20.2.4.4 Callable yield notes
20.2.4.4.1 Allgemeines
Callable yield notes sind strukturierte Wertpapiere. Es handelt sich dabei um Schuldverschreibungen, die mit einem Zinskupon ausgestattet sind, der über den üblichen Marktzinsen liegt und bei denen Höhe und Zeitpunkt der Rückzahlung durch den Emittenten vom Eintritt bestimmter Bedingungen abhängt. Falls die Bedingungen nicht eintreten, erhält der Anleger sein eingesetztes Kapital in voller Höhe zurück. Bei Eintritt der Bedingungen (zB Unterschreiten des „barrier levels“) verliert der Anleger seinen Kapitalschutz und die Rückzahlung erfolgt entsprechend der Entwicklung eines Basiswertes. So kann etwa die Höhe der Rückzahlung einer solchen Schuldverschreibung von der Entwicklung bestimmter Börsenindizes abhängig gemacht werden. Daneben ist für den Emittenten auch die vorzeitige Rückzahlung der Schuldverschreibung zum Nominalbetrag möglich.
Die laufenden Kuponzinsen aus dem Wertpapier stellen Einkünfte aus der Überlassung von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 dar, der Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Einlösungs- bzw. Veräußerungspreis des Wertpapieres ist unter den Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 zu erfassen.
20.2.4.4.2 KESt-Abzug
Zinserträge aus callable yield notes sind als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist gemäß § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 die auszahlende Stelle.
Kapitalerträge aus der Veräußerung bzw. Einlösung von callable yield notes sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.
20.2.4.5 Nullkuponanleihen (zero-bonds)
20.2.4.5.1 Allgemeines
Nullkuponanleihen sind Anleihen (Obligationen) ohne laufende Verzinsung, die abgezinst begeben und aufgezinst zurückgezahlt werden. Im Gegensatz zu anderen Anleihen erfolgt während der Laufzeit keine gesonderte Zinszahlung. Die Zinsen werden vielmehr einbehalten und bei Fälligkeit des Wertpapiers am Laufzeitende zusammen mit der Tilgung in einer Summe bezahlt. Sie werden entweder als Abzinsungs- oder als Aufzinsungsanleihen begeben. Während Abzinsungsanleihen bei einem Rückzahlungskurs zu 100% unter Pari emittiert werden, sind Aufzinsungsanleihen durch eine Über-Pari-Tilgung bei einem Ausgabekurs zu 100% gekennzeichnet. Anstatt der laufenden Zinszahlungen werden bei beiden Varianten den Anlegern höhere Rückzahlungsbeträge gewährt. Die Kapitalerträge fließen sowohl bei Fälligkeit (Tilgung) als auch beim Verkauf der Anleihe zu und führen zu Einkünften gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988.
20.2.4.5.2 KESt-Abzug
Der Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Einlösungswert bzw. dem Veräußerungspreis der Anleihe stellt Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 dar, die gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen sind. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.
20.2.4.6 Stripped bonds
20.2.4.6.1 Allgemeines
Als „stripped bonds“ werden Anleihen bezeichnet, die von den Zinsscheinen (Kupons) getrennt wurden. In diesem Fall entsteht eine künstliche Nullkuponanleihe, da nach Abtrennung der Zinskupons nur mehr der Anspruch auf Kapitalrückzahlung übrig bleibt.
Wird durch die separate Veräußerung von Zinsscheinen bzw. der zu Grunde liegenden Anleihe eine solche Nullkuponanleihe künstlich geschaffen, sind sowohl die Veräußerung der Zinsscheine als auch die Veräußerung der zu Grunde liegenden Anleihen selbst als Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 iVm Abs. 6 Z 3 EStG 1988 zu erfassen.
Bei der Trennung der Zinsscheine und der zu Grunde liegenden Anleihe sind die ursprünglichen Anschaffungskosten auf die beiden durch die Trennung entstandenen Wirtschaftsgüter nach finanzmathematischen Grundsätzen aufzuspalten. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus der Veräußerung der Zinsscheine sind dem Veräußerungserlös die solcher Art ermittelten Anschaffungskosten gegenüberzustellen.
Beim Erwerber der Zinsscheine stellen die Kuponzinsen Einkünfte gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 dar. Gleichzeitig sind die Anschaffungskosten der Zinsscheine finanzmathematisch auf die Restlaufzeit zu verteilen und stellen somit negative Einkünfte gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 vor.
Werden die Zinsscheine vom Erwerber weiter veräußert, liegen im Unterschiedsbetrag zwischen den (allfällig bereits reduzierten) Anschaffungskosten und dem Veräußerungspreis Einkünfte gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 vor.
Beispiel:
A erwirbt bei Emission (30.9.) im Jahr 01 eine Anleihe zum Kurs von 100, mit einer Laufzeit von 10 Jahren und einer jährlichen Verzinsung von 5% (Zinskupon jährlich am 30.9.; Marktzins ebenfalls 5%). Die Anleihe wird im Jahr 11 zum Kurs von 100 getilgt.
Im Jahr 06 veräußert A die Zinsscheine für die Zinsperioden der Jahre 7 bis 10 um den Preis von 17,73 an B. Von den ursprünglichen Anschaffungskosten entfallen 13,23 auf die Zinsscheine.
Die Veräußerung der Zinsscheine führt bei A zu Einkünften gemäß § 27 Abs. 3 iVm Abs. 6 Z 3 EStG 1988 in Höhe von 4,5. Bei Einlösung der Anleihe im Jahr 11 zum Kurs von 100 hat A Einkünfte gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 in Höhe von 13,23.
Die Kuponzinsen stellen bei B Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 dar. Diesen stehen negative Einkünfte aus der Verteilung der Anschaffungskosten über die Laufzeit der Zinsscheine gegenüber.
20.2.4.6.2 KESt-Abzug
Liegen bei der Veräußerung von Zinsscheinen inländische Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 93 iVm § 27 Abs. 3 EStG 1988 vor, sind sie im Wege des Kapitalertragsteuerabzugs zu erfassen. Dies ist gemäß § 93 Abs. 2 lit. b EStG 1988 nur dann der Fall, wenn eine inländische depotführende oder auszahlende Stelle vorliegt und diese die Veräußerung der Zinsscheine abwickelt. In einem solchen Fall ist die inländische depotführende oder auszahlende Stelle gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 Abzugsverpflichtete.
Der Erwerber der Zinsscheine erzielt in weiterer Folge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, die gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen sind. Abzugsverpflichteter ist gemäß § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 die auszahlende Stelle. Die negativen Einkünfte aus der Verteilung der Anschaffungskosten über die Restlaufzeit der Zinsscheine sind nicht im Wege des Kapitalertragsteuerabzugs zu berücksichtigen (kein Verlustausgleich durch die Bank).
Werden die Zinsscheine weiter veräußert, sind daraus erzielte positive Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988, bei Vorliegen inländischer Einkünfte gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen.
