20.2.5 Befreiungen
20.2.5.1 Genussscheine und junge Aktien
Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 ist die Möglichkeit des Sonderausgabenabzugs für Ausgaben natürlicher Personen für die Anschaffung von Genussscheinen im Sinne des § 6 des Beteiligungsfondsgesetzes und für die Erstanschaffung junger Aktien bestimmter Aktiengesellschaften abgeschafft worden. Der Sonderausgabenabzug ist gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 nur mehr für Anschaffungen vor dem 1.1.2011 möglich.
In Ergänzung dazu sieht das neue Besteuerungsregime für Kapitaleinkünfte auch keine Steuerbefreiung von Ausschüttungen aus den genannten Genussscheinen und von Gewinnanteilen aus jungen Aktien mehr vor, soweit es sich um Neuvermögen handelt (vgl. bisher § 27 Abs. 3 Z 1 und 2 EStG 1988 idF vor dem BBG 2011). Für Altvermögen, dessen Anschaffung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 idF vor dem BBG 2011 sonderausgabenbegünstigt war, gilt die Befreiung weiter (§ 124b Z 183 EStG 1988).
20.2.5.2 Ausschüttungen aus Aktien und aus Genussrechten von Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften
Mit dem Mittelstandsfinanzierungsgesellschaftengesetz 2017 (MiFiG-Gesetz 2017), BGBl. I Nr. 106/2017, wurde ein neues Regime für Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften geschaffen, das sich im Grundsatz am ausgelaufenen Regime für Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften orientieren soll. Da das MiFiG-Gesetz 2017 als Rechtsgrundlage für Risikokapitalbeihilfen der EU-beihilferechtlichen Mitteilungspflicht an die Europäische Kommission unterliegt (Notifizierungspflicht), tritt es – sowie auch § 27 Abs. 7 EStG 1988 – erst nach EU-beihilferechtlicher Nichtuntersagung der mitteilungspflichtigen Regelungen durch die Europäische Kommission in Kraft.
Ausschüttungen aus Aktien und aus Genussrechten an natürliche Personen, die von Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften im Sinne des § 6b Abs. 1 KStG 1988 idF MiFiGG 2017 ausgegeben wurden, sind gemäß § 27 Abs. 7 EStG 1988 bis zu einer Höhe von 15.000 Euro pro Kalenderjahr steuerfrei. Die Steuerbefreiung gilt nicht für im Betriebsvermögen gehaltene Anteile. Die Steuerbefreiung erfolgt im Rahmen der Veranlagung durch Anrechnung beziehungsweise Erstattung der Kapitalertragsteuer.
Die Befreiung ist nur zu gewähren, wenn die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft im Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses auf der zuletzt veröffentlichten Liste der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften genannt ist. Wird der Beschluss über eine Ausschüttung beispielsweise am 1.5.X1 gefasst, ist für die Gewährung der Befreiung des Investors im Rahmen seiner Veranlagung für das Kalenderjahr X1 entscheidend, ob die Gesellschaft zum 1.5.X1 auf der zuletzt veröffentlichten Liste geführt wird; je nach Zeitpunkt der Veröffentlichung der Jahresliste wird das die Liste für das das Jahr X0 oder X1 sein. Das exakte Datum der Veröffentlichung ist gemäß § 6b Abs. 5 KStG 1988 auf der Liste anzugeben.
20.2.5.3 Tilgungsträger für fremdfinanzierte Wohnraumschaffung
Als Tilgungsträger werden verschiedenste Formen von Kapitalanlagen bezeichnet, die zur Tilgung eines endfälligen Kredites angespart werden. Dabei werden nur die anfallenden Zinsen laufend beglichen, während zur Tilgung des endfälligen Kredites langfristige Veranlagungsprodukte – als Tilgungsträger oder Tilgungsersatzmittel bezeichnet – angespart werden.
Um die aufgrund der Steuerpflicht der Tilgungsträgergewinne entstehende Finanzierungslücke zu verhindern, ist eine antragsgebundene Ausnahme von der Besteuerung von realisierten Wertsteigerungen aus Kapitalvermögen und Derivaten (inklusive einer allfälligen Fremdwährungskomponente) vorgesehen. Unter den angeführten Voraussetzungen steht die Befreiung auch für Teilrealisierungen zu. Die Befreiung kommt bei nach § 30 EStG 1988 zu erfassenden Veräußerungsgewinnen aus Neuvermögen nicht zur Anwendung.
Erfasst werden ausschließlich Kapitalprodukte im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988, die im Rahmen eines vor dem 1.11.2010 abgeschlossenen Tilgungsplanes angeschafft worden sind. Unter Tilgungsplan ist der mit dem Kreditinstitut abgestimmte Ansparplan für den Tilgungsträgeraufbau, in dem nicht die laufenden Rückzahlungen an den Kreditgeber, sondern die laufenden Sparbeträge und die Art der anzuschaffenden Wertpapiere angeführt werden, zu verstehen. Erfolgt der Aufbau des Tilgungsträgers nicht durch laufende Ansparvorgänge, sondern durch eine Einmalzahlung, ändert dies nichts an der Anschaffung im Rahmen eines Tilgungsplanes.
Der Tilgungsplan muss nachweislich im Zusammenhang mit einem Darlehen stehen, womit ausschließlich endfällige Tilgungsträgerkredite erfasst werden. Der freiwillige und ohne vertragliche Vereinbarung mit dem Kreditinstitut vorgenommene Aufbau von Tilgungsträgern zur Tilgung endfälliger Kredite ist von der Befreiungsbestimmung nicht erfasst. Dabei handelt es sich um Maßnahmen der privaten Vermögensbildung, die jedenfalls nicht im Rahmen eines abgeschlossenen Tilgungsplanes vorgenommen werden.
Künftige inhaltliche Abänderungen des vor dem 1.11.2010 abgeschlossenen Tilgungsplanes müssen vom damals abgeschlossenen Kreditvertrag sowie den Tilgungs- oder Ansparbedingungen als Bestandteil des Kreditvertrags gedeckt sein. Sehen somit die Kreditbedingungen die Möglichkeit einer Umschichtung des Tilgungsträgers vor – etwa weil die Wertentwicklung nicht den Prognosen entspricht oder weil der bereits erzielte Gewinn abgesichert werden soll -, ist eine solche Änderung für die Befreiung nicht schädlich. Sind hingegen im ursprünglichen Kreditvertrag solche Umschichtungen nicht vorgesehen, führen später im Einvernehmen zwischen Kreditinstitut und Kreditnehmer vorgenommene Änderungen zur Versagung der Befreiung. Findet eine Umschuldung unter Wechsel des Kreditinstitutes statt, steht die Befreiung nur dann weiterhin zu, wenn der Tilgungsträger sowie die Tilgungsplankonditionen unverändert übernommen werden.
