20.3.1.6 Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle
Gemäß § 153 VAG 2016 sind Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle für die dem Grunde und der Höhe nach noch nicht feststehenden Leistungsverpflichtungen aus bis zum Bilanzstichtag eingetretenen Versicherungsfällen sowie für sämtliche nach dem Bilanzstichtag voraussichtlich anfallenden Schadenregulierungsaufwendungen zu bilden. Grundsätzlich ist bei der Bildung der Rückstellung vom Einzelbewertungsprinzip auszugehen. Eine Ausnahme besteht, wenn die Eigenart eines Versicherungszweiges einer Einzelermittlung entgegensteht. Aufsichtsrechtlich liegt eine vorsichtige Bewertung „(…) jedenfalls vor, wenn bei einer mehrjährigen Betrachtung pro Versicherungszweig die Rückstellung (…) einen durchschnittlichen Abwicklungsgewinn von mindestens 10% aufweist.“ (§ 12 Abs. 6 VO der FMA über die Rechnungslegung von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen (VU-RLV) vom 21.10.2015, BGBl. II Nr. 316/2015 idF BGBl. II Nr. 323/2016). Steuerlich handelt es sich dabei auf Grund der Einschränkung des § 15 Abs. 1 zweiter Satz KStG 1988 um eine Höchstgrenze. Auf Grund der vergangenheitsbezogenen Ermittlung des Abwicklungsgewinnes im Rahmen einer mehrjährigen Betrachtung sind Abwicklungsgewinne bis zu 15% in einzelnen Versicherungszweigen dann steuerlich unbedenklich, wenn die – entsprechend den aufsichtsrechtlichen Vorgaben ermittelte – Grenze von 10% nur in einzelnen Jahren und nicht dauerhaft überschritten wird.
20.3.1.6.1 Rückstellung für Schadenregulierungsaufwendungen
- Die Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle hat gemäß § 153 VAG 2016 auch sämtliche Regulierungsaufwendungen, die für die Erledigung der reservierten Versicherungsfälle nach dem Bilanzstichtag anfallen, abzudecken. Da das VAG 2016 keine genaue Definition des Begriffes Schadenregulierung trifft, ist eine Interpretation aufgrund des § 66 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz 1958 durchzuführen.
20.3.1.6.2 Auswirkung des § 15 Abs. 3 KStG 1988
Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle (inkl. der Rückstellung für Schadenregulierungsaufwendungen) sind gemäß § 15 Abs. 3 in Verbindung mit § 26a Abs. 12 KStG 1988 mit 80% des Teilwertes anzusetzen. Bei Rückstellungen mit einer Laufzeit von weniger als 12 Monaten ist keine Kürzung vorzunehmen. Es ist davon auszugehen, dass bei 70% der Summe dieser Rückstellungen die Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt.
20.3.1.7 Sonstige versicherungstechnische Rückstellungen
Zu den sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen gehören insbesondere:
20.3.1.7.1 Stornorückstellung
Die Rückstellung für Storni von noch nicht bezahlten Prämien ist eine Wertberichtigung zu den Prämienaußenständen.
20.3.1.7.2 Rückstellung für Großschäden
- Bei einer Rückstellung für Großschäden handelt es sich in der Regel um Großrisiken, für die keine Erfahrungswerte für den Schadensverlauf vorliegen. Beispiele für Großrisiken sind unter anderem die Atomrisiken, Pharmarisiken und Umwelthaftpflichtrisiken. Diese Rückstellung für Großschäden ist nur ausnahmsweise anstelle einer Schwankungsrückstellung zu bilden, wenn kein ausreichend großes Kollektiv vorliegt.
- Terrorrisiken, die in Versicherungsverträgen enthalten sind, werden im „Versicherungspool zur Deckung von Terrorrisiken“ gebündelt; der Pool erbringt im Schadenfall die Leistung an den Versicherungsnehmer. Die Poolmitglieder müssen dafür eine Rückstellung für Terrorrisiken bilden. Die Zuführung zu dieser Rückstellung ist steuerwirksam, wenn die Bildung entsprechend den Vorgaben der FMA erfolgt. Zu beachten ist auch hier, dass die von der FMA geforderte Mindestdotierung die steuerlich zulässige Höchstgrenze darstellt.
20.3.1.7.3 Rückstellung für Verluste aus dem indirekten Geschäft
Diese Rückstellung kommt in der Regel dann vor, wenn Erträge und Aufwendungen aus dem indirekten Geschäft ein Jahr zeitversetzt in die Gewinn- und Verlustrechnung aufgenommen werden, und aufgrund von Mitteilungen der Zedenten oder nach der Erfahrung damit gerechnet werden muss, dass aus den Abrechnungen ein Verlust resultieren wird.
20.3.1.7.4 Rückstellung für drohende Verluste
- Eine Rückstellung für drohende Verluste ist in solchen Sparten zu bilden, in denen anzunehmen ist, dass die Prämien in den kommenden Jahren zur Deckung der Schäden und laufenden Kosten nicht ausreichen, die Verträge vom Versicherungsunternehmen erst bei Ablauf aufgelöst und keine Prämienanpassungen vorgenommen werden können.
20.3.2 Prämienrückerstattungen
20.3.2.1 Allgemeines
Das Wesen der Prämienrückerstattung besteht darin, dass dem Versicherungsnehmer jene Prämienteile rückerstattet werden, die zur Deckung der mit der Leistung der Versicherungsunternehmen verbundenen Aufwendungen nicht benötigt werden (Rückerstattung „überhobener“ Beiträge).