20.2.4.7 Veräußerung von Dividendenscheinen
20.2.4.7.1 Allgemeines
Dividendenscheine sind rechtlich selbstständige Nebenurkunden zu Aktien, die zum Bezug der Dividende gegen Einlösung berechtigen. Sie können allein oder zusammen mit dem Anteilsrecht, zu dem sie gehören, Gegenstand des Rechtsverkehrs sein und sind daher auch ohne zugehörige Aktie veräußerbar.
Einkünfte aus der separaten Veräußerung von Dividendenscheinen ohne zugehörige Aktien sind als Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 iVm Abs. 6 Z 3 EStG 1988 zu erfassen.
Bei Ermittlung der Einkünfte aus der Veräußerung der Dividendenscheine sind dem Veräußerungserlös Anschaffungskosten von Null gegenüberzustellen, womit der gesamte Veräußerungserlös als Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 iVm Abs. 6 Z 3 EStG 1988 zu erfassen ist.
Die Veräußerung der Aktien ohne Dividendenanspruch führt ebenso zu Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988. Dem Veräußerungserlös sind dabei die ursprünglichen Anschaffungskosten der Aktien gegenüberzustellen, die aufgrund der gesonderten Verwertung der Dividendenscheine keine Änderung erfahren.
Beim Erwerber der Dividendenscheine stellen die ausgeschütteten Dividenden Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 dar.
Werden die Dividendenscheine vom Erwerber weiter veräußert, liegen im Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Veräußerungspreis Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 vor.
Gleichzeitig liegen negative Einkünfte aus der linearen Verteilung der Anschaffungskosten an den Dividendenscheinen über Restlaufzeit vor.
20.2.4.7.2 KESt-Abzug
Liegen bei der Veräußerung von Dividendenscheinen inländische Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 93 iVm § 27 Abs. 3 EStG 1988 vor, sind sie im Wege des Kapitalertragsteuerabzugs zu erfassen. Dies ist gemäß § 93 Abs. 2 lit. b EStG 1988 nur dann der Fall, wenn eine inländische depotführende oder auszahlende Stelle vorliegt und diese die Veräußerung der Dividendenscheine abwickelt. In einem solchen Fall ist die inländische depotführende oder auszahlende Stelle gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 Abzugsverpflichtete.
Die Veräußerung der Aktien ohne Dividendenanspruch wird wie die Veräußerung einer gewöhnlichen Aktie behandelt (siehe dazu Abschnitt 20.2.2.2).
Der Erwerber der Dividendenscheine erzielt in weiterer Folge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, die gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen sind. Abzugsverpflichteter ist gemäß § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 die auszahlende Stelle. Die negativen Einkünfte aus der Verteilung der Anschaffungskosten über die Restlaufzeit der Dividendenscheine sind nicht im Wege des Kapitalertragsteuerabzugs zu berücksichtigen (kein Verlustausgleich durch die Bank).
Werden die Dividendenscheine weiter veräußert, sind daraus erzielte positive Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988, bei Vorliegen inländischer Einkünfte gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Inländische Einkünfte liegen dabei beispielsweise dann nicht vor, wenn die Dividendenscheine trotz ihrer Wertpapiereigenschaft nicht auf einem Depot verwahrt werden, oder wenn trotz Depotverwahrung die Veräußerung nicht durch die depotführende Stelle abgewickelt wird.
20.2.4.8 Kombizinsanleihen – Gleitzinsanleihen
20.2.4.8.1 Allgemeines
Bei Kombizinsanleihen handelt es sich um festverzinsliche Wertpapiere, bei denen die Zinsen zu Laufzeitbeginn niedrig (unter Umständen sogar Null) sind und mit fortschreitender Laufzeit ansteigen. Diese spätere Kuponauszahlung bewirkt zunächst einen Anstieg des inneren Wertes der Anleihe. Dieser innere Wert errechnet sich durch Aufzinsung unter Zugrundelegung des Renditezinssatzes. Dabei handelt es sich um jenen Zinssatz, der bei gleich bleibenden Kuponzinsen und identem Ausgabe- und Rückkaufswert laufend bezahlt werden müsste.
Bei Gleitzinsanleihen handelt es sich um Wertpapiere, die zu Beginn hohe und mit Fortdauer der Laufzeit fallende Zinsen aufweisen. Gleichzeitig sinkt der innere Wert mit fortlaufenden Zinszahlungen.
Die Zinsen aus einer Kombi- oder Gleitzinsanleihe sind als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zu erfassen.
Die Veräußerung während der Laufzeit oder Einlösung einer Kombi- oder Gleitzinsanleihe führt im Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Veräußerungspreis oder Einlösungswert zu Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 dar.
Beispiel:
Eine Kombizinsanleihe mit fünfjähriger Laufzeit hat einen Ausgabe- und Einlösungspreis von je 100. In den ersten drei Jahren werden keine Zinsen gezahlt. Erst am Ende des vierten und fünften Jahres fallen Kuponzinsen in Höhe von je 16 an, was einem Renditezinssatz von ca. 6% entspricht.
Die Anleihe wird Ende des dritten Jahres von Anleger A um 120 an Anleger B veräußert, der sie bis zur Einlösung hält.
Der Unterschiedsbetrag zwischen Ausgabekurs von 100 (entspricht den AK) und dem Veräußerungspreis von 120 stellt bei A Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 dar.
Die im Jahr 04 und 05 zugeflossenen Kuponzinsen von 32 sind bei B als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zu erfassen. Der Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten von 120 und dem niedrigeren Einlösungswert von 100 stellt negative Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 dar.
20.2.4.8.2 KESt-Abzug
Zinserträge aus Kombi- oder Gleitzinsanleihen sind stets Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 und sind gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist gemäß § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 die auszahlende Stelle.
Kapitalerträge aus der Veräußerung bzw. Einlösung von Kombi- oder Gleitzinsanleihen sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.
20.2.4.9 Indexierte Anleihen
20.2.4.9.1 Allgemeines
Unter indexierten Anleihen werden Schuldverschreibungen verstanden, die mit variablen oder fixen Zinskupons ausgestattet sind und deren Kapitalrückzahlung von der Wertentwicklung eines bestimmten Index (zB Konsumentenpreisindex) abhängig gemacht wird. Derartige Schuldverschreibungen sehen also neben der Zahlung von Kuponzinsen zusätzlich eine von einem Index abhängige Abgeltung (zB Inflationsabgeltung) vor.
Die laufend gezahlten Kuponzinsen führen zu Einkünften aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, der Differenzbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Wert der Schuldverschreibung im Zeitpunkt der Einlösung bzw. den Anschaffungskosten und dem Veräußerungserlös stellt Einkünfte aus realisierte Wertsteigerungen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 dar.
20.2.4.9.2 KESt-Abzug
Zinserträge aus indexierten Anleihen sind stets Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 und sind gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist gemäß § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 die auszahlende Stelle.
