22.4.3.3 Behördlicher Eingriff
Befreit ist die Veräußerung von Grundstücken infolge eines behördlichen Eingriffs oder zur Vermeidung eines solchen nachweisbar unmittelbar drohenden Eingriffs. Diese Befreiung gilt ab 1.4.2012 auch für zu einem Betriebsvermögen gehörende Grundstücke (§ 4 Abs. 3a Z 1 EStG 1988), insoweit verliert damit § 37 Abs. 3 EStG 1988 (Fünfjahresverteilung der Einkünfte) für Grundstücke seinen Anwendungsbereich.
Zum Begriff „behördlicher Eingriff“ siehe Rz 7371 f.
Ein behördlicher Eingriff liegt auch dann vor, wenn er sich auf Grund von gesetzlichen Vorschriften ergibt, die in einem auf Antrag des Steuerpflichtigen eingeleiteten Bauverfahren anzuwenden sind (VwGH 28.11.2007, 2007/14/0009, betr. Abtretung von Grundfläche an die Gemeinde für Gehsteig). Bestehen keine Zweifel, dass die Behörde einen zwangsweisen Eigentumsentzug durchsetzen kann, ist es unerheblich, ob bereits mit einem Enteignungsverfahren begonnen wurde oder andere rechtliche Schritte zur Durchsetzung der bereits bestehenden Verpflichtung erfolgt sind (VwGH 28.11.2007, 2007/14/0009). Unmittelbar drohend ist ein behördlicher Eingriff, wenn ein solcher nachweislich vom möglichen Enteignungswerber für den Fall der Ablehnung des Anbots angedroht worden ist.
Die Bestimmung will lediglich jene rechtsgeschäftliche Rechtsübertragung aus der steuerlichen Erfassung ausnehmen, die das gleiche Ergebnis zum Inhalt hat, welches – bei Unterbleiben einer rechtsgeschäftlichen Einigung – durch behördlichen Eingriff zwangsweise hergestellt wird. Es bestehen aber keine Bedenken, die Befreiung auch für zusätzlich abgelöste, aber an sich nicht von einem behördlichen Eingriff betroffene Flächen im Ausmaß von höchstens 20% der vom behördlichen Eingriff betroffenen Fläche zu gewähren (Freigrenze).
Die Veräußerung einer Liegenschaft (von Liegenschaftsteilen) an eine vom Enteignungswerber verschiedene Person ist keine Veräußerung zur Vermeidung eines unmittelbar drohenden behördlichen Eingriffs (VwGH 25.2.2003, 99/14/0316).
Wird ein Vermögensgegenstand im Rahmen einer Zwangsversteigerung übertragen, so ist dies kein behördlicher Eingriff im Sinne einer Enteignung, sondern ein Veräußerungsgeschäft (VwGH 25.10.1995, 94/15/0009). Auch die Veräußerung wegen Verhaftung eines Steuerpflichtigen erfolgt nicht in Folge eines behördlichen Eingriffs (VwGH 3.8.2004, 2001/13/0128).
In einem Zusammenlegungs- oder Flurbereinigungsverfahren (siehe dazu Rz 6652) können auch Nachteile abgewendet, gemildert oder behoben werden, die durch Maßnahmen im öffentlichen Interesse (zB Errichtung oder Änderung von Straßen, Wegen, Eisenbahnen, Wasserläufen usw.) verursacht werden. Werden in diesem Zusammenhang von Seiten der Gebietskörperschaften keine Grundflächen in das Zusammenlegungs- oder Flurbereinigungsverfahren eingebracht, haben diese für die im öffentlichen Interesse bereitgestellten Grundflächen jenen Betrag zu bezahlen, den sie mit den Grundeigentümern außerhalb eines Zusammenlegungs- oder Flurbereinigungsverfahrens als Entschädigung im Falle einer Enteignung gezahlt hätten (§ 9 Abs. 2 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951). Wäre in diesen Einzelfällen auch eine Enteignung möglich, kann eine solche Entschädigung im Rahmen eines Zusammenlegungs- oder Flurbereinigungsverfahrens daher unter die Befreiung nach § 30 Abs. 2 Z 3 EStG 1988 subsumiert werden.