20.3.2.2 Prämienrückerstattungen
- Gemäß § 17 Abs. 1 KStG 1988 sind Prämienrückerstattungen, die auf Grund des Ergebnisses des direkten Versicherungsgeschäftes im Eigenbehalt gewährt werden, abzugsfähig.
Die im Gesetz angeführten Worte „für erfolgsabhängige Prämienrückerstattungen“ (Gewinnbeteiligungen) stellen klar, dass es sich hierbei sachlich um eine Rückerstattung von zu hohen Prämien handeln müsse und andere Überschüsse hierbei auszuscheiden haben. Damit soll die Grenze zwischen (abzugsfähiger) Prämienrückerstattung und (zu versteuernder) Gewinnverwendung klar gezogen werden.
- Da auf das Ergebnis des direkten Versicherungsgeschäftes im Eigenbehalt hingewiesen wird, scheiden das indirekte Versicherungsgeschäft und das Rückversicherungsgeschäft aus der Betrachtung aus.
- In § 17 Abs. 1 Z 2 KStG 1988 wird in anderen Versicherungszweigen als dem Lebens-, Kranken- und Unfallversicherungsgeschäft die Ermittlung des Ergebnisses vorgeschrieben, wobei auch die Nettoerträge der Kapitalanlagen, die den versicherungstechnischen Rückstellungen und Rückstellungen für Prämienrückerstattungen zuzuordnen sind, in die Berechnung des Überschusses einzubeziehen sind.
Betreibt ein Versicherungsunternehmen ausschließlich das Rückversicherungsgeschäft, ist das Rückversicherungsgeschäft dem direkten Versicherungsgeschäft gleichzuhalten.
20.3.2.3 Rückstellungen für Prämienrückerstattungen
20.3.2.3.1 Allgemeines
Infolge eines günstigeren Geschäftsverlaufes, anders als bei der Kalkulation der Prämien angenommen, kommt es auf Grund des Ergebnisses des direkten Versicherungsgeschäftes zu Überschüssen. In die Rückstellung für Prämienrückerstattung werden jene Teile der Überschüsse eingestellt, die nach der Satzung, nach den Versicherungsbedingungen oder auf Grund eines Vorstandsbeschlusses bei der Erstellung des Jahresabschlusses für die Gewinnbeteiligung der Versicherungsnehmer gewidmet werden. Im Interesse einer gerechten und gleichmäßigen Ausschüttungspolitik werden die Überschüsse nicht sofort ausbezahlt bzw. dem einzelnen Vertrag zugewiesen, sondern zunächst vorgetragen. Die Ausschüttung (Verwendung) der Rückstellung erfolgt in Übereinstimmung mit den im Versicherungsvertrag eingegangen Verpflichtungen durch Beschluss der zuständigen Organe (bei einer Aktiengesellschaft in der Regel der Vorstand, bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit die Mitgliedervertretung).
Bei Veränderungen des steuerlichen Gewinnes von Versicherungsunternehmen durch die Veranlagung oder Betriebsprüfung kommt es zu keiner steuerlichen Anpassung der Rückstellung für Prämienrückerstattung. Laut § 17 KStG 1988 ist das Ergebnis des direkten Versicherungsgeschäftes im Eigenbehalt die Grundlage für die Zuweisung der Rückstellung für Gewinnbeteiligung und erst wenn die durch die Finanzverwaltung vorgenommenen Gewinnadaptierungen Eingang in die UGB-Bilanz und damit in das Ergebnis des direkten Versicherungsgeschäftes gefunden haben, kann von den zuständigen Organen des Unternehmens unter Einhaltung der dafür vorgesehenen Formvorschriften über diese Beträge entschieden werden. In den steuerlichen Vorschriften ist jedoch keine Adaptierung dieses Ergebnisses an steuerliche Veränderungen im gleichen Bilanzjahr vorgesehen.
20.3.2.3.2 Rückstellungen für Prämienrückerstattung in der Lebensversicherung
- Bei Feststellung des Jahresabschlusses werden üblicherweise 80% – 90% des Gewinnes der Rückstellung für Prämienrückerstattung zugewiesen. Die Höhe der Zuführung richtet sich nach versicherungsmathematischen Grundlagen und nach den in den Versicherungsbedingungen (Geschäftsplan) festgelegten Grenzen über das Ausmaß und die Form der Gewinnzuteilung an die Versicherungsnehmer. Insofern wird hiermit ein Betrag bestimmt, der durch die bilanzmäßige Darstellung bekanntgemacht wird (erklärte Gewinnanteile).
Verbleibt nach dieser Berechnung ein rückstellungsfähiger Gewinn, wird dieser der Rückstellung zugeführt, ohne dafür eine bestimmte Verfügung zu treffen. Diese zusätzliche Zuführung (Rückstellung für künftige Verwendung) ist in begrenztem Umfang steuerlich abzugsfähig, wobei auf eine Obergrenze für die gesamte Rückstellung für Beitragsrückerstattung abzustellen ist. Die Obergrenze ergibt sich aus der Summe der im Bilanzjahr innerhalb der Deckungsrückstellung erfolgten Übertragung auf die zugeteilten Gewinnanteile, den erklärten Gewinnanteilen des Bilanzjahres sowie den gemäß § 5 Lebensversicherung–Gewinnbeteiligungsverordnung – LV-GBV vom 6.10.2015, BGBl. II Nr. 292/2015 idF BGBl. II Nr. 322/2016, zwingend für Schlussgewinnanteile rückzustellenden Beträgen.