Werden indexierte Anleihen bis zur Tilgung gehalten oder während der Laufzeit veräußert, stellt der Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Veräußerungspreis bzw. dem Einlösungswert Einkünfte gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 dar, die gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen sind. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.
20.2.4.10 Anleihen mit indexorientierter Verzinsung
20.2.4.10.1 Allgemeines
Anleihen mit indexorientierter Verzinsung sind Wertpapiere mit einer festen Laufzeit, deren Wertentwicklung von einem bestimmten Index abhängt. Die Rückzahlungsbedingungen sehen zum Ende der Laufzeit die Zahlung einer bestimmten Quote vor, die auch unter dem Nominalbetrag der Anleihe liegen kann. Die Anleihen verfügen in der Regel über einen festen Kupon, dessen Höhe üblicherweise unter dem Marktzinsniveau liegt. Möglich sind auch Anleihen ohne festen Kupon. Die Anleihen weisen stets eine variable Zinskomponente auf, deren Ausgestaltung variiert. Diese Zinskomponente spiegelt die Entwicklung des festgelegten Index wider. Dabei kann eine prozentuale Partizipation an der Indexentwicklung ebenso vorgesehen sein wie ein Höchstwert (cap).
Zinsen aus solchen Anleihen stellen Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 dar.
Die Veräußerung während der Laufzeit oder Einlösung einer Anleihe mit indexorientierter Verzinsung führt im Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Veräußerungspreis oder Einlösungswert zu Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988.
20.2.4.10.2 KESt-Abzug
Zinserträge aus Anleihen mit indexorientierter Verzinsung sind stets Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 und sind gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist gemäß § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 die auszahlende Stelle.
Kapitalerträge aus der Veräußerung bzw. Einlösung von Anleihen mit indexorientierter Verzinsung sind Einkünfte gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.
20.2.4.11 Wohnbauwandelanleihen
20.2.4.11.1 Allgemeines
§ 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über steuerliche Sondermaßnahmen zur Förderung des Wohnbaus (BGBl. Nr. 253/1993) sieht eine KESt-Befreiung für Kapitalerträge von bis zu vier Prozent des Nennwertes der von Wohnbaubanken begebenen Wandelschuldverschreibungen vor. Die Befreiung gilt auch für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften iSd § 1 Abs. 3 Z 2 und 3 KStG 1988.
Die Befreiung erstreckt sich auch auf die in Veräußerungserlösen enthaltenen Stückzinsen.
20.2.4.11.2 KESt-Abzug
Die Befreiung ist beim Kapitalertragsteuerabzug zu berücksichtigen.
20.2.4.12 Fremdwährungsgewinne
20.2.4.12.1 Allgemeines
Nach der Rechtsprechung des VwGH führt die Konvertierung eines Fremdwährungsdarlehens in eine andere, zum Euro wechselkurslabile Fremdwährung, im außerbetrieblichen Bereich nicht zu Einkünften gemäß § 30 EStG 1988, weil der sich durch die Konvertierung ergebende Vermögenszugang endgültig sein muss und durch die Konvertierung von einer Fremdwährung in eine andere dasselbe Wirtschaftsgut „Fremdwährung“ bestehen bleibt (VwGH 24.09.2008, 2006/15/0255; VwGH 04.06.2009, 2004/13/0083).
Die Konvertierung eines Fremdwährungsdarlehens in den Euro oder eine zum Euro wechselkursstabile Währung führt dagegen zu einer im außerbetrieblichen Bereich nicht steuerpflichtigen Gewinnrealisierung. Da der Schuldner keine Einkünfte aus der gemäß § 27 Abs. 2 EStG 1988 aus der Verbindlichkeit erzielt, liegen keine Einkünften gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 vor (VwGH 18.12.2017, Ro 2016/15/0026).
Überträgt man diese Grundsätze auf Fremdwährungsforderungen, führt die Konvertierung einer solchen Forderung in Euro oder in eine zum Euro wechselkursstabile Währung zu einem steuerpflichtigen Tausch. Führt die Fremdwährungsforderung zu Einkünften aus der Überlassung von Kapital iSd § 27 Abs. 2 EStG 1988 (wie insbesondere bei Fremdwährungsguthaben bei Banken), ist der Tausch nach § 27 Abs. 3 EStG 1988 steuerpflichtig (zum Nachlass einer Forderung siehe aber Rz 6143). Dies gilt auch für die Konvertierung von Kryptowährungen (zB Bitcoin), sofern diese zinstragend veranlagt sind.
Beispiel 1:
A hat um 5.000 Euro 7.000 Dollar angeschafft, die er auf einem Dollar-Konto hält. Diese 7.000 Dollar konvertiert A zwei Jahre später in Euro und erhält dafür 5.500 Euro.
Der Vorgang stellt einen Tausch dar. Als Veräußerungserlös ist der gemeine Wert der Dollar zum Zeitpunkt der Konvertierung anzusetzen, das sind 5.500 Euro. Der Veräußerungsgewinn in Höhe von 500 Euro ist nach § 27 Abs. 3 EStG 1988 steuerpflichtig.
Zum Forex-Handel siehe aber Rz 6174a.
Wird ein auf einem Bankkonto befindliches Fremdwährungsguthaben behoben und kommt es zur Auszahlung physischen Geldes, liegt ebenfalls ein nach § 27 Abs. 3 EStG 1988 steuerpflichtiger Tausch vor. Physisches Geld führt im Gegensatz zu einem Fremdwährungsguthaben nicht zu Einkünften aus der Überlassung von Kapital. Wird daher bloß physisches Geld getauscht (zB Dollar-Banknoten gegen Euro-Banknoten), unterliegt der Tausch nach Maßgabe des § 30 EStG 1988 der Besteuerung.
Beispiel 2:
A hat um 5.000 Euro 7.000 Dollar angeschafft, die er auf einem Dollar-Konto hält. Diese 7.000 Dollar lässt sich A zwei Jahre später auszahlen. Zu diesem Zeitpunkt sind die physischen Dollar 5.500 Euro wert.
Der Vorgang stellt einen Tausch dar. Als Veräußerungserlös ist der gemeine Wert der Dollar zum Zeitpunkt der Auszahlung des Guthabens anzusetzen, das sind 5.500 Euro. Der Veräußerungsgewinn in Höhe von 500 Euro ist nach § 27 Abs. 3 EStG 1988 steuerpflichtig. Als Anschaffungskosten der 7.000 „physischen“ Dollar sind 5.500 Euro anzusetzen.
Beispiel (Fortsetzung):
A wechselt zwei Jahre später die 7.000 „physischen“ Dollar in Euro um. Zu diesem Zeitpunkt haben die Dollar einen Gegenwert von 6.000 Euro. Der Vorgang stellt einen Tausch dar, der gemeine Wert der Dollar zum Zeitpunkt des Umtausches (6.000) ist den steuerlichen Anschaffungskosten (5.500) gegenüberzustellen. Da der Tausch außerhalb der Spekulationsfrist des § 30 EStG 1988 vorgenommen wird, ist er nicht steuerpflichtig.