Der Tilgungsplan muss im Zusammenhang mit einem Kredit stehen, das dem Erwerb eines Eigenheimes, der Wohnraumschaffung oder Wohnraumsanierung im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 dient. Der Verweis auf die Bestimmung über den Sonderausgabenabzug dient lediglich dazu, die Begriffe des Eigenheimes, der Wohnraumschaffung und der Wohnraumsanierung abzugrenzen und ist nur als programmatische Ausrichtung zu verstehen. Aufgrund des unterschiedlichen Anwendungsbereiches soll die Befreiung daher nicht nur ausschließlich dann zustehen, wenn auch der entsprechende Sonderausgabenabzug möglich wäre.
Der Erwerb eines Eigenheimes umfasst jene Fälle, in denen Wohnraum samt Grund und Boden erworben wird. Aufgrund des Verweises auf § 18 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 ist ein weiter Eigenheimbegriff der Befreiungsbestimmung anzunehmen, womit etwa auch Eigentumswohnungen darunter fallen. Die Definition des Eigenheimes und der Eigentumswohnung ist dabei durch § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 vorgegeben, womit die Einschränkung bezüglich der Größe und Nutzungsart zum Tragen kommen. Wird hingegen nur Grund und Boden erworben (= ein Vorgang, der grundsätzlich von § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 erfasst ist), fällt dies nicht unter den Eigenheimbegriff der Befreiungsbestimmung. Zulässig ist allerdings die Anschaffung mehrerer Objekte.
Die Wohnraumschaffung umfasst jene Fälle, in denen Wohnraum neu errichtet wird. Unter Wohnraum sind ebenso wie beim Erwerb sowohl Eigenheime als auch Eigentumswohnungen zu verstehen, womit die zuvor genannten Einschränkungen ebenso zur Anwendung kommen. Auch hier können mehrere Objekte errichtet werden. Anders als beim Erwerb eines Eigenheimes ist zudem im Zuge einer geplanten Wohnraumschaffung auch der vorbereitende Erwerb von Grund und Boden von der Befreiung erfasst.
Die Wohnraumsanierung entspricht weitgehend der Bestimmung des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988 (siehe dazu LStR 2002 Rz 522 ff).
Der Kredit muss zudem den genannten Zwecken dienen, wobei es allerdings unschädlich ist, wenn nicht die gesamte Kreditsumme ausschließlich dafür aufgewendet wird. Werden beispielweise neben einer Eigentumswohnung auch Einrichtungsgegenstände wie etwa Möbel mit dem gleichen Kredit angeschafft, kann solange weiterhin von einer den begünstigten Zwecken dienenden Kreditaufnahme ausgegangen werden, als der weit überwiegende Teil (mindestens 80%) der Kreditsumme dazu verwendet wird.
Wird ein ursprünglich erworbenes Eigenheim, zB durch Vermietung, später nicht mehr als Eigenheim genutzt, so ist die für die Inanspruchnahme der Befreiung schädlich. Es muss über die gesamte Laufzeit ein Eigenheim vorliegen.
Die Befreiung steht nur zu, soweit die Darlehensvaluta den Betrag von 200.000 Euro nicht übersteigt. Unter Darlehensvaluta ist der Gesamtkreditbetrag im Sinne des § 2 Abs. 10 Verbraucherkreditgesetz zu verstehen, somit die Summe aller Beträge, die vom Kreditgeber aus einem bestimmten Kreditvertrag zur Verfügung gestellt werden. Bei einem Fremdwährungskredit ist für die Umrechnung in Euro der Währungskurs im Zeitpunkt des Kreditvertragsabschlusses heranzuziehen.
Die angegebene Höhe des Gesamtkreditbetrages ist allerdings nicht als Ausschlussgrenze – somit nicht im Sinne einer Freigrenze – zu verstehen. Kredite mit einem Gesamtkreditbetrag von über 200.000 Euro schließen damit nicht die gesamte Befreiung aus. Diese steht dann nur noch anteilig, im Verhältnis der 200.000 Euro zur Gesamtkreditbetragssumme zu.
Diese Grenze ist auch nicht als personen-, sondern als kredit- und zusätzlich als objektbezogene Einschränkung zu verstehen. Hat ein Steuerpflichtiger somit mehrere, alle sonstigen notwendigen Voraussetzungen erfüllende Tilgungsträgerkredite für ein Objekt abgeschlossen, kann er die Befreiung für dieses Objekt bis zur 200.000 Euro-Grenze in Anspruch nehmen. Werden mehrere Objekte angeschafft, errichtet oder saniert, steht die Befreiung für jedes Objekt bis zur 200.000 Euro-Grenze zu. Errichten mehrere Personen gemeinsam ein Objekt und nehmen sie daher gesondert oder gemeinsam einen Tilgungsträgerkredit für dieses Objekt auf, steht die 200.000 Euro-Grenze für jede Person zu.
Die steuerpflichtigen Wertsteigerungen des Tilgungsträgers bleiben auf Antrag des Steuerpflichtigen steuerfrei. Es handelt sich somit nicht um eine automatische Befreiung, sondern um eine antragsgebundene, wobei der Antrag in der Veranlagung geltend zu machen ist.
20.2.5.4 Steuerliche Behandlung von Wohnbaubanken und Wohnbauwertpapieren
20.2.5.4.1 Wohnbaubanken
Als Wohnbaubanken im Sinne des Bundesgesetzes über steuerliche Sondermaßnahmen zur Förderung des Wohnbaus, BGBl. Nr. 253/1993 idF BGBl. Nr. 680/1994 (StWbFG), zuletzt novelliert durch BGBl. I Nr. 162/2001 (WRN 2002), gelten gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 lit. a Kreditinstitute im Sinne des § 1 Bankwesengesetz (BWG), deren überwiegender satzungsmäßiger und tatsächlicher Unternehmensschwerpunkt die Finanzierung von Wohnbauten ist.
Der Unternehmensschwerpunkt einer Wohnbaubank ist die Finanzierung von Wohnbauten im weiteren Sinne, wenn sie die ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu mindestens 65% in diesem Bereich einsetzt. Dieses Mindesterfordernis ist bei Neugründung oder Umwandlung eines bestehenden Unternehmens in eine Wohnbaubank bis zum Ablauf des dritten auf das Jahr der Gründung oder Umwandlung folgenden Wirtschaftsjahres zu erfüllen.