22.4.3.4 Flurbereinigung, Grundstückszusammenlegung, Baulandumlegung
Grundsätzlich sind Tauschvorgänge wie Veräußerungsvorgänge (und Anschaffungsvorgänge) zu werten (siehe Rz 6626). § 30 Abs. 2 Z 4 EStG 1988 befreit ab 1.4.2012 ausdrücklich Tauschvorgänge im „Flurbereinigungsverfahren“ iSd Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 sowie „Baulandumlegungsverfahren“ (insbesondere behördliche Maßnahmen zur besseren Gestaltung von Bauland). Welche konkreten Maßnahmen als Baulandumlegung anzusehen sind, ist in den jeweiligen Landesgesetzen auf dem Gebiet der Raumordnung geregelt. Maßgeblich ist, dass von einer Baulandumlegung stets ein zusammenhängendes Gebiet betroffen ist. Solche Verfahren liegen aber nur dann vor, wenn sie behördlich abgeschlossen sind. Die Antragstellung auf Einleitung eines solchen Verfahrens reicht für die Inanspruchnahme der Befreiung nach § 30 Abs. 2 Z 4 EStG 1988 nicht aus.
Vor dem 1.4.2012 waren derartige Vorgänge bereits nach Rz 6659 idF vor dem Wartungserlass 2013 nicht als Anschaffung/Veräußerung gewertet worden. Daher gelten die im Rahmen solcher Vorgänge erworbenen Grundstücke als unentgeltlich erworben. Das in einem solchen Verfahren erworbene Grundstück tritt hinsichtlich aller für die Ermittlung relevanter Umstände (Anschaffungszeitpunkt, Anschaffungskosten, eventuelle Umwidmung) an die Stelle des hingegebenen Grundstücks. Die bisherigen Besteuerungsmerkmale des hingegebenen Grundstücks bleiben somit im erworbenen Grundstück erhalten und sind für eine nachfolgende Veräußerung weiterhin maßgebend. Daher sind insbesondere die Anschaffungskosten des/der hingegebenen Grundstücke(s) als Anschaffungskosten des erworbenen Grundstücks anzusetzen (allfällige Ausgleichszahlungen und andere Nebenkosten sind nicht zu berücksichtigen).
Beispiel:
Ein Steuerpflichtiger ist Eigentümer von drei Grundstücken, die in ein Flurbereinigungsverfahren einbezogen werden. Zwei dieser Grundstücke (A und B) sind Altgrundstücke, das dritte Grundstück (C) ist ein Neugrundstück (Anschaffungskosten 40.000 Euro). Grundstück B wurde im Jahr 1995 in Bauland umgewidmet. Im Zuge der Flurbereinigung erhält der Steuerpflichtige für die Grundstücke A, B und C das (wertmäßig entsprechende) Grundstück D.
Grundstück A wird in der Flurbereinigung mit 20.000 Euro bewertet;
Grundstück B wird in der Flurbereinigung mit 30.000 Euro bewertet;
Grundstück C wird in der Flurbereinigung mit 50.000 Euro bewertet.
Die Grundstücke stehen daher in einem Wertverhältnis von 2/10 (A) zu 3/10 (B) zu 5/10 (C).
Der Tauschvorgang im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens ist steuerbefreit.
Das erhaltene Grundstück D wird am 1.10.2012 um 150.000 Euro veräußert. Es liegen steuerpflichtige Einkünfte nach § 30 EStG 1988 vor, wobei die Einkünfte unter Beachtung der Merkmale der weggetauschten Grundstücke A, B und C zu ermitteln sind:
2/10 des Veräußerungserlöses, somit 30.000 Euro, entfällt demnach auf Grundstück A. Da es sich um ein nicht umgewidmetes Altgrundstück handelt, sind die Einkünfte grundsätzlich nach § 30 Abs. 4 EStG 1988 in Höhe von 30.000 x 14% = 4.200 Euro zu ermitteln. 3/10 des Veräußerungserlöses, somit 45.000 Euro, entfällt auf Grundstück B. Als umgewidmetes Altgrundstück betragen die Einkünfte nach § 30 Abs. 4 EStG 1988 45.000 x 60% = 27.000 Euro.
5/10 des Veräußerungserlöses, somit 75.000 Euro, entfallen auf Grundstück C. Als Neugrundstück sind die Einkünfte nach § 30 Abs. 3 EStG 1988 mit 75.000 abzüglich 40.000 Euro Anschaffungskosten = 35.000 Euro zu ermitteln. Zusätzlich sind die Kosten der Mitteilung und Selbstberechnung abziehbar (für die gesamte Grundstücksveräußerung; siehe dazu Rz 6666).
Für die Grundstücke A und B könnten die Einkünfte über Antrag ebenfalls nach § 30 Abs. 3 EStG 1988 (Regeleinkünfteermittlung) berechnet werden. In diesem Fall wäre ein Inflationsabschlag für Veräußerungen, bei denen das Verpflichtungsgeschäft vor dem 1.1.2016 abgeschlossen wird, entsprechend der über 10 Jahre hinausgehenden Behaltedauer (von der Veräußerung des Grundstücks D zurückgerechnet, für Grundstück B allerdings nur bis zum Umwidmungszeitpunkt 1995 zurück) zu berücksichtigen.