20.3.2.3.3 Rückstellungen für Prämienrückerstattung in der Krankenversicherung, Schadenversicherung und Unfallversicherung
Die Höhe der Rückstellung wird versicherungsmathematisch nach den vertraglichen Verpflichtungen des Versicherungsunternehmens berechnet. Darüber hinaus kann eine Rückstellung für künftige Gewinnverwendung innerhalb der Rückstellung für Prämienrückerstattung beschlossen werden. Der steuerlich abzugsfähige Höchstbetrag dieser Rückstellung für künftige Gewinnverwendung ist mit der Summe der Ausschüttung des Bilanzjahres und den beiden vorangegangenen Jahren begrenzt.
20.3.2.4 Mindestbesteuerung gemäß § 17 Abs. 3 KStG 1988
- § 17 Abs. 3 KStG 1988 bestimmt, dass Versicherungsunternehmen mindestens 20% des nach den Vorschriften des EStG 1988 jeweils ermittelten Gewinnes aus verschiedenen Versicherungszweigen zu versteuern haben, von dem der für die Versicherten bestimmte Anteil (Rückstellung für Prämienrückerstattung) noch nicht abgezogen ist (Mindestgewinn). Die Regelung ist verfassungskonform (VfGH 11.10.2000, B 787/99).
- In die Berechnung ist nur die erfolgsabhängige Rückstellung für Prämienrückerstattung einzubeziehen, nachdem nur diese im § 17 KStG 1988 geregelt ist. Zu beachten ist, dass alle für den Versicherungsnehmer bestimmten Gewinnanteile von der Regelung umfasst sind; zB direkt in die Deckungsrückstellung übertragene Gewinnanteile und direkt an den Versicherungsnehmer ausbezahlte Gewinnanteile.
- Die erfolgsunabhängige Rückstellung für Prämienrückerstattung ist vom Schadensverlauf des einzelnen Versicherungsvertrages abhängig und innerhalb des allgemeinen Steuerrechts geregelt.
Die Berechnung des Mindestgewinnes hat für jeden der im Gesetz angeführten Teilbereiche gesondert zu erfolgen. Dabei ist auf die sachgerechte Zuordnung der einzelnen Aufwendungen und Erträge in den entsprechenden Teilbereichen zu achten.
- Beispiel:
Berechnung der Mindeststeuer |
||||
Sparten |
Lebens-versicherung |
Kranken-versicherung |
Unfall-versicherung |
Gesamt |
Gewinn laut UGB-Bilanz |
2.000 |
0 |
-200 |
1.800 |
steuerliche Zurechnungsposten |
500 |
100 |
250 |
850 |
steuerliche Abrechnungsposten |
-400 |
-200 |
-150 |
-750 |
Zwischensumme = vorläufiger steuerpflichtiger Gewinn |
2.100 |
-100 |
-100 |
1.900 |
Zuführung zur Rückstellung für Prämienrückerstattung |
5.000 |
50 |
200 |
5.250 |
Zwischensumme |
7.100 |
-50 |
100 |
7.150 |
davon 20% (Mindestgewinnanteil) |
1.420 |
-10 |
20 |
1.430 |
Daher Zurechnung gemäß § 17 Abs. 3 KStG 1988 |
0 |
0 |
120 |
120 |
Der steuerpflichtige Gewinn |
2.100 |
-100 |
20 |
2.020 |
(Zwischensumme plus Zurechnung) |
- Die rückwirkend angeordnete Befreiung für Beteiligungserträge (BBG 2009, siehe dazu Rz 1160) kann bei Anwendbarkeit der Mindestbesteuerung zu einem steuerlich schlechteren Ergebnis für das Versicherungsunternehmen führen, wenn bislang die ausländische anrechenbare Steuer in voller Höhe angerechnet wurde und sich die Beteiligungsertragsbefreiung nur zu 20% auswirkt. In diesen Fällen kann bis zur Veranlagung 2008 die Steuer angerechnet werden, die ausschließlich durch die rückwirkende Anwendung der Befreiungsbestimmung entfällt.
20.3.3 Risikorücklage
- Versicherungsunternehmen müssen eine gemäß § 143 Abs. 1 VAG 2016 in der Bilanz gesondert auszuweisende Risikorücklage bilden. Die Risikorücklage dient der Sicherung der Existenz der Versicherungsgesellschaft. Insbesondere dient sie damit der Abdeckung des allgemeinen Unternehmerrisikos, welches sich bei Versicherungen aus dem Risiko des versicherungstechnischen Geschäfts, dem Kapitalanlagerisiko und dem Dienstleistungsrisiko inklusive allgemeiner Geschäftsrisiken zusammensetzt.
- Gemäß § 143 Abs. 2 VAG 2016 sind 0,6% der um die Rückversicherungsabgabe verminderten abgegrenzten Prämien des inländischen Geschäfts, das sind das direkte und das indirekte Geschäft, eines Bilanzjahres zuzuführen (Zuführungsgebot). Die Bildung der Rücklage ist mit 4% dieser Prämien beschränkt (§ 143 Abs. 2 VAG 2016).