Werden von einem bestehenden Fremdwährungsguthaben Wertpapiere angeschafft, findet ebenfalls ein Tausch (Wertpapier gegen Guthaben) statt, und zwar auch, wenn die Wertpapiere auf dieselbe Währung lauten wie das Fremdwährungsguthaben. Der Tausch ist gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 steuerpflichtig. Als Veräußerungserlös des hingegebenen Wirtschaftsgutes „Fremdwährungsguthaben“ ist sein gemeiner Wert, dh. sein aktueller Kurswert, anzusetzen. Dieser bildet die Basis für die Bewertung des angeschafften Wertpapieres.
Beispiel 3:
A schafft eine Dollar-Anleihe um 7.000 Dollar an. Der Kaufpreis wird von seinem Dollar-Konto beglichen. Die 7.000 Dollar hat A um 5.000 Euro erworben. Zum Zeitpunkt der Anschaffung der Anleihe sind die 7.000 Dollar 5.500 Euro wert.
Die Anschaffung der Dollar-Anleihe stellt einen Tausch dar, der gemeine Wert der Dollar zum Zeitpunkt der Anschaffung der Anleihe (5.500) ist den steuerlichen Anschaffungskosten (5.000) gegenüberzustellen. Der Veräußerungsgewinn in Höhe von 500 Euro ist gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 steuerpflichtig. Als Anschaffungskosten der Dollar-Anleihe sind 5.500 Euro anzusetzen.
Wird ein auf eine Fremdwährung lautendes Wertpapier gegen Fremdwährung veräußert, liegt eine realisierte Wertsteigerung im Sinne des § 27 Abs. 3 EStG 1988 vor, auch wenn gegen jene Währung veräußert wird, auf die die Wertpapiere lauten.
Beispiel 3 (Fortsetzung):
A verkauft seine um 5.500 Euro angeschaffte Dollar-Anleihe um 7.500 Dollar. Der Veräußerungserlös entspricht zum Verkaufszeitpunkt 6.500 Euro. A hat gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 einen Veräußerungsgewinn iHv 1.000 Euro zu versteuern.
Für die Bewertung von Fremdwährungsgewinnen/-verlusten gilt Folgendes:
- Wenn Einkünfte in Fremdwährungen erzielt werden (zB Zinsen, Dividenden, ausschüttungsgleiche Erträge), ist der EZB-Referenzkurs für die Bewertung heranzuziehen. Dies gilt auch, wenn eine Gewinnrealisierung ohne tatsächliche Umrechnung in Euro erfolgt (zB Veräußerung/Anschaffung eines Wertpapiers in Fremdwährung). Dabei ist es zulässig den (niedrigeren) Geldkurs anzusetzen.
- Kommt es tatsächlich zu einer Konvertierung von Fremdwährungen in Euro, ist der tatsächlich im Rahmen der Konvertierung herangezogene Wechselkurs für die Bewertung der Kursgewinne/-verluste relevant, weil die Realisierung tatsächlich zu diesen Werten erfolgt.
20.2.4.12.2 KESt-Abzug
Da Fremdwährungsgewinne ausgenommen beim physischen Tausch von Banknoten oder Münzen stets Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen im Sinne des § 27 Abs. 3 EStG 1988 darstellen, ist die Steuererhebung im Wege des Kapitalertragsteuerabzugs nur unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 iVm § 95 Abs. 2 EStG 1988 möglich. Insbesondere bedarf es dabei einer Verbindung des Fremdwährungsgewinns mit depotverwahrten Wertpapieren, da ansonsten keine abzugsverpflichtete depotführende Stelle (bzw. auszahlende Stelle) im Sinne des § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 vorliegt.
Der Kapitalertragsteuerabzug ist daher beispielsweise dann vorzunehmen, wenn es zu einem Realisierungsvorgang im Zusammenhang mit auf Fremdwährung lautenden Wertpapieren kommt, wenn dieser Realisierungsvorgang selbst zum Kapitalertragsteuerabzug führt (siehe Abschnitt 20.2.4.12.1, Beispiel 4 Fortsetzung).
Mangels einer depotführenden Stelle kommt es daher etwa bei Fremdwährungsgewinnen, die im Zusammenhang mit Bankeinlagen oder -verbindlichkeiten (zB Ein- und Auszahlungen oder Konvertierungen) entstehen, und bei Anschaffungen von Wertpapieren (siehe Abschnitt 20.2.4.12.1, Beispiel 4) zu keinem Kapitalertragsteuerabzug.
20.2.4.13 Zertifikate – Grundsätzliche Behandlung
20.2.4.13.1 Allgemeines
Ein Zertifikat ist eine verbriefte Kapitalforderung (Schuldverschreibung), mit der die Wertentwicklung eines zugrunde liegenden Basiswertes abgebildet wird. Basiswerte können Aktien, Indizes, Rohstoffe, Währungen, Anleihen, Edelmetalle (wie zB bei ETCs) usw. sein.
Zertifikate verbriefen dem Käufer ein Recht auf Zahlung eines Geld- oder Abrechnungsbetrages, dessen Höhe vom Wert des zugrunde liegenden Index (Basiswertes) am Fälligkeitstag abhängt. Auch bei einem obligatorischen Anspruch auf die Lieferung des Basiswerts (zB des Edelmetalls) kann ein Zertifikat vorliegen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Möglichkeit physischer Ausfolgung nur theoretischer Natur ist und weder vom Emittenten noch vom Anleger ernsthaft beabsichtigt. Indizien, dass die Ausfolgung nicht ernsthaft beabsichtigt ist, können sich aus den Emissionsbedingungen ergeben, etwa wenn eine hohe Mindestausfolgungsmenge sowie im Verhältnis zum Ertrag hohe Auslieferungskosten vorgesehen sind, oder wenn die Einzelheiten der Ausfolgung nicht geregelt sind (zB Art und Umstände der Lieferung, Kosten- und Risikotragung). Während der Laufzeit finden meist keine periodischen Zinszahlungen oder sonstige Ausschüttungen statt.
Der Preis eines Zertifikates verläuft im Allgemeinen parallel mit den Bewegungen des Basiswertes, positiv wie negativ. Ein steigender Basiswert führt demnach zu höheren Preisen des Zertifikates und ein rückläufiger Basiswert zu sinkenden Zertifikatspreisen. Die einzige Ertragschance besteht in der Steigerung des Kurswertes der Zertifikate.
Realisierte Wertsteigerungen bzw. Wertverluste aus Zertifikaten bei deren Veräußerung oder sonstiger Einlösung stellen Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 dar.
20.2.4.13.2 KESt-Abzug
Kapitalerträge aus der Veräußerung bzw. Einlösung von Zertifikaten sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.