Eine Ausgleichszahlung in Geld ist in dem nach den jeweiligen Gesetzesbestimmungen zulässigen Ausmaß von der Befreiung ebenfalls erfasst (Freibetrag), eine darüber hinausgehende Zahlung ist jedoch nicht befreit, wobei im Zweifel jedoch davon auszugehen ist, dass die Ausgleichszahlung zulässig ist. Liegt eine steuerpflichtige Ausgleichszahlung vor, sind zur Ermittlung der Einkünfte von der Ausgleichszahlung die Anschaffungskosten des hingegebenen Grundstückes in jenem Ausmaß in Abzug zu bringen, das dem Verhältnis der Ausgleichszahlung zum gemeinen Wert des/der hingegebenen Grundstücke(s) entspricht. Der steuerpflichtige Wertausgleich erhöht die Anschaffungskosten des Zahlers.
Übersteigt die erhaltene Ausgleichszahlung die Hälfte des Wertes des/der hingegebenen Grundstücke(s), stellt dieses Geschäft keinen Tauschvorgang von Grundstücken iSd § 30 Abs. 2 Z 4 EStG 1988 dar. In diesem Fall ist die Steuerbefreiung auf diese Grundstücksveräußerung nicht anwendbar. Die Beurteilung, ob ein Tauschvorgang vorliegt, ist für jede von der Zusammenlegung, Flurbereinigung oder Baulandumlegung betroffene Person gesondert vorzunehmen; liegt auf Grund einer Ausgleichszahlung von mehr als 50% ein Tauschvorgang iSd § 30 Abs. 2 Z 4 EStG 1988 nicht vor, hat dies keine Auswirkungen auf die anderen Beteiligten des Flurbereinigungsverfahrens (zB jene Beteiligte, die keine Ausgleichszahlung erhalten oder jene Beteiligte, die eine Ausgleichszahlung entrichten).
Die Steuerbefreiung besteht allerdings nur für jene Steuerpflichtigen, für die auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften bezüglich der Flurverfassung die Wirkungen eines Zusammenlegungs- oder Flurbereinigungsverfahrens eintreten.
Tauschvorgänge in der Art einer Flurbereinigung (Baulandumlegung) außerhalb eines behördlichen Verfahrens nach den gesetzlichen Bestimmungen sind von der Befreiung grundsätzlich nicht umfasst. Davon abweichend gilt jedoch:
- Für einen „privaten“ Flurbereinigungstauschvertrag, für den die Erforderlichkeit für die Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens bescheidmäßig festgestellt wurde und für ein Flurbereinigungsübereinkommen, das vor der Agrarbezirksbehörde beurkundet wurde, ist § 30 Abs. 2 Z 4 EStG 1988 anwendbar (die bloße Antragstellung auf Beurkundung ist noch nicht ausreichend).
- Bei Tauschvorgängen im Zusammenhang mit behördlichen Maßnahmen zur besseren Gestaltung von Bauland kommt die Befreiung auch dann zur Anwendung, wenn es keine landesgesetzlichen Vorschriften gibt, das öffentliche Interesse und die behördliche Mitwirkung allerdings anderweitig dokumentiert ist (Tausch- und Ringtauschvereinbarungen); dies wird insbesondere durch Vorlage entsprechender Gemeinderatsbeschlüsse möglich sein. Tausch- und Ringtauschvereinbarungen im Einklang mit den Flächenwidmungsplänen (Bebauungsplänen) von Gemeinden zählen nicht als behördliche Maßnahmen zur besseren Gestaltung von Bauland.
Im Rahmen eines Zusammenlegungs- oder Flurbereinigungsverfahrens sind Grundstücke mitunter zur Errichtung von Anlagen zu übertragen, die zur zweckmäßigen Erschließung und Bewirtschaftung des von der Maßnahme betroffenen Gebietes notwendig sind oder sonst die Ziele der Zusammenlegung oder Flurbereinigung fördern. Werden Grundstücke ohne Zustimmung des Grundeigentümers auf Basis des jeweiligen Flurverfassungsgesetzes in Anspruch genommen und dabei das Eigentum auf die öffentliche Hand übertragen oder zu deren Gunsten mit enteignungsähnlicher Wirkung beschränkt (siehe Rz 7371), stellt dies einen behördlichen Eingriff dar; wird an Stelle eines Ersatzgrundstückes eine Geldentschädigung geleistet, ist diese gemäß § 30 Abs. 2 Z 3 EStG 1988 steuerfrei.