Die Risikorücklage ist nur zur Deckung von sonst in der Bilanz auszuweisenden Verlusten und erst nach Auflösung aller sonstigen satzungsmäßigen und freien Rücklagen zu verwenden (Verwendungsbeschränkung). Eine Auflösung wegen der Überschreitung der 4%-Grenze (siehe Rz 1391) ist nicht vorzunehmen (VwGH 3.9.2008, 2004/13/0022).
Die Zuführung und Auflösung der Risikorücklage ist ab der Veranlagung 1997 zur Gänze steuerneutral. Soweit für Veranlagungen vor 1997 steuerwirksame Risikorücklagen gebildet wurden, sind sie in den Jahren ihrer bestimmungsmäßigen Verwendung nachzuversteuern. Bei einer Veranlagung ab 1996 sind daher steuerneutral gebildete Teile der Risikorücklage im Fall ihrer Verwendung auch steuerneutral aufzulösen.
Dies bedeutet:
- Erfolgte die Dotierung steuerwirksam, ist sowohl eine Verwendung als auch eine Auflösung steuerwirksam,
- Erfolgte die Dotierung steuerneutral, ist sowohl eine Verwendung als auch eine Auflösung steuerneutral,
- erfolgten Teile der Dotierung steuerwirksam und der Rest steuerneutral, ist eine Aufteilung der Rücklagenauflösung in einen steuerwirksamen und einen steuerneutralen Teil in jenem Verhältnis vorzunehmen, das sich aus dem Verhältnis des steuerwirksam zum steuerneutral gebildeten Risikorücklagenteils ergibt.
20.3.4 Verwaltungskostenrückstellung bei Pensionskassen
Durch Art. II des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 106/1999, wurde klarstellend auch für Pensionskassen eine Art Maßgeblichkeit der Erfordernisse zur Rückstellungsbildung für den Bereich der steuerlichen Gewinnermittlung vorgesehen. Durch die Klarstellung wird zum Ausdruck gebracht, dass die durch Gesetz bzw. Verordnung vorgesehene geschäftsplanmäßige Rückstellung für nach Pensionsbeginn anfallende Verwaltungskosten schon vor dem Inkrafttreten der neuen Bestimmung dem Grunde und der Höhe nach als abzugsfähige Betriebsausgabe anzuerkennen ist. Die Bildung hat entsprechend der VO der FMA zu erfolgen (Verwaltungskostenrückstellungsverordnung 2013 – VKRStV 2013 vom 28.11.2013, BGBl. II Nr. 381/2013 idF BGBl. II Nr. 92/2017).
20.4 Genossenschaften
Im Hinblick auf die Gewinnbesteuerung bei unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Genossenschaften gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 KStG 1988 ist vorrangig die Frage zu klären, ob die Zuwendungen der Genossenschaft an ihre Mitglieder aus dem Mitgliedergeschäft Gewinnverteilung (Einkommensverwendung) oder gewinnmindernde Betriebsausgaben darstellen. Zuwendungen aus dem Nichtmitgliederzweckgeschäft stellen auf alle Fälle Einkommensverwendung dar und sind somit der Körperschaftsteuer zu unterziehen (vgl. § 5 Z 9 lit. a und b KStG 1988).
Insbesonders ist für die steuerliche Qualifizierung eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Arten von Genossenschaften notwendig:
- Landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Verwertungsgenossenschaften und Nutzungsgenossenschaften: Diese Genossenschaften (zB Molkereigenossenschaften, Winzergenossenschaften einerseits und Zuchtgenossenschaften, Weidegenossenschaften, Maschinengenossenschaften andererseits) sind vorrangig im Absatzgeschäft der von den Mitgliedern übernommenen Produkte tätig bzw. auf die Nutzung landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Betriebseinrichtungen oder Betriebsgegenstände durch ihre Mitglieder ausgerichtet. Die Geschäftstätigkeit beschränkt sich fast ausschließlich auf den Ankauf und die anschließende Bearbeitung oder Verwertung der von den Mitgliedern produzierten, angelieferten Waren (zB Wein, Milch, Holz). Gemäß § 5 Z 9 lit. a und b KStG 1988 sind Befreiungen für bestimmte Genossenschaften (landwirtschaftliche Nutzungsgenossenschaften und Winzergenossenschaften) vorgesehen, wenn sich die Geschäftstätigkeit nur auf das Mitgliedergeschäft beschränkt (siehe Rz 200, 201 und 1399 bis 1402) Die Problematik, ob Warenrückvergütungen, Kaufpreisnachzahlungen und Geschäftsanteilverzinsung Betriebsausgabe oder Einkommensverwendung darstellen, ist bei den befreiten Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften nicht von Bedeutung.
- Verbrauchergenossenschaften: Diese sind ausschließlich im Bezugsgeschäft tätige Genossenschaften (zB Konsumgenossenschaften), in dem sie Waren an ihre Mitglieder (und Nichtmitglieder) verkaufen. Auf die Aufhebung (VfGH 5.10.1994, G 252/93) der Sondervorschriften für Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften gemäß § 13 KStG 1988 (aufgehoben durch VfGH gemäß BGBl. Nr. 922/1994) und § 8 Abs. 3 Z 2 zweiter Satz KStG 1988 (aufgehoben durch VfGH gemäß BGBl. Nr. 922/1994, wirksam ab 25. November 1994) und § 11 Abs. 1 Z 2 KStG 1988 (aufgehoben durch BGBl. Nr. 201/1996, wirksam ab 1. Mai 1996) wird verwiesen.