Was als Wohnbau im engeren Sinn anzusehen ist, ist nach den Grundsätzen des § 7 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) zu beurteilen. Darunter fallen neben der Errichtung von Wohnungen, Eigenheimen und Heimen auch die Errichtung von damit verbundenen Geschäftsräumen, Garagen und Gemeinschaftseinrichtungen, die Übernahme von aus öffentlichen Mitteln geförderten Aufgaben der Wohnhaussanierung, von Maßnahmen der Stadt- und Dorferneuerung, von Assanierungen und Aufgaben nach dem Stadterneuerungsgesetz sowie der Erwerb von Grundstücken zur Errichtung von Wohnbauten (§ 7 Abs. 3 Z 1 bis 6a WGG). Daneben können auch der erste Erwerb einer Eigentumswohnung vom Bauträger, der aus Eigenmitteln des Wohnungswerbers zu leistende Baukostenzuschuss bei Erwerb einer Genossenschaftswohnung, aber auch nicht durch öffentliche Mittel geförderte Erhaltungs- und Verbesserungsmaßnahmen in Wohnungen und überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden finanziert werden.
20.2.5.4.2 Wohnbauaktien und Wohnbau-Wandelschuldverschreibungen
Das StWbFG begünstigt Kapitalerträge aus Aktien und auch von Wandelschuldverschreibungen, die von Wohnbaubanken emittiert werden und die ein Wandelungsrecht in Aktien der Wohnbaubank selbst oder – nach den handelsrechtlichen Möglichkeiten – in Aktien von Bauträgern im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 StWbFG vorsehen.
Gehören Kapitalerträge aus solchen Wohnbauaktien und Wohnbau-Wandelschuldverschreibungen, die von Wohnbaubanken im Sinne des § 1 Abs. 2 StWbFG ausgegeben worden sind, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, gilt für die Zeit der Hinterlegung dieser Wertpapiere bei einem inländischen Kreditinstitut Folgendes:
- Die Kapitalerträge sind im Ausmaß bis zu 4% des Nennbetrages der Aktien, Wandelschuldverschreibungen und Partizipationsrechte steuerfrei; dabei hat auch kein Kapitalertragsteuerabzug stattzufinden.
- Für darüber hinausgehende Kapitalerträge gilt die in § 97 EStG 1988 vorgesehene Abgeltungswirkung bei Vornahme des Kapitalertragsteuerabzugs.
Da anders als bei der bis zum Budgetbegleitgesetz 2011 vorgesehenen Steuerbefreiung für Genussscheine und junge Aktien keine Verknüpfung zwischen der Steuerbefreiung und dem Sonderausgabenabzug gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 idF vor BBG 2011 besteht, ändert sich nichts durch den Wegfall der Möglichkeit des Sonderausgabenabzugs. Die Dividende ist daher auch dann weiterhin im erwähnten Ausmaß steuerfrei, wenn keine Möglichkeit des Sonderausgabenabzugs besteht, somit auch dann, wenn die Wohnbauaktie von einem Vorbesitzer erworben wurde oder in früheren Veranlagungszeiträumen im Sonderausgabenhöchstbetrag nicht mehr Deckung gefunden hat. Voraussetzung für die teilweise Steuerfreiheit der Dividendenausschüttungen ist lediglich die Hinterlegung der Aktie auf einem Depot.
Die Befreiung gilt auch für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften iSd § 1 Abs. 3 Z 2 und 3 KStG 1988.
Die Befreiung erstreckt sich auch auf die in Veräußerungserlösen enthaltenen Stückzinsen.
Einkünfte aus Nullkupon-Wohnbauanleihen gehören jedoch aufgrund der gesetzlichen Definition gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 zu den steuerpflichtigen Kapitalerträgen.
Nach dem Wortlaut des StWbFG sind neben Aktien und Wandelschuldverschreibungen von Wohnbaubanken auch Partizipationsrechte im Sinne des Bankwesengesetzes begünstigt. § 23 BWG idF BGBl. I Nr. 160/2013, welcher die Partizipationsrechte regelt, trat jedoch in Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen („CRD IV“) mit 1.1.2014 außer Kraft.
Für Partizipationsrechte und Wandelschuldverschreibungen, welche ein Wandlungsrecht auf Partizipationsrechte verbriefen, die bis zum 31.12.2013 ausgegeben wurden, gilt auch noch nach dem 1.1.2014 unverändert die Steuerbegünstigung im Sinne des § 2 Z 1 StWbFG, sofern die Kapitalerträge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören.
Darüber hinaus spricht auch nach Außerkrafttreten des § 23 BWG idF BGBl. I Nr. 160/2013 jedenfalls nichts dagegen, die Steuerbegünstigung des § 2 Z 1 StWbFG (in sinngemäßer Anwendung der bisher vom BMF vertretenen Rechtsansicht im Erlass des BMF vom 6.6.2002, 06 0950/1-IV/6/02) auch für Erträge von Wandelschuldverschreibungen, die eine mindestens zehnjährige Laufzeit aufweisen, ab dem zweiten Jahr der Laufzeit zumindest einmal jährlich die Ausübung des Wandlungsrechts zulassen und deren Umtauschverhältnis von zumindest 10:1 zur Wandlung in eines der folgenden Instrumente berechtigten:
- Aktien
- Kapitalanteile ohne Stimmrecht iSd § 26a BWG idF BGBl. I Nr. 184/2013
- Genussrechte, die keine Kapitalanteile ohne Stimmrecht iSd § 26a BWG idF BGBl. I Nr. 184/2013 sind, die den gemäß StWbFG steuerbegünstigten Produkten wirtschaftlich nahekommen; Jedenfalls muss es sich aus steuerlicher Sicht um Substanzgenussrechte handeln.
Die Verzinsung der Wandelschuldverschreibungen kann auch weiterhin frei vereinbart werden. Das Recht der Kündigung muss jedoch sowohl für die Wohnbaubank als auch für den Zeichner für die Dauer der Mindestlaufzeit ausgeschlossen sein.
20.2.5.4.3 Verwendung des Emissionserlöses durch die Wohnbaubank
Der Erlös aus jeder einzelnen Emission muss von der Bank bis zum Ablauf des dritten auf das Jahr der Emission folgenden Wirtschaftsjahres zur Finanzierung des Wohnbaus im Sinne des § 7 WGG bzw. § 1 Abs. 2 des StWbFG (Wohnbau im engeren Sinn) tatsächlich eingesetzt werden. Dieses Erfordernis ist erreicht, wenn der Emissionserlös bis zu diesem Zeitpunkt den Kreditnehmern zu mindestens 80% zugezählt ist.