20.2.4.14 Discount-Zertifikate
20.2.4.14.1 Allgemeines
Discount-Zertifikate sind Schuldverschreibungen (siehe oben Abschnitt 20.2.4.13), bei denen der Gläubiger (Anleger) dem Schuldner (Emittenten) einen Kapitalbetrag überlässt, und die Höhe des Entgelts für die Überlassung des Kapitals von der Wertentwicklung einer zu Laufzeitbeginn festgelegten Bezugsgröße, des sogenannten Basiswerts, abhängt. Als Basiswert dient oft der Kurswert einer Aktie. Am Ende der Laufzeit wird der aktuelle (Kurs-)Wert des zugrunde gelegten Basiswerts ausbezahlt, maximal jedoch ein für die gesamte Laufzeit festgelegter Höchstbetrag, ein sogenannter „Cap“. Als Ausgleich für den Verzicht auf unbegrenzte Gewinne wird dem Anleger beim Ausgabepreis des discount-Zertifikates ein Abschlag, ein „Discount“, auf den aktuellen (Kurs-)Wert des Basiswerts gewährt.
Die allgemeine steuerliche Behandlung von discount-Zertifikaten entspricht jener von „Standard“-Zertifikaten (siehe Abschnitt 20.2.4.13).
20.2.4.14.2 KESt-Abzug
Kapitalerträge aus der Veräußerung bzw. Einlösung von discount-Zertifikaten sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.
20.2.4.15 Hebelzertifikate
20.2.4.15.1 Allgemeines
Hebelzertifikate sind Schuldverschreibungen, bei denen der Gläubiger (Anleger) dem Schuldner (Emittenten) einen Kapitalbetrag überlässt, und die Höhe des Entgelts für die Überlassung des Kapitals von der Wertentwicklung einer zu Laufzeitbeginn festgelegten Bezugsgröße, des sogenannten Basiswerts, unter Einbeziehung eines Wertpapierkredits abhängt. Mit Hebelzertifikaten kann somit die Beteiligung an einem Basiswert zu einem niedrigen Einsatz gekauft werden. Durch den Hebel partizipiert ein Hebelzertifikat hierbei stärker von Kursschwankungen als der darunterliegende Basiswert.
Der Wert eines Hebel-Zertifikats berechnet sich aus dem Kurs eines Basiswerts und einem für das Zertifikat festgelegten Strike-Kurs: Wert = Kurs – Strike. Es existiert hierbei eine Knock-out-Grenze (Kurs = Strike), bei dem das Hebelzertifikat wertlos wird. Es existieren generell zwei Typen von Hebel-Zertifikaten:
- Partizipation an steigenden Kursen, diese werden auch als Bull- oder Long-Zertifikate bezeichnet.
- Partizipation an fallenden Kursen, diese werden auch als Bear- oder Short-Zertifikate bezeichnet.
Die allgemeine steuerliche Behandlung von Hebel-Zertifikaten entspricht jener von „Standard“-Zertifikaten (siehe Abschnitt 20.2.4.13). Hat der Gläubiger aufgrund der Überschreitung der Knock-out-Grenze keinen Anspruch mehr auf Zahlung eines Geldbetrages und wird das Zertifikat dadurch wertlos, liegen in Höhe der Anschaffungskosten negative Einkünfte aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 vor.
20.2.4.15.2 KESt-Abzug
Kapitalerträge aus der Veräußerung bzw. Einlösung von Hebel-Zertifikaten sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.
20.2.4.16 Ausländische Versicherungsprodukte
20.2.4.16.1 Allgemeines
Für die ertragsteuerliche Beurteilung von ausländischen Versicherungsprodukten, bei denen der Versicherungsnehmer einen gewissen Einfluss auf die Vermögenswerte des Deckungsstocks behält, stellt sich die Frage, ob dem Versicherungsnehmer angesichts seiner Dispositionsmöglichkeiten die (Kapital)Erträge aus den dem Deckungsstock zugehörigen Wertpapieren unmittelbar zuzurechnen sind.
20.2.4.16.2 Vergleichbarkeit mit inländischen Versicherungsprodukten
Bei ausländischen Versicherungsprodukten, die jenen Produkten vergleichbar sind, die auch inländische Versicherungsunternehmen unter der Bezeichnung als Versicherungen anbieten dürfen, kann davon ausgegangen werden, dass das Versicherungsunternehmen wirtschaftlicher Eigentümer der dem Deckungsstock zugehörigen Wertpapiere ist.
Welche Produkte im Inland konzessionierte Versicherungsunternehmen unter der Bezeichnung als Versicherungen anbieten dürfen, wird durch das Versicherungsaufsichtsgesetz und die dazu ergangenen Rundschreiben der FMA geregelt. Danach dürfen folgende Vertragstypen angeboten werden:
- Die klassische Lebensversicherung (Erlebensversicherung, Ablebensversicherung, Er- und Ablebensversicherung) zeichnet sich dadurch aus, dass das Versicherungsunternehmen dem Versicherungsnehmer bestimmte Leistungen garantiert, selbst das Kapitalanlagerisiko trägt und bei der Kapitalanlage an die Kapitalanlageverordnung der FMA gebunden ist. Innerhalb der Deckungsstockabteilung (§ 20 Abs. 2 Z 1 VAG) erfolgt keine Zuordnung einzelner Vermögenswerte zu bestimmten Versicherungsverträgen. Für die Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen kommt der gemäß Höchstzinssatzverordnung der FMA festgelegte Höchstzinssatz („Garantiezins“) zur Anwendung.
- Mit BGBl. I Nr. 22/2009 wurde die klassische Lebensversicherung um den Typus der kapitalanlageorientierten Lebensversicherung ergänzt. Dabei handelt es sich um eine spezifische Form der klassischen Lebensversicherung, für die es eine eigene Deckungsstockabteilung (§ 20 Abs. 2 Z 4a VAG) gibt, innerhalb der eine Zuordnung von Vermögenswerten zu Gruppen von Versicherungsverträgen (nicht aber für einzelne Versicherungsverträge) möglich ist. Hinsichtlich Garantiezins und Veranlagung nach der Kapitalanlageverordnung gelten allerdings dieselben Regelungen wie bei der klassischen Lebensversicherung.
- Bei der indexgebundenen Lebensversicherung (Deckungsstockabteilung § 20 Abs. 2 Z 4 VAG) wird die Höhe der Versicherungsleistung an die Entwicklung eines – für den Kunden jederzeit ohne außergewöhnlichen Aufwand ermittelbaren bzw. extern zugänglichen – Index bzw. Bezugswertes geknüpft. Das Versicherungsunternehmen trägt daher nicht das Kapitalanlagerisiko.
- Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung (Deckungsstockabteilung § 20 Abs. 2 Z 3 VAG) steht die Veranlagung in bestimmte Fonds im Vordergrund. Die Angabe der Kapitalanlagefonds, in die investiert wird, ist (notwendiger) Vertragsinhalt dieser Lebensversicherung. Den einzelnen Versicherungsverträgen werden konkrete und eindeutig identifizierbare Anteilsrechte zugeordnet, das Versicherungsunternehmen trägt nicht das Kapitalanlagerisiko. Zugelassen sind nur externe Fonds, dh. die Veranlagung in die verschiedenen Vermögenswerte darf nicht durch das Versicherungsunternehmen selbst erfolgen. Der Versicherungsnehmer kann typischerweise nach Vertragsabschluss zwischen den vom Versicherer angebotenen Investmentfonds wechseln und seine Fondsanteile ganz oder teilweise umschichten (Switch-Aufträge). Die Kapitalauszahlung kann auch durch Übertragung von Fondsanteilen erfolgen.
In der Praxis werden fonds- und indexgebundene Lebensversicherungen oft mit „Garantien“ verkauft. Solche „Garantien“ dürfen nicht vom Versicherungsunternehmen, sondern nur von Dritten abgegeben werden (das Versicherungsunternehmen darf höchstens das Ausfallsrisiko des Garantiegebers übernehmen).
Bei der index- und fondsgebundenen Lebensversicherung müssen folgende Voraussetzungen gemeinsam erfüllt sein:
- Risikoübernahme: Das Versicherungsunternehmen muss ein maßgebliches Risiko übernehmen. Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn im Ablebensfall ein Risikokapital von mindestens 5% der Deckungsrückstellung enthalten ist; diesfalls ist dies zB erfüllt, wenn 105% des aktuellen Werts des Deckungsstocks zur Auszahlung kommen. Bei erhöhten biometrischen Risiken (erhöhte Sterblichkeit) kann das Risikokapital grundsätzlich ein geringeres Ausmaß aufweisen, wobei die Höhe des Ausmaßes im konkreten Einzelfall zu ermitteln ist (VwGH 28.05.2013, 2008/17/0081).
- Tarif: Es muss ein Tarif gemäß § 18 Abs. 1 VAG im Sinne eines für einen größeren Personenkreis konzipierten Produkts gegeben sein und der FMA vorgelegt werden. Der Begriff „Tarif“ bringt zum Ausdruck, dass es beim Versicherungsgeschäft immer um eine Vielzahl gleich(artig)er Verträge geht, das Geschäft wird nach dem Gesetz der großen Zahl betrieben. Dies gilt für alle Lebensversicherungen, sodass „private insuring“ im Sinne einer für jeden Versicherungsvertrag völlig individuellen Veranlagungsstrategie (etwa bei einem Einmalerlag in Form einer Depotübertragung) daher nicht zulässig ist.
Die Vergleichbarkeitsprüfung für ausländische Versicherungsprodukte, bei denen der Versicherungsnehmer einen gewissen Einfluss auf die Vermögenswerte des Deckungsstocks behält, wird sich in der Regel an der fondsgebundenen Lebensversicherung orientieren. Aus den dargestellten Regelungen für diesen Vertragstyp ergibt sich, dass insbesondere folgende ausländische Produkte nicht mit inländischen Versicherungsprodukten vergleichbar sind:
- Produkte, bei denen tatsächlich kein Versicherungsrisiko übernommen wird, insbesondere Produkte, bei denen im Ablebensfall kein Risikokapital von mindestens 5% der Deckungsrückstellung enthalten ist (sofern dieser Wert nicht aufgrund eines im konkreten Fall vorhandenen biometrischen Risikos geringer ausfallen kann; siehe dazu Rz 6210a), sowie Produkte, bei denen der Versicherungsfall erst bei Ableben mehrerer Personen eintritt (sodass kein maßgebliches versicherungstechnisches Risiko besteht). Bei Rentenversicherungsverträgen kann das maßgebliche Risiko in der zugesagten, der Höhe nach bezifferten Rente liegen.
- Produkte, bei denen ein Einmalerlag in Form einer Depotübertragung möglich ist (im Sinne von „private insuring“).
- Produkte, bei denen für jeden Versicherungsvertrag eine völlig individuelle Veranlagungsstrategie besteht („private insuring“).
20.2.4.16.3 Wirtschaftliches Eigentum bei nicht vergleichbaren ausländischen Versicherungsprodukten
Bei ausländischen Versicherungsprodukten, die jenen Produkten nicht vergleichbar sind, die auch inländische Versicherungsunternehmen als Versicherungen anbieten dürfen, ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Kunde („Versicherungsnehmer“) über die dem Deckungsstock zugehörigen Wertpapiere (weiterhin) so weit reichend verfügen kann, dass ihm diese als Einkunftsquelle zuzurechnen sind. Dies ist jedenfalls gegeben, wenn der Kunde laufend Einfluss auf die Zusammensetzung der ihm zuzuordnenden Wertpapiere im Deckungsstock hat, indem er ohne Einschränkungen bestimmen kann, wann welche Wertpapiere ge- und verkauft werden. Ist die Einflussmöglichkeit des Kunden nicht derart eindeutig gegeben, sprechen folgende Indizien für eine Zurechnung zum Kunden:
- Der Kunde kann die Depotbank wählen.
- Der Kunde kann den für die Verwaltung von dem Deckungsstock zugehörigen Wertpapieren zuständigen Berater/Manager wählen.
- Die Wertpapiere des Deckungsstocks, die dem Kunden zugeordnet sind, werden einzeln verwahrt und verwaltet.
- Der Kunde kann die Veranlagungsstrategie nicht nur im Rahmen von bei Vertragsabschluss vordefinierten Investments (wie bei der fondsgebundenen Lebensversicherung) wählen, sondern sich während der Laufzeit auch für andere (bei Vertragsabschluss noch nicht spezifizierte) Investments entscheiden.
- Einmalerläge in Form von Depotübertragungen sind möglich.
- Die Kapitalauszahlung kann auch in Form einer Depot(rück)übertragung erfolgen.
Diese Indizien sind als ein bewegliches System zu verstehen, dh. für die wirtschaftliche Zurechnung zum Kunden ist das Gesamtbild der Verhältnisse maßgeblich. Es müssen daher nicht sämtliche der genannten Voraussetzungen erfüllt sein, sondern es genügt, dass das Gesamtbild dafür spricht, dass der Kunde über die im Deckungsstock befindlichen Wertpapiere verfügen kann. Dabei ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht bloß auf die rechtliche Gestaltung, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen.