- Landwirtschaftliche Einkaufsgenossenschaften und Verkaufsgenossenschaften bzw. Warengenossenschaften: Diese Art der Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften (zB Raiffeisenlagerhäuser) ist für ihre Mitglieder sowohl im Absatzgeschäft (Ankauf der von den Mitgliedern angelieferten landwirtschaftlichen Produkte und anschließenden Verkauf am freien Markt) als auch im Bezugsgeschäft (Verkauf von Produkten an ihre Mitglieder) tätig. Zusätzlich sind diese Genossenschaften verstärkt im Dienstleistungsbereich (zB Baumärkte, Installationen, Werkstätten) im zunehmenden Ausmaß auch gegenüber Nichtmitgliedern tätig.
Auf Grund des Förderungsauftrages (§ 1 GenG) hat die Genossenschaft ihre Mitglieder zu fördern, die Gewinnerzielungsabsicht sollte daher nicht im Vordergrund stehen. Die Genossenschaft soll lediglich eine Hilfseinrichtung für ihre Mitglieder darstellen. Steuerrechtlich muss trotzdem an die rechtliche Selbständigkeit einer Genossenschaft (als Körperschaftsteuersubjekt vergleichbar mit Kapitalgesellschaften) und den damit verbundenen Folgen angeknüpft werden (siehe VfGH 4.10.1991, B 1408/90). Das Genossenschaftsmitglied tritt der Genossenschaft als Anteilseigner in gesellschaftsrechtlicher Beziehung, und als Kunde bzw. Lieferant in Lieferverträgen gegenüber.
20.4.1 Steuerpflichtiger Bereich bei befreiten Genossenschaften
Zu den im Zusammenhang mit dem Übergang der steuerbefreiten Genossenschaften in die Steuerpflicht (bzw. Übergang von der Steuerpflicht in die Steuerbefreiung) entstehenden Abgrenzungsfragen siehe Rz 1415 bis 1423.
20.4.1.1 Nach § 5 Z 5 KStG 1988 befreite Genossenschaften
Für Agrargemeinschaften und andere in § 5 Z 5 KStG 1988 genannten Körperschaften ist auch die Rechtsform der Genossenschaft möglich. Diese Genossenschaften sind insoweit steuerpflichtig, als sie
- einen Gewerbebetrieb unterhalten, der über den Umfang eines Nebenbetriebes hinausgeht, oder
- einen solchen Gewerbebetrieb verpachten, oder
- Grundstücke entgeltlich für andere als landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Zwecke zur Nutzung überlassen.
Siehe auch Rz 174 bis 176 und 121 bis 130.
20.4.1.2 Befreite Genossenschaften nach § 5 Z 9 KStG 1988
Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiungen (siehe Rz 198 bis 209) müssen im gesamten Besteuerungszeitraum vollständig vorliegen. Bei Nichterfüllung der Voraussetzung geht die Steuerbefreiung grundsätzlich zur Gänze verloren.
Eine Ausnahme von dieser Grundregel bilden die so genannten zwangsweisen Nichtmitgliedergeschäfte. Dabei handelt es sich um solche Geschäfte, die auf Grund von Gesetzen, Verordnungen, oder behördlichen Anordnungen auch mit Nichtmitgliedern getätigt werden müssen.
Nur der Gewinn aus diesen Nichtmitgliedergeschäften ist steuerpflichtig.
- Beispiele:
- Eine Maschinengenossenschaft erhält aus öffentlichen Mitteln eine Subvention zum Ankauf einer Maschine mit der Auflage, diese Maschine allen Landwirten ihres Bereiches leihweise zu überlassen.
- Eine Genossenschaft betreibt eine Brückenwaage mit Öffentlichkeitspflicht.
20.4.2 Aktive Preispolitik
Darunter ist eine unangemessene, dem Fremdvergleich nicht standhaltende Preisgestaltung der Genossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern zu verstehen. Durch die beim Geschäftsabschluss (Einkauf oder Verkauf) unmittelbare Weitergabe von Preisvorteilen an die Mitglieder wird das Entstehen von Gewinnen bei der Genossenschaft verhindert. Die Vorteilszuwendungen im Rahmen der „aktiven Preispolitik“ sind als verdeckte Ausschüttung zu behandeln. Die „aktive Preispolitik“ kann in folgenden Bereichen auftreten:
- im Absatzgeschäft: durch Verrechnung von überhöhten Übernahmspreisen für die angelieferten Produkte an die Genossenschaft, und
- im Bezugsgeschäft: durch Verrechnung von Unterpreisen beim Verkauf von Waren und Artikeln an die Mitglieder, und
- im Leistungsbereich: durch Verrechnung von Unkostenbeiträgen (bzw. Verrechnung von Zuschlägen) ausschließlich an Nichtmitglieder bei Inanspruchnahme von genossenschaftlichen Anlagen
- Beispiel 1:
- Preisvorteile an die Mitglieder in Höhe von 5% bis 10% vom fremdüblichen Marktpreis der angelieferten bzw. verkauften Produkte an die Mitglieder erscheinen nicht angemessen und halten dem Fremdvergleich nicht stand. Diese Beträge stellen bei der Genossenschaft Einkommensverwendung dar und sind als verdeckte Ausschüttung zu behandeln.