Rücklaufende Gelder sind revolvierend wieder zur Wohnbaufinanzierung einzusetzen, sodass zumindest 80% des durchschnittlichen Emissionserlöses widmungsgemäß verwendet sind. Die Einhaltung dieses Erfordernisses ist an Hand der Stände zum jeweiligen Bilanzstichtag zu beurteilen. Dabei sind Kreditausfälle zu berücksichtigen. Diese gelten als bestimmungsgemäß verwendet.
20.2.5.4.4 Geschäftsabwicklung
Die im Wohnbaufinanzierungsgeschäft im engeren Sinn abgeschlossenen zivilrechtlichen Darlehens- und Kreditverträge müssen so gestaltet werden, dass der Vertragspartner der Wohnbaubank verpflichtet wird, die ihm zur Verfügung gestellten Mittel den Bestimmungen des StWbFG entsprechend zu verwenden. Dies betrifft vor allem die Art der zu errichtenden Bauten und die Preisbildung im Vermietungsfall. Wird der Ankauf von Grundstücken finanziert, ist sicherzustellen, dass auf dem Grundstück innerhalb von drei Jahren nach dem Ankauf ein Wohnbau im engeren Sinn errichtet wird. Für den Fall der Verletzung dieser Auflagen ist die sofortige Fälligstellung der Kreditmittel vorzusehen.
Wohnbaubanken können sich bei der Durchführung ihrer Finanzierungsaufgaben anderer Banken als Erfüllungsgehilfen bedienen. Das bedeutet, dass sie das Finanzierungsgeschäft nicht direkt mit dem Bauträger bzw. Kreditwerber abschließen müssen, sondern die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel auch anderen Banken mit der Auflage zur Verfügung stellen können, dass diese sie zur Finanzierung von Wohnbauten im engeren Sinn verwenden. Dieses indirekte Finanzierungsgeschäft kann in der Form abgewickelt werden, dass die Partnerbank lediglich als Vermittler oder Erfüllungsgehilfe (Treuhänder) der Wohnbaubank auftritt. Es kann aber auch durch Widmungseinlagen, Refinanzierungskredite und ähnliche Instrumente erfolgen, bei denen der Partnerbank ein bestimmtes Geldvolumen auf eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellt wird, das diese durch Vergabe von Krediten und Darlehen auf eigene Rechnung und Gefahr verwenden kann. Die Partnerbank hat für solche durch Widmungseinlagen finanzierte Kredite und Darlehen eine eigene gesonderte Kennzeichnung vorzusehen. Jedenfalls muss durch zivilrechtliche Vereinbarungen sichergestellt werden, dass die Mittel den Bestimmungen des StWbFG entsprechend eingesetzt werden. Im Falle von Widmungseinlagen, Refinanzierungskrediten usw. müssen damit die die Wohnbaubank treffenden Auflagen hinsichtlich des von ihr zur Verfügung gestellten Geldvolumens auf die Partnerbank übergehen.
Bei Wohnbaubanken und jenen Kreditinstituten, die von Wohnbaubanken Widmungseinlagen, Refinanzierungskredite usw. erhalten haben, gilt für den aushaftenden Stand an begünstigten Finanzierungen der jeweilige Plansaldo der Hypothekardarlehen – das ist der dem aktuell gültigen Tilgungsplan zugrunde liegende Stand.
Die Tätigkeit der Wohnbaubanken ist auf die Förderung der Errichtung, Erhaltung und nützlichen Verbesserung von Wohnungen und überwiegend zu Wohnzwecken bestimmten Gebäuden auszurichten. Die Finanzierung von bereits laufenden Bauvorhaben oder die Umschuldung bei bereits errichteten aber noch nicht ausfinanzierten Projekten ist daher nicht als Finanzierung des Wohnbaus im Sinne des StWbFG anzusehen. Nicht von dieser Einschränkung betroffen sind die Umschuldung vor Zuzählung von sonstigen Finanzierungsmitteln, die Umschuldung von Zwischenfinanzierungen oder der Ersatz von Eigenmitteln in der Bauphase und der Eintritt der Wohnungseigentümer in ein ursprünglich dem Bauträger oder Wohnungserwerber gewährtes Globaldarlehen, soweit objektbezogen Identität des Wohnbaudarlehens gegeben ist. Nach Tilgung einer Emission kann der bestehende Darlehensblock bzw. die Widmungseinlage usw. durch eine begünstigte Neuemission refinanziert werden.
20.3 Besonderer Steuersatz
20.3.1 Allgemeines
Mit dem BBG 2011 wurde die Anwendung des besonderen Steuersatzes von 25% auf Kapitaleinkünfte, unabhängig davon, ob im Abzugsweg oder im Zuge der Veranlagung erhoben, vorgesehen. Dies machte die bis dahin geltenden entsprechenden Regelungen des § 37 Abs. 8 und des § 93 EStG 1988 in der Fassung vor dem BBG 2011 obsolet. Ausnahmen vom besonderen Steuersatz enthält § 27a Abs. 2 EStG 1988 (siehe Abschnitt 20.3.3).
Der zweite Halbsatz des § 27a Abs. 1 EStG 1988 übernahm den Inhalt des bis zum BBG 2011 geltenden § 97 Abs. 3 EStG 1988: Mit dem besonderen Steuersatz besteuerte Einkünfte sind weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte, noch beim Einkommen zu berücksichtigen, das bedeutet, dass es – unabhängig von der Erhebungsform – bei der Besteuerung mit 25% bleibt. Diese „Abgeltungswirkung“ der 25%-Besteuerung ergibt sich daher schon direkt aus § 27a EStG 1988; die in § 97 EStG 1988 vorgesehene „Steuerabgeltung“ hat daher gegenüber der Rechtslage vor dem BBG 2011 nur mehr für die Frage Bedeutung, ob Kapitaleinkünfte, bei denen Kapitalertragsteuer abgezogen wurde, in die Veranlagung (zum besonderen Steuersatz) aufzunehmen sind (siehe Abschnitt 20.5.1). Die Formulierung wurde insoweit präzisiert, als nun im Falle der Regelbesteuerung ausdrücklich auch die an sich endbesteuerungsfähigen Kapitalerträge zum Gesamtbetrag der Einkünfte und zum Einkommen zählen. Dies entspricht einerseits der tatsächlichen Steuerberechnung unter Einbeziehung dieser Einkünfte und stellt andererseits ein klares Bescheidbild sicher.
