteiligung vor. Dem Treunehmer steht die Befreiung nicht zu.
16.2.1.4.4 Fruchtgenuss
- § 509 ABGB definiert die Fruchtnießung als dingliches Recht, das dem Fruchtnießer die volle Nutzung einer fremden Sache unter Schonung der Substanz ermöglicht (zum Fruchtgenuss allgemein EStR 2000 Rz 111 bis 120). Ein Fruchtgenuss an Kapitalgesellschaftsanteilen ist zivilrechtlich möglich, sofern er nicht gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen ist.
- Der Erlös aus der Einräumung des Fruchtgenussrechts an Beteiligungen ist wirtschaftlich das Äquivalent für die übertragenen Ausschüttungen. Der aus der Fruchtgenusseinräumung erzielte Erlös antizipiert künftige Ausschüttungserträge, ist also vorweggenommener Ausschüttungsertrag (VwGH 25.1.2001, 2000/15/0172), welcher beim Fruchtgenussbesteller unter die Beteiligungsertragsbefreiung fällt.
- Der fruchtgenussberechtigten Körperschaft sind Ausschüttungen als originäre Einkünfte zuzurechnen, wenn
- der Zuwendungsfruchtgenuss für eine gewisse Dauer bei rechtlich abgesicherter Position bestellt wird und
- dem Fruchtgenussberechtigten die Disposition über die Einkünfteerzielung überlassen wird (vor allem Stimmrecht bei Hauptversammlungsbeschlüssen).
- Bei Zurechnung der Ausschüttung an den Fruchtgenussberechtigten ist die Beteiligungsertragsbefreiung anzuwenden, jedoch darf das entgeltlich erworbene Fruchtgenussrecht auf Grund des § 12 Abs. 2 KStG 1988 nicht steuerwirksam abgeschrieben werden.
- Beispiel:
- Die AG-A ist an der GmbH-B zu 60% beteiligt. An dieser Beteiligung wird der GmbH-C ein entgeltliches Fruchtgenussrecht in Höhe von 1 Mio. Euro für 10 Jahre eingeräumt. Durch dieses Recht erhält die GmbH-C auch die maßgeblichen Stimmrechte. Im Jahr 01 erfolgt eine Ausschüttung in Höhe von 150.000 Euro.
- Die für die Übertragung des Fruchtgenussrechtes erhaltenen 1 Mio. Euro fallen unter die Beteiligungsertragsbefreiung bei der AG-A. Die Ausschüttung ist dem Fruchtgenussberechtigten, der GmbH-C zuzurechnen, die Befreiung gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 kommt zur Anwendung. Das Fruchtgenussrecht in Höhe von 1 Mio. Euro ist zu aktivieren, eine steuerwirksame Abschreibung ist aufgrund des § 12 Abs. 2 KStG 1988 nicht möglich.
16.2.1.4.5 Investmentfonds
- Ausschüttungen bzw. ausschüttungsgleiche Erträge aus in- und ausländischen (§ 186 Abs. 1 und 2 InvFG 2011) Investmentfonds unterliegen unter den Voraussetzungen der Rz 1241 insoweit der Beteiligungsertragsbefreiung, als darin Beteiligungserträge im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 1 bis 6 KStG 1988 enthalten sind.
16.2.1.4.6 Wertpapierleihe; Pensionsgeschäft
Im Fall einer Wertpapierleihe bzw. eines echten oder unechten Pensionsgeschäftes (EStR 2000 Rz 6140 ff) verlieren die bezogenen Ausschüttungen nicht ihren Charakter als Beteiligungserträge. Sowohl beim Entleiher bzw. Pensionsnehmer als auch nach Weiterleitung an den Verleiher bzw. Pensionsgeber stellen die Ausschüttungen Beteiligungserträge dar, die Befreiung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 bis 6 KStG 1988 ist anzuwenden. Entsprechendes gilt auch bei einer internationalen Schachtelbeteiligung gemäß § 10 Abs. 2 KStG 1988.