- Beispiel 2:
- Die Weitergabe von Preisvorteilen im Bezugsgeschäft, die durch größere Einkaufseinheiten von Lieferanten generell an Kunden (Mitglieder und Nichtmitglieder) in gleicher Höhe weitergegeben werden, ist als Betriebsausgabe (Rabatt) abzugsfähig.
- Beispiel 3:
- Wenn Genossenschaften im Zuge der Getreideübernahme nur den Nichtmitgliedern Anlagenbenützungsgebühren, Zuschläge bei den Trocknungsgebühren oder höhere Regiezuschläge in den Werkstätten verrechnen, stellen diese Preisvorteile auf Grund der Konditionendifferenzierungen bei den Mitgliedern verdeckte Ausschüttungen dar.
Bezüglich steuerlicher Behandlung der offenen und verdeckten Ausschüttung bei der Genossenschaft bzw. bei den Mitgliedern siehe Rz 1404 bis 1413.
20.4.3 Warenrückvergütungen und Geschäftsanteilverzinsung
20.4.3.1 Warenrückvergütungen
Warenrückvergütungen sind Rückzahlungen von Überschüssen aus dem Mitgliedergeschäft an die Genossenschafter. Sie sind nach Jahreserfolg und Jahresumsatz aus den Mitgliedergeschäften abhängige Vergütungen (Umsatzdividenden), die nach Maßgabe der Häufigkeit der Inanspruchnahme der Genossenschaft durch die einzelnen Mitglieder für die getätigten Umsätze im Bezugsgeschäft und Absatzgeschäft im Nachhinein bezahlt werden, unabhängig von der Kapitalbeteiligung.
Gemäß § 8 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 sind Rückvergütungen, die von Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften gewährt werden und aus dem Mitgliedergeschäft erwirtschaftet wurden, generell als Einkommensverwendung bzw. offene Ausschüttung anzusehen und stellen trotz des Förderungsauftrages gemäß § 1 GenG keine gewinnmindernden Betriebsausgaben dar, unabhängig davon, ob die Vergütungen bereits am Beginn des Wirtschaftsjahres dem Grunde und der Höhe nach feststehen oder erst am Ende des Wirtschaftsjahres beschlossen werden. Der Zusatz „Mitgliedergeschäft“ dient nur zur Klarstellung, denn die Überschussverteilung aus dem „Nichtmitgliedergeschäft“ stellt ohne Zweifel Einkommensverwendung dar. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Judikatur des VfGH (VfGH 5.10.1994, G 252/93) verwiesen, dem zufolge zwischen den Einkaufsgenossenschaften und Verkaufsgenossenschaften und den Verbrauchergenossenschaften keine steuerlichen Unterschiede zu erkennen sind und die Sondervorschriften für Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften gemäß § 13 KStG 1988 als verfassungswidrig aufgehoben wurden. Die rückbezahlten Beträge an die Genossenschaftsmitglieder sind daher bei allen Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften (auch bei den Verbrauchergenossenschaften) der Körperschaftsteuer zu unterziehen und als offene Ausschüttung bzw. als verdeckte Ausschüttung (falls diese Beträge von der Genossenschaft als Betriebsausgaben abgezogen wurden) an die Genossenschaftsmitglieder zu behandeln.
Bei den empfangenden Genossenschaftern (Landwirte und Forstwirte, Privatpersonen) unterliegen die Rückvergütungen (wie auch die restlichen Gewinnanteile eines Genossenschaftsanteiles) unabhängig von der Zugehörigkeit der Genossenschaftsanteile zum Betriebs- oder Privatvermögen als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 27 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988) der Abgeltungswirkung durch Einbehaltung der Kapitalertragsteuer durch die Genossenschaft, die für die Abfuhr der Kapitalertragsteuer haftet (vgl. § 93 Abs. 2 Z 1 und § 95 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988).
Bei Körperschaften als Genossenschaftsmitgliedern sind derartige Beteiligungserträge aus Rückvergütungen (Kaufpreisrückvergütungen und Kaufpreisnachzahlungen) von inländischen Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 KStG 1988 befreit. Gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 kann ein Kapitalertragsteuerabzug unterbleiben, wenn die Beteiligung an der Genossenschaft mindestens 10% beträgt. Unter die Beteiligungsertragsbefreiung fallen gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 KStG 1988 weiters Gewinnanteile jeder Art (Geschäftsanteilverzinsung, Ausschüttung von Dividenden) auf Grund eines Genossenschaftsanteiles (siehe Rz 1162).
Rückvergütungen der Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften an ihre Genossenschaftsmitglieder können in folgender Form nach Schluss des Wirtschaftsjahres geleistet werden:
- Kaufpreisrückvergütungen: Warenrückvergütungen, Warenrabatte für Produkte und Artikel, welche die Mitglieder zu überhöhten Preisen im Bezugsgeschäft von der Genossenschaft (bei günstiger Entwicklung von Beschaffungspreisen) erworben haben. (zB Kunstdünger, Pflanzenschutzmitteln, Saatgut, Futtermittel, Treibstoffe und sonstige Artikel aus den Lebensmittelmärkten und Baumärkten)
- Kaufpreisnachzahlungen: für Produkte (zB Getreide, Kartoffel, Holz, Alternativprodukte, Milch, Wein), die von den Mitgliedern an die Genossenschaft geliefert wurden. Vergütungen für zu geringe Übernahmspreise bei späterer günstiger Entwicklung im Absatzgeschäft, und
- Unkostenvergütungen: Rückzahlungen im Leistungsbereich der Genossenschaft. Entweder wurden Leistungen der Mitglieder zu gering vergütet oder von der Genossenschaft für ihre eigenen Leistungen zu hohe Unkostenbeiträge eingehoben.