Mit dem StRefG 2015/2016 wurde die Höhe des besonderen Steuersatzes für Kapitalerträge von 25% auf 27,5% angehoben. Mit einem besonderen Steuersatz in Höhe von 25% werden weiterhin Einkünfte aus Geldeinlagen und nicht verbrieften sonstigen Forderungen bei Kreditinstituten besteuert, wenn es sich nicht um Ausgleichszahlungen und Leihgebühren gemäß § 27 Abs. 5 Z 4 EStG 1988 handelt (§ 27a Abs. 1 Z 1 EStG 1988). Insbesondere Zinsen aus Sparbüchern und Girokonten sind daher nicht von der Anhebung des Steuersatzes erfasst.
Sämtliche sonstige Einkünfte aus der Überlassung von Kapital, aus realisierten Wertsteigerungen und aus Derivaten unterliegen hingegen einem besonderen Steuersatz von 27,5%, sofern keine Ausnahme des § 27a Abs. 2 EStG 1988 die Tarifbesteuerung anordnet.
20.3.2 Verhältnis von § 27a EStG 1988 zu anderen Bestimmungen
Den besonderen Steuersätzen unterliegende Kapitaleinkünfte sind, außer bei Ausübung der Regelbesteuerungsoption, insbesondere auszuscheiden
- bei der Ermittlung des Höchstbetrages für den Spendenabzug im Rahmen der Sonderausgaben (§ 18 Abs. 1 Z 7 EStG 1988),
- bei der Bemessungsgrundlage für die Tarifierung (§ 33 Abs. 1 EStG 1988),
- bei der Ermittlung des ermäßigten Durchschnittssteuersatzes (§ 37 Abs. 1 und 5, § 38 Abs. 1 EStG 1988), des Progressionsvorbehaltes und des besonderen Progressionsvorbehaltes (§ 3 Abs. 2 und 3 EStG 1988)
- bei der Berechnung des Erstattungsbetrages für Alleinverdiener sowie für Alleinerzieher (§ 33 Abs. 8 bzw. § 40 EStG 1988),
- bei der Ermittlung des Selbstbehalts für außergewöhnliche Belastungen (§ 34 Abs. 4 EStG 1988).
Beim Gewinnfreibetrag ist dagegen nach § 10 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 zu unterscheiden:
- Betriebliche Einkünfte aus der Überlassung von Kapital, die den besonderen Steuersätzen unterliegen, zählen nicht zur Bemessungsgrundlage, außer es wird die Regelbesteuerungsoption ausgeübt.
- Betriebliche Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen und Derivaten, die dem besonderen Steuersatz unterliegen, zählen zur Bemessungsgrundlage.
Bei folgenden Regelungen sind den besonderen Steuersätzen unterliegende Kapitaleinkünfte nur dann auszuscheiden, wenn Kapitalertragsteuer abgezogen wurde und die Steuerpflicht mit dem Kapitalertragsteuerabzug gemäß § 97 Abs. 1 EStG 1988 abgegolten ist (siehe dazu Abschnitt 29.7):
- für die Anwendung und das Ausmaß eines Veranlagungsfreibetrages (§ 41 Abs. 3 EStG 1988),
- für den Eintritt der Steuererklärungspflicht (§ 42 Abs. 1 Z 3 EStG 1988).
Die Beurteilung des Vorliegens einer steuerlich beachtlichen Einkunftsquelle bzw. steuerlich unbeachtlichen Liebhaberei ist von § 27a und § 97 EStG 1988 unberührt. Kapitalerträge, die im Rahmen einer bestimmten Betätigung anfallen, sind daher für die Beurteilung dieser Frage – ungeachtet der im Übrigen eintretenden Abgeltungswirkungen – anzusetzen.
Zu den besonderen Steuersätzen besteuerte Kapitaleinkünfte zählen nur beim Steuerpflichtigen selbst und bei der Berechnung seiner Einkommensteuer nicht zum Gesamtbetrag der Einkünfte und zum Einkommen. Dies bedeutet Folgendes:
- Zu den besonderen Steuersätzen besteuerte Kapitaleinkünfte des (Ehe-)Partners dürfen bei Beurteilung des Anspruchs auf den Alleinverdienerabsetzbetrag (§ 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988) bzw. des erhöhten Pensionistenabsetzbetrages (§ 33 Abs. 6 Z 1 EStG 1988) beim anderen (Ehe-)Partner nicht außer Ansatz bleiben. Auch zu den besonderen Steuersätzen besteuerte Kapitaleinkünfte fallen dabei wie die übrigen Einkünfte unter die allgemeine Einkunftsgrenze von 6.000 bzw. 2.200 Euro.
- In jenen Fällen, in denen die abgegoltenen Kapitalerträge nicht für die Berechnung der Einkommensteuer, sondern für andere Zwecke von Bedeutung sind (Ermittlung des wirtschaftlichen Einkommens im Bereich der Mietzinsbeihilfe, Einkommensermittlung für außersteuerliche Förderungsgesetze), bleiben die zu den besonderen Steuersätzen besteuerten Kapitaleinkünfte ebenfalls beachtlich.
§ 27a Abs. 6 EStG 1988 sieht vor, dass die Bestimmungen des § 27a Abs. 1 bis 5 EStG 1988 auch für die von natürlichen Personen im betrieblichen Bereich (oder im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) erzielten Einkünfte aus der Überlassung von Kapital, aus realisierten Wertsteigerungen aus Kapitalvermögen und aus Derivaten Anwendung finden. Damit kommen die besonderen Steuersätze (25% bzw. 27,5%) für die genannten Einkünfte auch im betrieblichen Bereich zur Anwendung. (Der in § 27a Abs. 4 Z 2 EStG 1988 enthaltene Ausschluss von Anschaffungsnebenkosten kommt dessen ungeachtet gemäß dem zweiten Satz dieser Vorschrift im betrieblichen Bereich nicht zur Anwendung; die Bewertungsbestimmungen des § 6 EStG 1988 gehen somit vor; siehe Abschnitt 4.8) Auch im betrieblichen Bereich bleibt es (ausgenommen bei Ausübung der Regelbesteuerungsoption) bei der Besteuerung mit einem der besonderen Steuersätze; ob aber bereits der Kapitalertragsteuerabzug Abgeltungswirkung entfaltet, oder die Einkünfte in die Einkommensteuererklärung aufzunehmen und zum besonderen Steuersatz zu veranlagen sind, ergibt sich aus § 97 EStG 1988 (siehe Abschnitt 29.7).