20.2.4.16.4 Rechtsfolgen der Zurechnung des Deckungsstocks zum Kunden
Ergibt die unter Abschnitt 20.2.4.16.3 dargestellte Prüfung der wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis, dass die im Deckungsstock befindlichen Wertpapiere aus ertragsteuerlicher Sicht dem Kunden („Versicherungsnehmer“) zuzurechnen sind, sind auch die auf den Kunden entfallenden Einkünfte aus den ihm zugeordneten Wertpapieren des Deckungsstocks unmittelbar dem Kunden zuzurechnen und bei diesem zu besteuern. Im Falle eines unbeschränkt steuerpflichtigen Kunden, dem Wertpapiere des Deckungsstocks zugeordnet sind, die im Depot einer österreichischen Bank verwahrt werden, besteht daher nach Maßgabe der §§ 93 ff EStG 1988 Kapitalertragsteuerpflicht. Wird gemäß § 3 EU-QuStG festgestellt, dass der Kunde als wirtschaftlicher Eigentümer der Zinszahlungen seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU hat, ist EU-Quellensteuer einzubehalten.
20.2.4.16.5 Haftung der depotführenden Bank
Ist der Kapitalertragsteuerabzug zu Unrecht unterblieben, kann die Kapitalertragsteuer gemäß § 95 Abs. 5 Z 1 EStG 1988 ausnahmsweise auch dem Empfänger der Kapitalerträge vorgeschrieben werden. Es liegt daher grundsätzlich im Ermessen der Abgabenbehörde, die Kapitalertragsteuer dem Empfänger oder der zum Abzug verpflichteten depotführenden Bank vorzuschreiben.
Von der Vorschreibung der Kapitalertragsteuer an die depotführende Bank ist jedenfalls abzusehen, wenn das Versicherungsunternehmen gegenüber der depotführenden Bank eine schriftliche (Anleger-)Erklärung abgegeben hat, wonach
- das ausländische Versicherungsprodukt nach Abschnitt 20.2.4.16.2 österreichischen Versicherungsprodukten vergleichbar ist oder
- das Versicherungsunternehmen nach Abschnitt 20.2.4.16.3 die ausschließliche Dispositionsbefugnis über die am Depot befindlichen Investments hat und der Versicherungsnehmer weder rechtlich noch tatsächlich wie ein Eigentümer über die Veranlagung entscheiden kann.
Dies gilt nicht, wenn die depotführende Bank oder ein Unternehmen desselben Konzerns (§ 15 AktG) das ausländische Versicherungsprodukt vermittelt hat und die depotführende Bank wusste oder wissen musste, dass der Kunde („Versicherungsnehmer“) und nicht das Versicherungsunternehmen über die im Deckungsstock befindlichen Vermögenswerte verfügen kann (siehe Abschnitt 20.2.4.16.3). Ist dies der Fall, ist die Kapitalertragsteuer grundsätzlich der depotführenden Bank vorzuschreiben. Dies gilt sinngemäß auch für die EU-Quellensteuer.
20.2.4.16.6 Eigenständige Beurteilung für Zwecke der Versicherungssteuer
Während im Bereich der Ertragsteuern die wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgeblich ist, ist für das Versicherungssteuergesetz 1953 die zivilrechtliche Beurteilung maßgeblich. Liegt daher aus zivilrechtlicher Sicht eine Versicherung vor, dh. unterliegt der Vertrag dem Versicherungsvertragsgesetz 1958, kann – ungeachtet der ertragsteuerlichen Beurteilung – auch Versicherungssteuer nach dem Versicherungssteuergesetz 1953 anfallen. Davon betroffen können ausländische Versicherungsprodukte sein, bei denen
- es sich um „private insuring“ handelt (und die somit von inländischen Versicherungsunternehmen nicht als Versicherung angeboten werden dürfen),
- die nach Abschnitt 20.2.4.16.3 vorzunehmende Prüfung für eine Zurechnung des Deckungsstocks zum Kunden spricht,
- aber trotzdem ein Versicherungsrisiko übernommen wird (und es sich somit zivilrechtlich um eine Versicherung handelt).
20.2.4.16.7 Anwendungszeitraum
Die hier dargestellten Grundsätze sind in allen offenen Verfahren anzuwenden. Von einer Vorschreibung der Kapitalertragsteuer an die depotführende Bank ist bei Depots, die von ausländischen Versicherungsunternehmen vor dem 1.7.2010 begründet wurden bzw. die vor dem 1.7.2010 auf ausländische Versicherungsunternehmen übertragen wurden, abzusehen. Dies gilt nicht, wenn die depotführende Bank oder ein Unternehmen desselben Konzerns (§ 15 AktG) das ausländische Versicherungsprodukt vermittelt hat und die depotführende Bank wusste oder wissen musste, dass der Kunde („Versicherungsnehmer“) und nicht das Versicherungsunternehmen über die im Deckungsstock befindlichen Vermögenswerte verfügen kann (siehe Abschnitt 20.2.4.16.3).
20.2.4.16.8 KESt-Abzug
Werden die im Deckungsstock befindlichen Wertpapiere aus ertragsteuerlicher Sicht dem Versicherungsnehmer zugerechnet, sind auch die auf ihn entfallenden Einkünfte aus diesen Wertpapieren des Deckungsstocks unmittelbar ihm zuzurechnen und bei ihm zu besteuern.
Handelt es sich dabei um Einkünfte aus der Überlassung von Kapital im Sinne des § 27 Abs. 2 EStG 1988, ist bei Vorliegen inländischer Einkünfte gemäß § 93 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 der Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen. Abzugsverpflichteter ist dabei – neben dem Schuldner der Kapitalerträge bei inländischen Dividenden (§ 95 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988) – die auszahlende Stelle gemäß § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988.
Werden Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen und aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 erzielt, ist bei Vorliegen inländischer Einkünfte gemäß § 93 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 der Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen. Abzugsverpflichteter ist dabei die inländische depotführende Stelle oder bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988 die inländische auszahlende Stelle.
20.2.4.16.3 Wirtschaftliches Eigentum bei nicht vergleichbaren ausländischen Versicherungsprodukten
Bei ausländischen Versicherungsprodukten, die jenen Produkten nicht vergleichbar sind, die auch inländische Versicherungsunternehmen als Versicherungen anbieten dürfen, ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Kunde („Versicherungsnehmer“) über die dem Deckungsstock zugehörigen Wertpapiere (weiterhin) so weit reichend verfügen kann, dass ihm diese als Einkunftsquelle zuzurechnen sind. Dies ist jedenfalls gegeben, wenn der Kunde laufend Einfluss auf die Zusammensetzung der ihm zuzuordnenden Wertpapiere im Deckungsstock hat, indem er ohne Einschränkungen bestimmen kann, wann welche Wertpapiere ge- und verkauft werden. Ist die Einflussmöglichkeit des Kunden nicht derart eindeutig gegeben, sprechen folgende Indizien für eine Zurechnung zum Kunden:
- Der Kunde kann die Depotbank wählen.
- Der Kunde kann den für die Verwaltung von dem Deckungsstock zugehörigen Wertpapieren zuständigen Berater/Manager wählen.
- Die Wertpapiere des Deckungsstocks, die dem Kunden zugeordnet sind, werden einzeln verwahrt und verwaltet.
