29.5.6 Verlustausgleich durch die depotführende Stelle
Gemäß § 93 Abs. 6 EStG 1988 hat eine depotführende Stelle den Verlustausgleich gemäß § 27 Abs. 8 EStG 1988 durchzuführen und beim Kapitalertragsteuerabzug zu berücksichtigen. Der Verweis auf § 27 Abs. 8 EStG 1988 bringt zum Ausdruck, dass die darin enthaltenen Einschränkungen auch bei Durchführung des Verlustausgleichs durch die depotführende Stelle zu berücksichtigen sind. Geht die depotführende Stelle bei ausländischen Forderungswertpapieren von einem öffentlichen Angebot aus und nimmt sie daher einen KESt-Abzug vor, können Kapitalerträge aus diesen Forderungswertpapieren in den Verlustausgleich einbezogen werden; eine allfällige Korrektur hat in der Veranlagung zu erfolgen. Weiters ist Folgendes zu beachten:
- Der Verlustausgleich ist übergreifend für sämtliche Depots des Steuerpflichtigen durchführen. Dabei darf die depotführende Stelle davon ausgehen, dass der jeweilige Depotinhaber auch der wirtschaftliche Eigentümer des Depots ist, außer der Depotinhaber hat angegeben, dass es sich um ein treuhändig gehaltenes Depot (vgl. Z 34 ABB, zB sogenannte Ander-Depots) handelt.
- Sämtliche kapitalertragsteuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen (Früchte, Substanzgewinne und -verluste sowie Derivate, soweit nach § 27 Abs. 8 EStG 1988 zulässig) sind in den Verlustausgleich einzubeziehen. Dazu gehören auch die ausschüttungsgleichen Erträge aus Investmentfonds, unabhängig davon, ob es sich um Melde- oder Nichtmeldefonds handelt, sowie Dividenden inländischer Kapitalgesellschaften, die über das Kreditinstitut ausbezahlt werden.
- Fallen zunächst negative Einkünfte und zeitgleich oder später positive Einkünfte an, sind die negativen Einkünfte gegen die positiven Einkünfte zu verrechnen und der Kapitalertragsteuerabzug von einem allfälligen positiven Saldo vorgenommen werden (§ 93 Abs. 6 Z 1 EStG 1988).
Beispiele:
1. A hat auf seinem Depot bei der X-Bank Aktien und Anleihen. Im Jänner des Jahres X3 veräußert er die Aktien mit einem Verlust von 50, im September des Jahres X3 macht er bei der Veräußerung der Anleihen einen Gewinn von 100. Der Verlust von 50 ist mit dem Gewinn zu verrechnen; die X-Bank zieht daher KESt in Höhe von 13,75 (bis 31.12.2015 von 12,5) ab und führt diese bis 15. November ab.
2. A hat sowohl auf dem Depot 1, als auch auf dem Depot 2 der X-Bank Aktien an der Y-AG. Im September des Jahres X3 veräußert er gleichzeitig sämtliche Aktien an der Y-AG. Aufgrund der unterschiedlichen Anschaffungskosten macht er bei der Veräußerung der Aktien vom Depot 1 einen Gewinn in Höhe von 100, bei der Veräußerung der Aktien vom Depot 2 einen Verlust in Höhe von 50. Der Verlust von 50 ist mit dem Gewinn zu verrechnen; die X-Bank zieht daher KESt in Höhe von 13,75 (bis 31.12.2015 von 12,5) ab und führt diese bis 15. November ab.
- Fallen dagegen zunächst positive Einkünfte und später negative Einkünfte an, soll die für die positiven Einkünfte einbehaltene Kapitalertragsteuer in jenem KESt-Vorauszahlungszeitraum, in den die negativen Einkünfte fallen, gutgeschrieben werden können. Die Gutschrift ist mit 27,5% (bis 31.12.2015 25%) der negativen Einkünfte gedeckelt (§ 93 Abs. 6 Z 2 EStG 1988).
Beispiele:
1. B hat auf seinem Depot bei der X-Bank Aktien der Y-AG. Im Jänner des Jahres X3 erhält B eine Dividende von 75 gutgeschrieben, die Y-AG hat KESt in Höhe von 27,5 (bis 31.12.2015 25) abgezogen und binnen einer Woche abgeführt. Im Juli des Jahres X3 erleidet B bei der Veräußerung der Aktien einen Verlust von 50. Dem Anleger kann KESt in Höhe von C gutgeschrieben werden; die X-Bank hat die Gutschrift im Rahmen der KESt-Vorauszahlung zum 15. September zu berücksichtigen.