20.3.3 Ausnahmen von den besonderen Steuersätzen
Der Rechtslage vor dem BBG 2011 entsprechend soll nur für bestimmte Einkünfte keine 25- bzw. 27,5-prozentige Endbesteuerung greifen. Aufgrund der Anknüpfung von § 93 EStG 1988 an die Anwendung der besonderen Steuersätze kommt es im Gegensatz zur früheren Rechtslage aber nur dann zum Abzug von Kapitalertragsteuer, wenn damit auch die Abgeltungswirkung verbunden ist (eine Ausnahme bilden Fälle, in denen zu Unrecht bzw. aufgrund einer nicht den tatsächlichen Umständen entsprechenden Fiktion gemäß § 93 Abs. 5 EStG 1988 Kapitalertragsteuer abgezogen wurde; siehe Abschnitt 29.5.2). Die von den besonderen Steuersätzen ausgenommenen Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen somit grundsätzlich keinem Kapitalertragsteuerabzug.
Die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nicht einem der besonderen Steuersätze von 25% bzw. 27,5%, sondern dem normalen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuertarif unterliegen, sind in § 27a Abs. 2 EStG 1988 abschließend aufgezählt:
- Einkünfte aus Darlehen und nicht verbrieften sonstigen Forderungen, denen kein Bankgeschäft zu Grunde liegt (Z 1):
Darunter fallen insbesondere Privatdarlehen und sonstige nicht verbriefte private Forderungen, wie zB nicht verbriefte obligationenähnliche Genussrechte; Einkünfte aus Darlehen von Privatdarlehensvermittlern (zB Onlineplattformen für Privatkredite) sind ebenso erfasst. Uneinbringliche private Darlehensforderungen stellen negative Einkünfte im Sinne des § 27 Abs. 3 EStG 1988 dar, deren Substanzanteil jedoch ebenfalls nicht unter den besonderen Steuersatz von 27,5% (vor 1.1.2016 von 25%) fällt (zum Nachlass einer Forderung siehe aber Rz 6143). Zum Verlustausgleich siehe Rz 6234. - Einkünfte aus nicht öffentlich begebenen Forderungswertpapieren und Anteilen an einem § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilde (Z 2)
Wertpapiere, die ein Forderungsrecht verbriefen, einschließlich verbriefte Derivate (insbesondere Indexzertifikate), sowie Anteile an einem § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilde, einschließlich der als ausgeschüttet geltenden Erträge, unterliegen nicht dem besonderen Steuersatz, wenn diese bei ihrer Begebung in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht keinem unbestimmten Personenkreis angeboten werden (= öffentliches Angebot). Bei nicht öffentlich begebenen Forderungswertpapieren bzw. Anteilen an einem § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilde kommt es somit im Anwendungsbereich des BBG 2011 zum Entfall des Kapitalertragsteuerabzugs; allerdings ist bei ausländischen Wertpapieren im Zweifel davon auszugehen, dass ein solches öffentliches Angebot gegeben ist und KESt einzubehalten ist (siehe Abschnitt 29.5.2.2). Ein öffentliches Angebot ist eine Mitteilung an das Publikum in jeglicher Form und auf jegliche Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Bedingungen eines Angebots (oder einer Einladung zur Zeichnung) von Wertpapieren oder Veranlagungen und über die anzubietenden Wertpapiere oder Veranlagungen enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere oder Veranlagungen zu entscheiden. Es handelt sich dabei um ein Angebot im Sinne des § 861 ABGB, das an einen unbestimmten Personenkreis gerichtet wird. Vom Publikum bzw. einer sich nicht an bestimmte Personen wendenden Willenserklärung kann jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn der Anbieter die namentliche Identität jener Personen, an die sich ein Angebot richtet, nicht vor der Abgabe seiner Willenserklärung festgelegt hat. Richtet sich die Willenserklärung an einen Personenkreis von mehr als 100 Personen, so gilt das Angebot als öffentlich. Der Anbieter kann diese Annahme widerlegen.
Einem solchen Angebot ist eine sich nicht an bestimmte Personen wendende Aufforderung, auf den Erwerb von Wertpapieren oder Veranlagungen gerichtete Angebote zu stellen, gleichzuhalten.
Von einem öffentlichen Angebot ist auszugehen,- wenn die betroffenen Wertpapiere der Prospektpflicht gemäß § 2 KMG unterliegen oder
- bereits an geregelten Märkten gehandelt werden (siehe dazu die Übersicht über die geregelten Märkte und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der entsprechenden Anforderungen der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. Nr. C 348 vom 21.12.2010 S. 9), oder
- es sich um allgemein angebotene Kassenobligationen handelt.
Eine bei der Ausgabe des Forderungswertpapiers vereinbarte Nachrangigkeit in der Bedeckung des Forderungskapitals hat für sich auf das Vorliegen eines öffentlichen Angebots keinen Einfluss.
Für die Vermutung eines öffentlichen Angebotes spricht, wenn die Forderungswertpapiere
- von einem oder mehreren in- oder ausländischen Kreditinstituten übernommen und vertrieben werden oder
- über Medien allgemein zur Zeichnung angeboten werden (APA, Fachpresse) oder
- über ein anerkanntes Handelssystem (zB Reuters, Bloomberg usw.) zur Zeichnung angeboten werden.
Als Beweismittel für das Vorliegen eines öffentlichen Angebotes eignen sich insbesondere
- Übernahme- oder Syndikatsverträge,
- Informationsschreiben der Kreditinstitute an ihre Vertriebsorganisationen oder allgemeine Kundeninformationen (zB Zusendung von Zeichnungsprospekten an den präsumtiven Kundenkreis),
- Mitteilungen an Presseagenturen, Belegexemplare der Veröffentlichung,
- Eingabeprotokolle und -journale oder Ausdrucke anerkannter Handelssysteme.
Eine Überprüfung des Vorliegens eines öffentlichen Angebots entfällt, wenn nachgewiesen werden kann, dass ein Forderungswertpapier innerhalb von sechs Monaten nach seiner Emission von mehr als 100 verschiedenen Käufern erworben wurde.
Der Nachweis des Erwerbes der erforderlichen Anzahl der Käufer ist folgendermaßen zu erbringen:
- Bei Forderungswertpapieren, die bei Kreditinstituten hinterlegt sind, durch die Vorlage der Bestätigung des die Emission führenden Kreditinstitutes, dass die erforderliche Käuferanzahl innerhalb von sechs Monaten erreicht worden ist.