- Der Kunde kann die Veranlagungsstrategie nicht nur im Rahmen von bei Vertragsabschluss vordefinierten Investments (wie bei der fondsgebundenen Lebensversicherung) wählen, sondern sich während der Laufzeit auch für andere (bei Vertragsabschluss noch nicht spezifizierte) Investments entscheiden.
- Einmalerläge in Form von Depotübertragungen sind möglich.
- Die Kapitalauszahlung kann auch in Form einer Depot(rück)übertragung erfolgen.
Diese Indizien sind als ein bewegliches System zu verstehen, dh. für die wirtschaftliche Zurechnung zum Kunden ist das Gesamtbild der Verhältnisse maßgeblich. Es müssen daher nicht sämtliche der genannten Voraussetzungen erfüllt sein, sondern es genügt, dass das Gesamtbild dafür spricht, dass der Kunde über die im Deckungsstock befindlichen Wertpapiere verfügen kann. Dabei ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht bloß auf die rechtliche Gestaltung, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen.
20.2.4.16.4 Rechtsfolgen der Zurechnung des Deckungsstocks zum Kunden
Ergibt die unter Abschnitt 20.2.4.16.3 dargestellte Prüfung der wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis, dass die im Deckungsstock befindlichen Wertpapiere aus ertragsteuerlicher Sicht dem Kunden („Versicherungsnehmer“) zuzurechnen sind, sind auch die auf den Kunden entfallenden Einkünfte aus den ihm zugeordneten Wertpapieren des Deckungsstocks unmittelbar dem Kunden zuzurechnen und bei diesem zu besteuern. Im Falle eines unbeschränkt steuerpflichtigen Kunden, dem Wertpapiere des Deckungsstocks zugeordnet sind, die im Depot einer österreichischen Bank verwahrt werden, besteht daher nach Maßgabe der §§ 93 ff EStG 1988 Kapitalertragsteuerpflicht. Wird gemäß § 3 EU-QuStG festgestellt, dass der Kunde als wirtschaftlicher Eigentümer der Zinszahlungen seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU hat, ist EU-Quellensteuer einzubehalten.
20.2.4.16.5 Haftung der depotführenden Bank
Ist der Kapitalertragsteuerabzug zu Unrecht unterblieben, kann die Kapitalertragsteuer gemäß § 95 Abs. 5 Z 1 EStG 1988 ausnahmsweise auch dem Empfänger der Kapitalerträge vorgeschrieben werden. Es liegt daher grundsätzlich im Ermessen der Abgabenbehörde, die Kapitalertragsteuer dem Empfänger oder der zum Abzug verpflichteten depotführenden Bank vorzuschreiben.
Von der Vorschreibung der Kapitalertragsteuer an die depotführende Bank ist jedenfalls abzusehen, wenn das Versicherungsunternehmen gegenüber der depotführenden Bank eine schriftliche (Anleger-)Erklärung abgegeben hat, wonach
- das ausländische Versicherungsprodukt nach Abschnitt 20.2.4.16.2 österreichischen Versicherungsprodukten vergleichbar ist oder
- das Versicherungsunternehmen nach Abschnitt 20.2.4.16.3 die ausschließliche Dispositionsbefugnis über die am Depot befindlichen Investments hat und der Versicherungsnehmer weder rechtlich noch tatsächlich wie ein Eigentümer über die Veranlagung entscheiden kann.
Dies gilt nicht, wenn die depotführende Bank oder ein Unternehmen desselben Konzerns (§ 15 AktG) das ausländische Versicherungsprodukt vermittelt hat und die depotführende Bank wusste oder wissen musste, dass der Kunde („Versicherungsnehmer“) und nicht das Versicherungsunternehmen über die im Deckungsstock befindlichen Vermögenswerte verfügen kann (siehe Abschnitt 20.2.4.16.3). Ist dies der Fall, ist die Kapitalertragsteuer grundsätzlich der depotführenden Bank vorzuschreiben. Dies gilt sinngemäß auch für die EU-Quellensteuer.
20.2.4.16.6 Eigenständige Beurteilung für Zwecke der Versicherungssteuer
Während im Bereich der Ertragsteuern die wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgeblich ist, ist für das Versicherungssteuergesetz 1953 die zivilrechtliche Beurteilung maßgeblich. Liegt daher aus zivilrechtlicher Sicht eine Versicherung vor, dh. unterliegt der Vertrag dem Versicherungsvertragsgesetz 1958, kann – ungeachtet der ertragsteuerlichen Beurteilung – auch Versicherungssteuer nach dem Versicherungssteuergesetz 1953 anfallen. Davon betroffen können ausländische Versicherungsprodukte sein, bei denen
- es sich um „private insuring“ handelt (und die somit von inländischen Versicherungsunternehmen nicht als Versicherung angeboten werden dürfen),
- die nach Abschnitt 20.2.4.16.3 vorzunehmende Prüfung für eine Zurechnung des Deckungsstocks zum Kunden spricht,
- aber trotzdem ein Versicherungsrisiko übernommen wird (und es sich somit zivilrechtlich um eine Versicherung handelt).
20.2.4.16.7 Anwendungszeitraum
Die hier dargestellten Grundsätze sind in allen offenen Verfahren anzuwenden. Von einer Vorschreibung der Kapitalertragsteuer an die depotführende Bank ist bei Depots, die von ausländischen Versicherungsunternehmen vor dem 1.7.2010 begründet wurden bzw. die vor dem 1.7.2010 auf ausländische Versicherungsunternehmen übertragen wurden, abzusehen. Dies gilt nicht, wenn die depotführende Bank oder ein Unternehmen desselben Konzerns (§ 15 AktG) das ausländische Versicherungsprodukt vermittelt hat und die depotführende Bank wusste oder wissen musste, dass der Kunde („Versicherungsnehmer“) und nicht das Versicherungsunternehmen über die im Deckungsstock befindlichen Vermögenswerte verfügen kann (siehe Abschnitt 20.2.4.16.3).
20.2.4.16.8 KESt-Abzug
Werden die im Deckungsstock befindlichen Wertpapiere aus ertragsteuerlicher Sicht dem Versicherungsnehmer zugerechnet, sind auch die auf ihn entfallenden Einkünfte aus diesen Wertpapieren des Deckungsstocks unmittelbar ihm zuzurechnen und bei ihm zu besteuern.
Handelt es sich dabei um Einkünfte aus der Überlassung von Kapital im Sinne des § 27 Abs. 2 EStG 1988, ist bei Vorliegen inländischer Einkünfte gemäß § 93 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 der Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen. Abzugsverpflichteter ist dabei – neben dem Schuldner der Kapitalerträge bei inländischen Dividenden (§ 95 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988) – die auszahlende Stelle gemäß § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988.
Werden Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen und aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 erzielt, ist bei Vorliegen inländischer Einkünfte gemäß § 93 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 der Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen. Abzugsverpflichteter ist dabei die inländische depotführende Stelle oder bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988 die inländische auszahlende Stelle.