2. C hat auf seinem Depot bei der X-Bank Aktien und Anleihen. Im Jänner des Jahres X3 veräußert er die Aktien mit einem Gewinn von 100, die Anleihen mit einem Verlust von 50. Die X-Bank zieht KESt in Höhe von 13,75 (bis 31.12.2015 von 12,5) ab und führt diese bis 15. März ab.
- Verluste können immer nur einmal berücksichtigt werden: Soweit Verluste daher nach § 93 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 zu einer KESt-Gutschrift geführt haben, können sie nicht mehr nach § 93 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 mit später anfallenden positiven Einkünften verrechnet werden (§ 93 Abs. 6 Z 3 EStG 1988).
Beispiel:
D hat auf seinem Depot bei der X-Bank Aktien und Anleihen. Im Jänner des Jahres X3 veräußert er einen Teil der Aktien mit einem Gewinn von 100. Im Juli veräußert er die Anleihen mit einem Verlust von 200. Im September veräußert D die restlichen Aktien mit einem Gewinn von 150.
Für die Veräußerung der Aktien im Jänner zieht die X-Bank KESt in Höhe von 27,5 (bis 31.12.2015 25) ab und führt diese bis 15. März ab. Diese KESt kann dem Anleger aufgrund des Verlustes bei der Anleihenveräußerung wieder zur Gänze gutgeschrieben werden; die X-Bank hat die Gutschrift im Rahmen der KESt-Vorauszahlung zum 15. September zu berücksichtigen. Bei der Veräußerung der Aktien im September ist jener Teil der Verluste, der zu keiner KESt-Gutschrift geführt hat (100), gegen den Veräußerungsgewinn auszugleichen. Es ist daher KESt in Höhe von 13,75 ([150-100]*27,5%) [vor 1.1.2016 von 12,5 ([150-100]*25%)] einzubehalten und bis 15. November abzuführen.
- Neben den Einkünften aus treuhändig gehaltenen Depots (siehe oben) sind verschiedene andere Einkünfte gänzlich vom Verlustausgleich durch das Kreditinstitut ausgeschlossen:
- Da § 6 Z 2 lit. c EStG 1988 eigenständige Bestimmungen bezüglich der Bewertung und des Verlustausgleichs für betrieblich gehaltenes Kapitalvermögen enthält (näher dazu Abschnitt 4.8), sind vom Depotinhaber gegenüber dem Kreditinstitut deklarierte Betriebsdepots nicht in den Verlustausgleich einzubeziehen. Dies soll erstens eine Vermischung betrieblicher und außerbetrieblicher Kapitaleinkünfte verhindern, und zweitens dafür sorgen, dass der Kapitalertragsteuerabzug auf betrieblich erzielte Früchte korrekt vorgenommen wird und somit Endbesteuerungswirkung entfalten kann. Werden betriebliche Depots nicht als solche deklariert und der Kapitalertragsteuerabzug daher auf Basis der Privatvermögensvermutung vorgenommen, entfaltet dieser keine Endbesteuerungswirkung (§ 97 Abs. 1 lit. b EStG 1988). Bei zum 31.12.2012 bereits bestehenden Konten und Depots bestehen keine Bedenken, wenn seitens der depotführenden Stelle Konten und Depots von Kapital- und Personengesellschaften und Genossenschaften sowie bei Depots, auf denen sich einem Betriebsvermögen zuzurechnende Wertpapiere befinden (zB gemischte Depots, unabhängig von der Anzahl der betrieblich gehaltenen Wertpapiere, § 10-Wertpapiere auf Privatdepot) für Zwecke des Verlustausgleichs grundsätzlich als betriebliche Depots behandelt werden. Für alle anderen zum 31.12.2012 bereits bestehenden Konten und Depots sind an Hand von öNACE-Codes 2008 typische Kundengruppen auf Grund der Branchenzuordnung zu identifizieren:
- Konten und Depots von typischen betrieblichen Kundengruppen sind im Zweifel (Fehlen abweichender Angaben) dem Betriebsvermögen zuzurechnen.
- Konten und Depots von typischen nichtbetrieblichen Kundengruppen dürfen in den Verlustausgleich einbezogen werden.
- Bei ab 1.1.2013 neu eröffneten Depots ist von den depotführenden Stellen bei Eröffnung eines Kontos oder Depots beim Kunden abzufragen, ob es sich um ein betriebliches oder privates Depot handelt; die entsprechenden Angaben des Kunden sind sodann für die Zuordnung des Kontos oder Depots seitens der depotführenden Stelle maßgeblich.