- Bei Forderungswertpapieren, die nicht bei Kreditinstituten hinterlegt sind, durch die Vorlage einer notariellen Bestätigung, dass die erforderliche Käuferanzahl innerhalb von sechs Monaten erreicht worden ist.
- Einkünfte aus der Beteiligung an einem Unternehmen als stiller Gesellschafter sowie aus der Beteiligung nach Art eines stillen Gesellschafters (Z 3)
Dies umfasst sowohl Gewinnanteile als auch Abschichtungsüberschüsse und Veräußerungsgewinne. Im Anwendungsbereich des BBG 2011 kommt es somit zu einem Entfall des Kapitalertragsteuerabzugs bei stillen Beteiligungen. Allerdings wurde für beschränkt steuerpflichtige stille Beteiligte eine Abzugsteuer in § 99 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 vorgesehen. - Diskontbeträge von Wechseln und Anweisungen (Z 4)
- Ausgleichszahlungen und Leihgebühren, wenn es sich beim Entleiher (Pensionsnehmer) weder um ein Kreditinstitut noch um eine Zweigstelle im Sinne des § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 handelt (Z 5). Zusätzliches Erfordernis für die Anwendbarkeit des besonderen Steuersatzes ist, dass die weitergeleiteten Kapitalerträge bei direktem Bezug durch den Pensionsgeber/Verleiher dem besonderen Steuersatz unterliegen würden (siehe Abschnitt 20.2.1.11).
- Steuerpflichtige Versicherungsleistungen (Z 6)
Unterschiedsbeträge zwischen der eingezahlten Versicherungsprämie und der Versicherungsleistung im Sinne des § 27 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 oder die realisierte Wertsteigerung aus der Veräußerung des Anspruchs aus dem Versicherungsvertrag, unterliegen – sofern sie steuerpflichtig sind (siehe Abschnitt 20.2.1.10.1) – dem progressiven Tarif. - Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 4 EStG 1988 (Z 7)
Zusätzlich ist bei verbrieften Derivaten ein öffentliches Angebot erforderlich (siehe oben, § 27a Abs. 2 Z 2 EStG 1988).
Wird für unverbriefte Derivate eine der Kapitalertragsteuer entsprechende freiwillige Abzugsteuer von einer der in § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988 genannten Einrichtungen einbehalten und abgeführt, gilt die Ausnahme vom besonderen Steuersatz nicht und § 95 Abs. 1 und § 97 EStG 1988 sind sinngemäß anzuwenden.
Bei über Investmentfonds im Sinne des § 3 Abs. 2 Z 30 InvFG 2011, Alternative Investmentfonds im Sinne des AIFMG sowie bei einem § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilde bezogenen Zinsen aus verbrieften Forderungen bzw. Einkünften aus Derivaten kann die Prüfung des öffentlichen Angebots bzw. der Verbriefung unterbleiben.
Fließt der Veräußerungserlös aus einer dem besonderen Steuersatz von 27,5% unterliegenden Kapitalanlage (zB Beteiligung) über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr ratenmäßig zu, sind deren Anschaffungskosten vom auf den Veräußerungszeitpunkt abgezinsten Verkaufspreis in Abzug zu bringen. Von den in späteren Jahren zufließenden Raten ist der in den Ratenzahlungen enthaltene Zinsanteil auszuscheiden und zum Normaltarif zu erfassen.
20.3.4 Regelbesteuerungsoption
20.3.4.1 Verhältnis von Regelbesteuerungsoption und Verlustausgleichsoption
§ 27a Abs. 5 EStG 1988 enthält die bis zum BBG 2011 in § 97 Abs. 4 EStG 1988 verankerte Möglichkeit des Steuerpflichtigen, seine KESt-pflichtigen bzw. den besonderen Steuersätzen unterliegenden Einkünfte im Wege der Veranlagung zum Tarif besteuern zu lassen. Da nach dem BBG 2011 jedoch die Veranlagung von Kapitaleinkünften nicht mehr automatisch mit der Anwendung des progressiven Tarifs einhergeht, wird jene in § 27a Abs. 5 EStG 1988 nicht mehr „Veranlagungsoption“, sondern „Regelbesteuerungsoption“ genannt. Zur Geltendmachung eines Verlustausgleichs bloß innerhalb der Kapitaleinkünfte, die einem besonderen Steuersatz unterliegen, ist die Ausübung der Regelbesteuerungsoption daher nicht nötig; wünscht der Steuerpflichtige nur einen Verlustausgleich innerhalb der mit Einkünfte aus Kapitalvermögen, die einem besonderen Steuersatz unterliegen, kann er – isoliert von der in § 27a Abs. 5 EStG 1988 enthaltenen Regelbesteuerungsoption – die Verlustausgleichsoption gemäß § 97 Abs. 2 EStG 1988 ausüben (siehe Abschnitt 20.5.2). Dasselbe gilt in Fällen, in denen Entlastungsverpflichtungen aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen wahrzunehmen sind; auch diese können im Wege der Verlustausgleichsoption gemäß § 97 Abs. 2 EStG 1988 geltend gemacht werden (siehe Abschnitt 20.5.2).
20.3.4.2 Voraussetzungen zur Ausübung der Regelbesteuerungsoption
Wie schon vor dem BBG 2011 kann die Regelbesteuerungsoption nur für sämtliche Kapitaleinkünfte des Steuerpflichtigen, dh. alle in- und ausländischen Einkünfte aus der Überlassung von Kapital, realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen und Derivaten ausgeübt werden; sie umfasst auch die aufgrund des Subsidiaritätsprinzips unter den Haupteinkunftsarten zu erfassenden Kapitaleinkünfte.
Im Gegensatz zur Rechtslage vor dem BBG 2011 kann die Regelbesteuerungsoption unabhängig davon ausgeübt werden, ob die Anwendung des allgemeinen Steuertarifes zu einer geringeren Steuerbelastung führt als die besonderen Steuersätze. Zu beachten ist, dass mit dem BBG 2011 § 37 Abs. 4 EStG 1988 entfallen ist, sodass ab 1.4.2012 sämtliche Kapitaleinkünfte (einschließlich Gewinnanteile und Einkünfte aus Beteiligungsveräußerungen außerhalb der Jahresfrist) im Falle der Regelbesteuerung dem Normalsteuersatz unterliegen. Ergibt sich aus der Veranlagung zum allgemeinen Steuertarif eine höhere Besteuerung als bei Beibehaltung der besonderen Steuersätze (allenfalls auch bei Ausübung der Verlustausgleichsoption gemäß § 97 Abs. 2 EStG 1988, siehe Abschnitt 20.5.2), kann der Steuerpflichtige die Ausübung der Regelbesteuerungsoption auch noch im Rechtsmittelverfahren zurückziehen.