Der Rückvergütung liegt ein Umsatzvorgang zu Grunde (Liefervertrag) und auch ein genossenschaftsrechtlicher Grund, der für die steuerliche Beurteilung (gewinnmindernder Rabatt bzw. Wareneinsatz oder Gewinnverwendung) maßgeblich ist. Ein entscheidendes Kriterium für die steuerliche Beurteilung (Betriebsausgabe oder Einkommensverwendung) ist, ob die Leistung der Rückvergütung durch die Genossenschaft an die Mitglieder ihren Rechtsgrund aus einem Liefervertrag oder dem Gesellschaftsvertrag abgeleitet. Die Klärung dieser Frage ist schwierig, da der Empfänger der Rückvergütung sowohl Anteilseigner als auch Kunde bzw. Lieferant ist.
Mengenabhängige Rabatte und Lieferantenrabatte aus dem Bezugsgeschäft der Genossenschaft, wie sie auch von anderen Firmen gewährt werden bzw. unabhängig vom Erfolg der Genossenschaft gewährt werden (Fremdvergleichsgrundsatz: auch Nichtmitgliedern) stellen keine Rückvergütungen gemäß § 8 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 dar, sondern gewinnmindernde Erlösberichtigungen. Falls ein Rabattanspruch nur Genossenschaftern und nicht allen Kunden (Nichtmitgliedern) zusteht, ist die Auszahlung solcher Vergütungen als verdeckte Ausschüttung zu beurteilen.
- Beispiel:
- Legt eine Einkaufsgenossenschaft und Verkaufsgenossenschaft vor Beginn des Wirtschaftsjahres fest, dass nur die Mitglieder aus dem Bezugsgeschäft nach Ende des Jahres eine Kaufpreisrückvergütung in Höhe von 1% (2%, 3%) der bezogenen Waren erhalten, stellen diese Beträge Einkommensverwendung dar.
Kaufpreisnachzahlungen für angelieferte Produkte, deren Preise nach Qualitätskriterien gestaffelt werden, sind keine Rückvergütungen gemäß § 8 Abs. 3 Z 2 KStG 1988, sondern gewinnmindernd als Betriebsausgaben (Wareneinsatz) abzugsfähig. Andererseits werden auch Preisabzüge (für Reinigungskosten und Trocknungskosten der Genossenschaft) für mindere Qualität der angelieferten Produkte an den Lieferanten weitergegeben und stellen Qualitätsabschläge dar. Eine spätere Auszahlung von Teilen der festgelegten Übernahmspreise (zB erst bei Weiterverkauf der Ernte oder nach erfolgter Qualitätsbestimmung) stellt keine Rückvergütung dar, wenn diese erfolgsunabhängig ist.
- Beispiel 1:
- Bei der Anlieferung von Gerste wird der Preis für Futtergerste bezahlt. Falls die Qualitätsanforderungen stimmen und die Gerste an Brauereien weiterverkauft werden kann, wird die Differenz zum Übernahmspreis für die qualitativ höherwertige Braugerste nachbezahlt. Diese Beträge sind keine Rückvergütungen, sondern Betriebsausgaben.
- Beispiel 2:
- Kaufpreisnachzahlungen an die Mitglieder in Höhe von 5% bis 10% vom üblichen Marktpreis der angelieferten Produkte erscheinen nicht angemessen und halten dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht stand. Diese Beträge stellen bei der Genossenschaft Einkommensverwendung dar und sind entsprechend als verdeckte Ausschüttung zu behandeln.
- Beispiel 3:
- Werden im Zuge der Getreideanlieferung von Lieferanten (Mitglieder und Nichtmitglieder) durch die Genossenschaft generell Anlagenbenützungsgebühren oder Zuschläge bei den Trocknungsgebühren verrechnet, und werden diese eingehobenen Unkostenbeiträge nach Ende des Wirtschaftsjahres nur an die Mitglieder rückvergütet, stellen diese Beträge eine verdeckte Ausschüttung bei den Mitgliedern dar.
Gewinnverteilungen nach Höhe der Genossenschaftsanteile (Geschäftsanteilverzinsung, Dividenden) stellen auf alle Fälle Einkommensverwendung dar (siehe Rz 1414).
Unter bestimmten Voraussetzungen ist es jedoch möglich, dass Kaufpreisrückvergütungen und Kaufpreisnachzahlungen an die Mitglieder bei der Genossenschaft abzugsfähige Betriebsausgaben, entweder als Erlösberichtigungen in Form von Rabatten oder als erhöhten Wareneinsatz, darstellen. Bei den empfangenden Genossenschaftern unterliegen diese Gutschriften folglich nicht der Endbesteuerung von Kapitalerträgen.