22.4.3.5 Entschädigung für die Wertminderung von Grundstücken
Nach § 3 Abs. 1 Z 33 EStG 1988 befreit sind Abgeltungen für Wertminderungen von Grundstücken auf Grund von Maßnahmen im öffentlichen Interesse. In diesem Zusammenhang kommen zB Entschädigungen für die Überspannung durch eine Starkstromleitung, die Errichtung einer Pipeline, die Errichtung eines Abwasserkanals oder die Entschädigung für den Abriss eines Gebäudes in einem (nachträglich ausgeweiteten) Überschwemmungsgebiet in Betracht. Mangels einer ausdrücklichen Bestimmung kürzen derartige Entschädigung nicht die Anschaffungskosten (§ 6 Z 10 EStG 1988 ist bereits mangels Anschaffung/Herstellung nicht anwendbar). Von der Abgeltung der Wertminderung sind allerdings jene Beträge zu unterscheiden, die für eine Servitutseinräumung empfangen werden (zB Nutzungsentgelt für die Duldung eines Leistungsrechtes). Insoweit liegen steuerpflichtige Einkünfte (betriebliche Einkünfte oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, vgl. Rz 6409) vor.
Beispiel:
Privater Grund und Boden (1.000 m2) wurde um 10 €/m2 angeschafft. Im maßgeblichen Zeitpunkt beträgt der Wert des Grundstücks bereits 60 €/m2. Die tatsächliche Bodenwertminderung zB aufgrund einer Starkstromleitung beträgt – ausgehend vom aktuellen Wert von 60 €/m² – 20 €/m². Die von der Wertminderung betroffene Fläche (Servitutsstreifen für die Stromleitung) beträgt 100 m2. Der Steuerpflichtige erhält 7.000 € als Einmalbetrag ab dem Folgejahr 2.500 € laufend als Entschädigung. Davon sind 100 x 20 € = 2.000 € als steuerbefreite Wertminderung zu beurteilen. Der Rest der Entschädigungszahlung sowie die laufende jährliche Zahlung sind als Entgelt für die Duldung der Starkstromleitung (Servitut) zu beurteilen. Diese Entschädigungszahlung ist als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen.
Veräußert der Steuerpflichtige in der Folge das Grundstück um 58.000 € (entspricht dem Wert nach Wertminderung), liegen im Falle eines Neugrundstücks Einkünfte nach § 30 Abs. 3 EStG 1988 in Höhe von 48.000 € vor (vor Abzug von abziehbaren Kosten für Mitteilung und Selbstberechnung). Die schon vorweg erhaltenen 2.000 € werden nicht nacherfasst. Im Falle eines Altgrundstücks wären die Einkünfte grundsätzlich nach § 30 Abs. 4 EStG 1988 zu ermitteln.
Soweit eine Veräußerung des Grundstücks vorliegt, ist diese Befreiung nicht anwendbar. Wurde eine Abgeltung für Wertminderung im öffentlichen Interesse empfangen, ist die Wertminderung aber tatsächlich nicht eingetreten (zB die Starkstromleitung wurde nicht errichtet), und muss keine Rückzahlung geleistet werden, stellt sich nachträglich heraus, dass kein Befreiungstatbestand vorgelegen ist; dies stellt ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO dar.
22.4.4 Ermittlung der Einkünfte
22.4.4.1 Altgrundstücke, Neugrundstücke
Entscheidend für die Ermittlung der Einkünfte und den Umfang der Steuerpflicht ist, ob es sich handelt um
- Altgrundstücke oder
- Neugrundstücke.
Maßgebender Stichtag ist dabei der 31.3.2012. Grundstücke, die zum 31.3.2012 steuerverfangen waren oder nach diesem Zeitpunkt angeschafft werden (worden sind), gelten als Neugrundstücke. Zu diesem Stichtag nicht steuerverfangene Grundstücke gelten als Altgrundstücke. Für private Grundstücke sowie für zu einem Betriebsvermögen gehörenden Grund und Boden außerhalb der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1988 ist für die Frage der Steuerverfangenheit alleine auf die bisherige Spekulationsfrist im Sinne des § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 idF vor dem 1. StabG 2012 abzustellen. Damit ergibt sich idR als Anschaffungsstichtag der 31.3./1.4.2002:
31.3.2002x) |
31.3./1.4.2012 |
||||
← Anschaffung vor 31.3.2002x) | ← Anschaffung ab dem 31.3.2002x) | Veräußerung → | |||
= nicht steuerverfangen am 31.3.2012 | = steuerverfangen am 31.3.2012 | ||||
= Altgrundstück | = Neugrundstück | ||||
grundsätzlich pauschale Einkünfteermittlung (§ 30 Abs. 4 EStG 1988), | zwingende Regeleinkünfteermittlung (§ 30 Abs. 3 EStG 1988) |
x) 31.3.1997 bei bisher 15-jähriger Spekulationsfrist wegen § 28 Abs. 3 EStG 1988 (§ 30 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 idF vor 1. StabG 2012).