20.3.4.3 Rechtsfolgen der Ausübung der Regelbesteuerungsoption
Die Ausübung der Regelbesteuerungsoption führt zu einer Veranlagung nach den allgemeinen Veranlagungstiteln der §§ 39 und 41 EStG 1988 unter Anrechnung der entrichteten Kapitalertragsteuer, wobei sämtliche in- und ausländische Einkünfte aus Kapitalvermögen, auch wenn sie den Haupteinkunftsarten zugerechnet werden, dem Normalsteuersatz unterliegen. Es handelt sich daher um eine – durch die Bestimmungen des § 27a Abs. 5 EStG 1988 ergänzte – Veranlagung nach den §§ 39 oder 41 EStG 1988. Der Veranlagungsfreibetrag von 730 Euro gilt nicht für Einkünfte aus Kapitalvermögen, auf die die besonderen Steuersätze anwendbar sind (§ 41 Abs. 3 EStG 1988). Zu beachten ist weiters, dass die in § 27 Abs. 8 EStG 1988 enthaltenen Einschränkungen des Verlustausgleichs (siehe Abschnitt 20.4) sowie das Abzugsverbot des § 20 Abs. 2 EStG 1988 auch bei Ausübung der Regelbesteuerungsoption gelten.
Die Anrechnung bzw. Erstattung der Kapitalertragsteuer unterbleibt insoweit, als der Steuerpflichtige einem Dritten den Anspruch auf einen Alleinverdienerabsetzbetrag oder einen Kinderabsetzbetrag vermittelt. Übersteigen die vermittelten Absetzbeträge die anzurechnende Kapitalertragsteuer, kommt es daher zu keiner Erstattung.
Beispiele:
1. Ein Kind, für das ganzjährig Familienbeihilfe bezogen worden ist, hat im Jahr 01 Sparbuchzinsen von 3.000 Euro. Die Kapitalertragsteuer beträgt daher 750 Euro; der Kinderabsetzbetrag im Jahr 01 beträgt 58,40 Euro. Weitere Einkünfte liegen nicht vor. Es kommt 01 zu einer Erstattung von 49 Euro (750-12*58,40 = 49,20; Rundung gemäß § 39 Abs. 3 EStG 1988).
2. Ein Kind, für das ganzjährig Familienbeihilfe bezogen worden ist, hat im Jahr 01 Sparbuchzinsen von 2.000 Euro. Die Kapitalertragsteuer beträgt daher 500 Euro; der Kinderabsetzbetrag im Jahr 01 beträgt 58,40 Euro. Weitere Einkünfte liegen nicht vor. Es kommt 01 zu keiner Erstattung der KESt, weil diese niedriger ist, als der für das Kind ganzjährig bezogene Kinderabsetzbetrag.
3. Der Ehepartner eines Alleinverdieners mit zwei Kindern bezog im Jahr 01 Sparbuchzinsen von 2.000 Euro. Die KESt beträgt daher 500 Euro. Weitere Einkünfte liegen nicht vor. Eine KESt-Erstattung für 01 unterbleibt, da die KESt niedriger ist, als der dem Ehepartner zustehende Alleinverdienerabsetzbetrag in Höhe von 669 Euro.
Für das Unterbleiben der Anrechnung ist ohne Belang, ob der Dritte den jeweiligen Absetzbetrag tatsächlich beantragt hat bzw. in Anspruch nimmt.
Beispiel:
Der Ehepartner A eines (potenziellen) Alleinverdieners B mit zwei Kindern erzielte im Jahr 01 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 5.000 Euro und bezog überdies Sparbuchzinsen von 2.000 Euro. Die KESt beträgt daher 500 Euro. Weitere Einkünfte liegen nicht vor.
Da auch Einkünfte aus Kapitalvermögen, die unter § 27a Abs. 1 EStG 1988 fallen, für die Einkunftsgrenze des Alleinverdienerabsetzbetrages von 6.000 Euro unabhängig davon relevant sind, ob eine Regelbesteuerung beantragt wird oder nicht, steht B hier jedenfalls kein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. A erhält daher im Fall der Regelbesteuerungsoption die gesamte KESt von 500 Euro erstattet.
20.3.4.4 Mindestbesteuerung bei ausländischen Kapitaleinkünften bei Kinderabsetzbetrag oder Alleinverdienerabsetzbetrag
Zu beachten ist, dass es im Interesse der Herstellung eines gleichen Besteuerungsergebnisses wie bei KESt-pflichtigen Inlandserträgen bei Vorliegen von KESt-freien (insbesondere ausländischen) Kapitaleinkünften bei Kindern oder (Ehe)Partnern von Alleinverdienern zu einer Mindestbesteuerung kommt. § 42 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 sieht hier eine Steuererklärungspflicht und § 41 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 einen Pflichtveranlagungstitel bei gleichzeitigem Bezug von (idR geringfügigen) lohnsteuerpflichtigen Einkünften vor.
Beispiel (Variante des Beispiels 1 in Abschnitt 20.3.4.3):
Ein Kind, für das ganzjährig Familienbeihilfe bezogen worden ist, hat im Jahr 01 ausländische Sparbuchzinsen von 3.000 Euro. Ein Kapitalertragsteuerabzug erfolgte daher nicht. Es besteht Erklärungspflicht nach § 42 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, bei der Veranlagung wird eine Mindeststeuer iHv 12*58,40 Euro = 700,80 Euro festgesetzt, weil in dieser Höhe auch bei inländischen Kapitalerträgen die KESt eine endgültige Besteuerung darstellen würde.
Beispiel 2 (Variante des Beispiels 2 in Abschnitt 20.3.4.3):
Ein Kind, für das ganzjährig Familienbeihilfe bezogen worden ist, hat im Jahr 01 ausländische Sparbuchzinsen von 2.000 Euro. Es besteht Erklärungspflicht nach § 42 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, bei der Veranlagung wird eine Mindeststeuer iHv 500 Euro Euro festgesetzt, weil auch bei inländischen Kapitalerträgen die gesamte KESt von 500 Euro eine endgültige Besteuerung darstellen würde.