Die von den landwirtschaftlichen Genossenschaften eingeräumten Preisvorteile auf die üblichen Marktpreise an ihre Kunden (Mitglieder und Nichtmitglieder)
- für den Ankauf von landwirtschaftlichen Produkten (bei Genossenschaft erhöhte Preise für übernommene Waren von den Landwirten) durch Preisnachzahlungen im Absatzgeschäft der Genossenschaften und
- für den Verkauf von Waren (durch Genossenschaft an ihre Abnehmer zu ermäßigten Preisen) durch Rabattgewährungen im Bezugsgeschäft der Genossenschaften
können entweder unmittelbar beim Warenaustausch (aktive Preispolitik) oder nachträglich nach Abschluss des Wirtschaftsjahres (Rückvergütungen) verrechnet werden. Derartige Preisnachzahlungen und Rabattgewährungen bilden steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben (samt Umsatzsteuerkorrektur), wenn folgende Voraussetzungen erfüllt werden:
- Die Beschlüsse über die Gewährung von Preisvorteilen durch die zuständigen Genossenschaftsorgane müssen im Voraus gefasst werden. Somit können nur solche Vergütungsbeträge abgesetzt werden, die auf Ankäufe und Verkäufe entfallen, die frühestens nach dem Tag der Beschlussfassung getätigt werden.
- Die Beschlüsse müssen gehörig kundgemacht werden (Anschlag auf dem Schwarzen Brett einer jeden Geschäftsstelle oder durch Aussendungen), sodass gewährleistet ist, dass im Zeitpunkt des Umsatzes (Warenaustausches) die Vergütungen, da den Kontrahenten bekannt, einen festen Preisbestandteil bilden.
- Der Preisvorteil muss Genossenschaftsmitgliedern und Nichtmitgliedern in gleicher Höhe gewährt werden, um dem Fremdvergleichsgrundsatz standzuhalten.
- Die Vergütungen dürfen eine angemessene handelsübliche Höhe nicht überschreiten. Als oberste Grenze einer noch zulässigen Vergütung kann die Deckung im Warenbruttogewinn (Differenz zwischen Verkaufspreis und Einstandspreis der betreffenden Ware) angesehen werden. Ausnahmen sind nur in folgenden Fällen vertretbar:
- Zwingender Konkurrenzdruck
- Abverkauf von Ladenhütern
- Bewerbung eines neuen Artikels
- Werbemaßnahme
- Räumungsverkäufe.
- Die Auszahlung der Preisnachzahlungen oder Rabatte ist jeweils spätestens bis Ende des Wirtschaftsjahres durchzuführen, das auf jenes folgt, wofür der Rechtsanspruch besteht, oder die Genossenschaft hat die bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten Verständigungen der betroffenen Lieferanten bzw. Kunden nachzuweisen, mit welchen den Empfängern die genaue Höhe ihrer Ansprüche bekanntgegeben wird. Dieser Nachweis kann durch Postbestätigungen, von den Empfängern gefertigte Empfangsbestätigungen oder Listen erbracht werden. Die bloße Verbuchung des Vergütungsbetrages, auch wenn diese auf dem Kontokorrentkonto erfolgt, ersetzt nicht die belegmäßige Verständigung.
- Die Verständigung der Empfänger mittels Belegen, die den im § 11 UStG 1994 enthaltenen Erfordernissen für Rechnungen und Gutschriften entsprechen, ist auch deswegen geboten, weil die Genossenschaften nur bei Vorliegen von umsatzsteuergerechten Belegen berechtigt sind, ihre abziehbaren Vorsteuern um die auf die Preisnachzahlungen entfallenden Umsatzsteuerbeträge zu erhöhen bzw. ihre abzuführende Umsatzsteuer um die auf die Rabatte entfallenden Umsatzsteuerbeträge zu mindern.
- Sollten Preisnachzahlungen bzw. Rabatte bis zum Ende des Wirtschaftsjahres, das dem Wirtschaftsjahr folgt, in dem der Anspruch auf diese Preisvorteile entstanden ist, weder ausbezahlt noch mit den einzelnen Vergütungsberechtigten belegmäßig abgerechnet (unabhängig ob bereits verfügbar) worden sein, sind diese Beträge der Körperschaftsteuer zu unterziehen.
20.4.3.2 Geschäftsanteilverzinsung
Die Geschäftsanteilverzinsung stellt ebenfalls eine Verteilung des Gewinnes an das Genossenschaftsmitglied dar. Sie ist vergleichbar mit einer Dividende, die für Kapitalbindung an der Genossenschaft bezahlt wird und nach Maßgabe der Kapitalbeteiligung dem Mitglied zu Gute kommt. Eine Verzinsung der von den Genossenschaftsmitgliedern gezeichneten und eingezahlten Geschäftsanteile durch die Erwerbsgenossenschaften und Wirtschaftsgenossenschaften stellt auf alle Fälle eine Ausschüttung dar. Die an die Mitglieder bezahlten Zinsen mindern daher nicht den körperschaftsteuerpflichtigen Gewinn der Genossenschaft, unabhängig davon, ob der Beschluss der Genossenschaft vor oder nach dem betreffenden Wirtschaftsjahr getroffen wurde. Der Jahreserfolg der Genossenschaft sowie die Höhe bzw. der Prozentsatz der bezahlten Zinsen sind für die steuerliche Beurteilung ebenfalls irrelevant. Zur körperschaftsteuerlichen Behandlung bei der Genossenschaft und Endbesteuerung von Kapitalerträgen bei den Empfängern siehe Rz 1404 bis 1413.