Wird ein Grundstück sukzessiv erworben, kann die pauschale Einkünfteermittlung nur bezüglich jenes Anteils am Grundstück angewendet werden, der am 31.3.2012 nicht mehr steuerverfangen war; für jenen Anteil, der zu einem späteren Zeitpunkt angeschafft wurde und somit zum 31.3.2012 steuerverfangen war, kann daher nur die Regeleinkünfteermittlung nach § 30 Abs. 3 EStG 1988 angewendet werden (vgl. VwGH 2.10.2014, 2012/15/0083). Der Veräußerungserlös für das gesamte Grundstück ist daher entsprechend aufzuteilen. In diesem Fall kann die Aufteilung der Anschaffungskosten und des Veräußerungserlöses an Hand der den jeweiligen Anteilen am Grund und Boden und dem Gebäude zuzuordnenden Fläche erfolgen. Dies gilt auch für den Fall, dass das sukzessive erworbene Grundstück nur anteilig veräußert wird.
Maßgeblich ist die abstrakte Steuerbarkeit nach § 30 EStG 1988 idF vor 1. StabG 2012, nicht aber, ob im Falle der Veräußerung am 31.3.2012 tatsächlich ein steuerpflichtiger Spekulationsgewinn (oder -verlust) entstanden wäre oder der Vorgang aufgrund von einer Befreiung (Hauptwohnsitzbefreiung, Herstellerbefreiung) nicht steuerpflichtig wäre (BFG vom 5.4.2016, RV/3101110/2014).
Bei Grund und Boden, Gebäuden und grundstücksgleichen Rechten handelt es sich um selbständige Wirtschaftsgüter. Ab dem In-Kraft-Treten des 1. StabG 2012 ist die Einheitstheorie auf bebaute Grundstücke nicht mehr anzuwenden. Daher ist ab diesem Zeitpunkt auch die Beurteilung, ob Altvermögen vorliegt, für jedes Wirtschaftsgut selbst zu treffen. Wird daher auf vor dem 31.3.2002 angeschafftem Grund und Boden nach dem 31.3.2012 mit der Errichtung eines Gebäudes begonnen (maßgeblich ist der Beginn der tatsächlichen Bauausführung) oder ein grundstücksgleiches Recht eingeräumt, stellt das Gebäude oder grundstücksgleiche Recht Neuvermögen dar. Wird mit der Errichtung eines Gebäudes vor dem 31.3.2012 begonnen, stellt das Gebäude aufgrund der Einheitstheorie Altvermögen dar. Wird das bebaute Grundstück nach dem 31.3.2012 veräußert, liegen im Zeitpunkt der Veräußerung getrennte Wirtschaftsgüter vor und kann die Option zur Regeleinkünfteermittlung für beide Wirtschaftsgüter getrennt ausgeübt werden (siehe dazu Rz 6675).
Wird ein Grundstück veräußert, das aus einem Betriebsvermögen entnommen und vorher mit dem Teilwert eingelegt wurde, gilt der Unterschiedsbetrag zwischen dem Teilwert im Zeitpunkt der Einlage und den (ursprünglichen) Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen. Als Veräußerungserlös ist der Teilwert im Zeitpunkt der Einlage ins Betriebsvermögen anzusetzen. Soweit das Grundstück zum 31.3.2012 nicht steuerverfangen war oder es ohne Einlage ins Betriebsvermögen nicht mehr steuerverfangen gewesen wäre, können die Einkünfte pauschal nach § 30 Abs. 4 EStG 1988 ermittelt werden.
Wird ein Superädifikat vor dem 31.3.2002 erworben und der dazugehörige Grund und Boden erst danach, folgt das Superädifikat nicht dem Grund und Boden und ist die Einheitstheorie nicht anzuwenden. Ein Superädifikat stellt wirtschaftlich betrachtet ein selbständiges Wirtschaftsgut dar, sodass es sowohl bei der Anschaffung als auch bei der Veräußerung vom zugehörigen Grund und Boden getrennt zu beurteilen ist. Bezüglich des Superädifikats liegt demnach Altvermögen vor, während der später erworbene Grund und Boden Neuvermögen darstellt.
22.4.4.2 Tatsächlicher Veräußerungserlös
Unabhängig von der Art der Einkünfteermittlung ist der Veräußerungserlös stets in tatsächlicher Höhe anzusetzen; eine allfällig vereinnahmte und abzuführende USt ist nicht Teil des Veräußerungserlöses. Zum Veräußerungserlös gehören vor allem ein empfangener Barkaufpreis sowie die Übernahme von Verbindlichkeiten durch den Erwerber (dazu zählt auch die Übernahme der ImmoESt durch den Erwerber). Werden Verbindlichkeiten übernommen, sind diese unabhängig von der Laufzeit der Verbindlichkeit nicht abzuzinsen. Daneben kommen auch sonstige wirtschaftliche (geldwerte) Vorteile in Betracht. Als Übernahme einer Verbindlichkeit und damit als Gegenleistung zählt auch die Übernahme einer Alleinschuldnerschaft statt einer Solidarschuldnerschaft im Rahmen einer Grundstücks(teil-)übertragung. Dadurch kommt es zu einer Ausweitung der Schuldnerstellung, weil jegliche Regressmöglichkeiten im Innenverhältnis wegfallen und der nunmehrige Alleinschuldner nicht nur rechtlich (wie bisher), sondern auch wirtschaftlich für die gesamte Verbindlichkeit einstehen muss. Der übertragende bisherige Solidarschuldner wird aus seiner Verbindlichkeit entlassen, wodurch er bereichert wird. Die Höhe der Gegenleistung wird nach dem Ausmaß der Bereicherung bemessen; diese bestimmt sich nach dem „Anteil“ am aushaftenden Kredit.
Zur Zurückbehaltung von Nutzungsrechten (Wohnrecht usw.) siehe Rz 6624.
In Veräußerungsraten enthaltene Zinsen oder Wertsicherungsbeträge sind nicht bei Ermittlung der Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen zu berücksichtigen, sondern den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 27 Abs. 2 EStG 1988) zuzurechnen. Gleiches gilt für Stundungszinsen eines gestundeten Kaufpreises; ab einem Jahr ist stets abzuzinsen, sofern keine ausdrückliche Verzinsung vereinbart worden ist.
Wird im Zuge des Erwerbes der gemieteten Wohnung ein Teil der bereits entrichteten Mietzahlungen auf den Kaufpreis angerechnet, stellen diese ebenfalls einen Teil des Veräußerungserlöses dar, wenn bereits bei Abschluss des Mietvertrages die Umwandlung eines Teiles der Mietzahlungen in einen Teil des Kaufpreises für den späteren Erwerb der Mietwohnung durch Mieter vereinbart wurde. Im Gegenzug sind die angerechneten Mietzahlungen im Jahr der Veräußerung als Rückzahlung von Einnahmen als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 bei den Einkünften aus VuV zu berücksichtigen (siehe dazu LStR 2002 Rz 319 bzw. zur Verteilung nach § 28 Abs. 2 EStG 1988Rz 6488a). Wurde die Anrechnung der Mietzahlungen nicht im Mietvertrag, sondern erst im Rahmen der Veräußerung vereinbart, entfaltet dies keine ertragsteuerliche Wirkung; die angerechneten Mietzahlungen sind daher nicht Teil des Veräußerungserlöses.
Wird ein im Miteigentum stehendes Grundstück von einer Mehrzahl der Miteigentümer veräußert, ist der Veräußerungserlös entsprechend der Eigentumsquoten aufzuteilen.
Erforderlichenfalls ist der Veräußerungserlös auf Grund und Boden und Gebäude aufzuteilen. Dies betrifft einerseits Fälle, in denen für das Gebäude die Herstellerbefreiung anzuwenden ist, andererseits kann die private Veräußerung eines ab 1.4.2012 entnommenen bebauten Grundstücks eine getrennte Einkünfteermittlung erforderlich machen. Für zum 31.3.2012 nicht steuerverfangenen Grund und Boden ist die pauschale Einkünfteermittlung anwendbar, für das zum 31.3.2012 steuerverfangene Gebäude ist hingegen die Regeleinkünfteermittlung anzuwenden. Als Anschaffungskosten des entnommenen Gebäude(teile)s ist dabei der Entnahmewert anzusetzen. Hinsichtlich des Gebäudes kann daher ein Inflationsabschlag allenfalls ab der Entnahme (Betriebsaufgabe) berücksichtigt werden. Dies gilt für Veräußerungen nach einer Entnahme (Betriebsaufgabe), bei welchen das maßgebliche Verpflichtungsgeschäft vor dem 1.1.2016 abgeschlossen wurde. Überdies führt die Entnahme von Grund und Boden – von Ausnahmefällen nach § 30a Abs. 3 EStG 1988 abgesehen – ab 1.4.2012 auch bei Neu-Grund-und-Boden zu keiner Gewinnrealisierung, weil sie zum Buchwert zu erfolgen hat (§ 6 Z 4 EStG 1988).
Die Übernahme von Kosten durch den Erwerber kann eine Gegenleistung und somit einen Teil des Veräußerungserlöses darstellen. Dabei gilt Folgendes:
- Vertragserrichtungskosten: Es liegt keine Gegenleistung vor, weil die Vertragserrichtung eindeutig im Interesse beider Parteien vorgenommen wird. Es liegen aber Anschaffungsnebenkosten des Erwerbers vor.
- ImmoESt/besondere VZ: Wird die ImmoESt/besondere VZ durch den Erwerber übernommen, stellt dies eine weitere Gegenleistung und somit einen Teil des Veräußerungserlöses dar. Die Berechnung der zu entrichtenden ImmoESt/besonderen VZ erfolgt in diesem Fall analog zur KESt (vgl. Rz 6218b) mit 33,33% (bei Veräußerungen nach dem 31.12.2015 42,86 %) von den Einkünften (ohne übernommene ImmoESt/besondere VZ). Wird die ImmoESt/besondere VZ pauschal nach § 30 Abs. 4 EStG 1988 berechnet, ist der Veräußerungserlös durch 0,965 (bei Veräußerungen nach dem 31.12.2015 durch 0,958) zu dividieren (im Falle einer Umwidmung durch 0,85 bzw. bei Veräußerungen nach dem 31.12.2015 durch 0,82). Dadurch erhält man jenen Veräußerungserlös, der zu entrichten wäre, wenn die ImmoESt/besondere VZ durch den Erwerber zu tragen ist. Dieser neu berechnete Veräußerungserlös ist sodann Basis für die pauschale Ermittlung der ImmoESt/besonderen VZ.
Beispiel:
Veräußerungserlös 100; ImmoESt soll durch den Erwerber getragen werden. Das Grundstück wurde nicht umgewidmet.
100/0,958= 104,38
Der Veräußerungserlös bei Tragung der ImmoESt durch den Erwerber beträgt somit 104,38. Die ImmoESt beträgt in diesem Fall 4,38; dem Veräußerer verbleiben somit 100.
- Kosten der ImmoESt-Selbstberechnung: Diese stellen unmittelbar Kosten des Veräußerers dar. Übernimmt der Erwerber diese Kosten, stellt dies eine Gegenleistung dar, die den erzielten Veräußerungserlös erhöht. Gleichzeitig sind aber die Kosten der ImmoESt-Selbstberechnung im Rahmen der Regeleinkünfteermittlung des Veräußerers abzugsfähig.
- GrESt: Die Übernahme der GrESt durch den Erwerber stellt keine Gegenleistung dar. Es liegen aber Anschaffungsnebenkosten des Erwerbers vor.
- Kosten der Lastenfreistellung: Ist im Kaufvertrag vereinbart, dass der Veräußerer für die Lastenfreistellung vor der Übergabe des Grundstückes zu sorgen hat und übernimmt der Erwerber die Kosten der Lastenfreistellung, stellt dies eine Gegenleistung dar.
- Kosten eines Energieausweises: Die Übernahme dieser Kosten stellt eine Gegenleistung dar.
- Gerichtsgebühren: Gebührenschuldner ist gemäß § 7 GGG der Einschreiter. Dieser ist grundsätzlich die Person, in deren Interesse eine Eintragung bzw. Löschung usw. erfolgt. Somit muss hinsichtlich der Verbücherung des Eigentumsrechtes idR der Erwerber als einschreitende Person diese Gebührenlast tragen.
Bei einem Grundstückstausch sind daher beide Tauschpartner Gebührenschuldner jeweils für deren erhaltenes Grundstück. Wird vereinbart, dass einer der Tauschpartner diese Gerichtsgebühren für beide Verbücherungsvorgänge trägt, stellt die Übernahme der Eintragungsgebühr hinsichtlich des vom „Kostenträger“ hingegebenen Grundstückes eine den Tausch ergänzende Gegenleistung dar. Diese zusätzliche Gegenleistung erhöht aber gemäß § 6 Z 14 lit. a EStG 1988 nicht den Veräußerungserlös, sondern nur die Anschaffungskosten des erhaltenen Grundstückes (siehe Rz 6626).
- Infrastrukturkostenbeiträge: Müssen im Zuge einer Grundstücksveräußerung Infrastrukturkostenbeiträge an die Gemeinde geleistet werden, stellen diese Kosten nachträgliche Anschaffungskosten dar (siehe dazu Rz 6660). Übernimmt der Erwerber diese Kosten, stellen sie beim Veräußerer eine Gegenleistung für die Grundstücksveräußerung dar. Dadurch kommt es im Ergebnis zu einer Behandlung als Durchlaufposten auf Seiten des Veräußerers.
Werden Grundstücke übertragen und im Gegenzug Pflegeleistungen vereinbart, stellt die Übernahme persönlicher Pflege unter nahen Angehörigen keine Gegenleistung für die Grundstücksübertragung dar (siehe auch Rz 1616). Dies gilt unabhängig davon, ob die Pflegeleistung nur schuldrechtlich vereinbart wird oder ob sie auch dinglich abgesichert (dh. im Grundbuch eingetragen) wird.
Die vertragliche Übernahme der laufenden Kosten bei professioneller Pflege durch Dritte stellt keine Gegenleistung für die Grundstücksübertragung dar, wenn noch kein aktueller oder kurz bevorstehender Pflegebedarf besteht; daran ändert sich auch nichts, wenn später der Pflegebedarf entsteht.
Werden für die Grundstücksübertragung die laufenden Pflegekosten bei aktuellem Pflegebedarf vertraglich übernommen, kann dies eine Gegenleistungsrente darstellen. Im Falle einer Gegenleistungsrente liegen auf Seiten des Überträgers Einkünfte nach § 30 EStG 1988 vor. Für die Beurteilung der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Rentenvereinbarung sind die Grundsätze zur Einordnung von Rentenvereinbarung anzuwenden (siehe Rz 7002). Die Pflegekosten können dann nach Maßgabe des § 34 EStG 1988 eine außergewöhnliche Belastung des Pflegebedürftigen darstellen. Die Bewertung der Pflegeleistungen erfolgt in diesem Fall mit den zu tragenden Kosten, wobei für die Berechnung des Rentenbarwertes eine angemessene Wertsicherung zu unterstellen ist.
Bei der Übertragung einer Eigentumswohnung wird auch die Instandhaltungsrücklage gemäß § 31 WEG 2002 mitübertragen. Wird nachgewiesen, dass ein konkreter Teil des gesamten Kaufpreises auf bereits in die Instandhaltungsrücklage eingezahlte Beträge entfällt, hat der Veräußerer insoweit keine Einkünfte und der Erwerber insoweit keine Anschaffungskosten hinsichtlich des übertragenen Grundstückes. Für den Nachweis erforderlich ist die die ausdrückliche Erwähnung des konkreten Betrages im Kaufvertrag.
Wird ein Grundstück nach §§ 154 ff AußStrG an Zahlung statt überlassen, wird damit die Forderung eines Dritten durch Hingabe der Liegenschaft getilgt. Beträgt der Wert der Forderung (der Gegenleistung) mindestens 50% des gemeinen Wertes der Liegenschaft, liegt ein entgeltlicher Erwerbsvorgang vor. Als Bemessungsgrundlage bzw. Veräußerungserlös und spiegelbildlich Anschaffungskosten beim Erwerber ist der Wert der nunmehr beglichenen Forderung anzusetzen.
Werden Grundstücke übertragen und im Gegenzug die Übernahme von Begräbniskosten vereinbart, liegt eine Gegenleistung vor. Der Anfall der Kosten ist gewiss, lediglich der Zeitpunkt und die genaue Höhe der Kosten sind ungewiss. Für Zwecke der Selbstberechnung/Mitteilung der ImmoESt ist daher die Gegenleistung im Verhältnis zum gemeinen Wert des übertragenen Grundstücks zu sehen. Betragen die voraussichtlichen Begräbniskosten (alleine oder gemeinsam mit anderen übernommenen Kosten) mehr als 50% des gemeinen Wertes des übertragenen Grundstücks, liegt ein entgeltlicher Erwerbsvorgang vor. Der Zufluss der Gegenleistung findet im Zeitpunkt der tatsächlichen Übernahme der Kosten statt. Damit liegen nachträgliche Einkünfte aus der Grundstücksveräußerung vor, die den Erben zuzurechnen sind und die die darauf entfallende ImmoESt zu tragen haben.