- Einkünfte, denen nach § 93 Abs. 4 EStG 1988 pauschal ermittelte Werte zu Grunde liegen, sind von der Endbesteuerung ausgeschlossen (näher dazu Abschnitt 29.5.1.1). Solche Einkünfte sind daher auch generell vom Verlustausgleich ausgeschlossen. Kapitaleinkünfte gemäß § 27 Abs. 2 EStG 1988 aus diesen Wirtschaftsgütern sind nicht vom automatischen Verlustausgleich ausgeschlossen (siehe auch Rz 7733a).
- Einkünfte aus Gemeinschaftsdepots (vgl. Z 35 ABB, sogenannte Und-/Oder-Depots) sind vom Verlustausgleich ausgeschlossen (§ 93 Abs. 6 Z 4 lit. d EStG 1988).
- KESt-freie Einkünfte (zB aus Wohnbauanleihen) sind nicht in den Verlustausgleich einzubeziehen; anteilige steuerfreie Stückzinsen erhöhen weder die steuerfreien Anschaffungskosten noch den Veräußerungserlös, und sind somit auch nicht für den Verlustausgleich beachtlich. Darüber hinausgehende, steuerwirksame Veräußerungsgewinne oder -verluste gehen dagegen in den Verlustausgleich ein.
- KESt-freie Einkünfte aus Altanleihen hinsichtlich derer der Steuerpflichtige einen Auftrag zum freiwilligen KESt-Abzug erteilt hat (KESt-Optionserklärung), können nicht in den automatischen Verlustausgleich einbezogen werden, soweit deren Anschaffung vor dem 1.4.2012 erfolgte, weil es sich dabei typenmäßig um Forderungswertpapiere iSd § 93 Abs. 3 Z 1-3 EStG 1988 idF vor BBG 2011 handelt.
- Hinsichtlich unterjähriger unentgeltlicher Übertragungen ist wie folgt vorzugehen: Der Verlustausgleich wird im Zeitpunkt der Inhaberänderung beendet. Ab diesem Zeitpunkt beginnt ein neuer Verlustausgleich für den Erben bzw. Geschenknehmer. In beiden Fällen ist der Verlust nach dem Entstehungszeitpunkt den jeweiligen Inhabern zuzurechnen. Die Bescheinigung über den Verlustausgleich (siehe Rz 7752) ist für jeden Inhaber gesondert auszustellen und es werden nur die dem jeweiligen Inhaber zuzurechnenden Verluste ausgewiesen.
- Wird das Kapitalvermögen vom Betriebsvermögen ins Privatvermögen eines Steuerpflichtigen übertragen, kommt es im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Umstandes an die depotführende Stelle zu einer Aufnahme des Vermögens in den Verlustausgleich. Wird Vermögen vom Privatvermögen ins Betriebsvermögen übertragen, kommt es ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe zu einem Ausschluss dieses Vermögens aus dem Verlustausgleich. In beiden Fällen sind von der depotführenden Stelle die ursprünglichen Anschaffungskosten für die Durchführung des Verlustausgleichs heranzuziehen.
- Wird für unverbriefte Derivate gemäß § 27a Abs. 2 Z 7 EStG 1988 eine der Kapitalertragsteuer entsprechende Steuer einbehalten, sind die Erträge aus diesen Derivaten in den Verlustausgleich einzubeziehen (siehe Rz 7752a).
- Sofern eine Person von der beschränkten Steuerpflicht zur unbeschränkten Steuerpflicht wechselt, hat die depotführende Stelle ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Umstandes einen Verlustausgleich für den Steuerpflichtigen durchzuführen. Als Anschaffungskosten für Zwecke des KESt-Abzuges gilt der gemeine Wert im Zeitpunkt der Meldung durch den Steuerpflichtigen. Wechselt eine Person von der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht, ist der Steuerpflichtige ab Bekanntgabe dieses Umstandes vom Verlustausgleich durch die depotführende Stelle ausgeschlossen.
Auch beschränkt steuerpflichtige Körperschaften gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 und 3 KStG 1988 sowie sonstige Körperschaften, bei denen keine Befreiung von der KESt-Abzugspflicht gemäß § 94 EStG 1988 zur Anwendung kommt (etwa Privatstiftungen, bei denen die Befreiungsbestimmung des § 94 Z 12 EStG 1988 nicht anwendbar ist), sind in den Verlustausgleich miteinzubeziehen.
Um eine doppelte Verlustverwertung zu vermeiden, ist gemäß § 96 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 eine Bescheinigung über die Durchführung des Verlustausgleichs zu erteilen. Die Bescheinigung muss gesondert für jedes Depot die positiven und negativen Einkünfte, gegliedert nach Früchten einerseits und Substanzgewinnen und Derivaten andererseits, angeben. Weiters ist die Summe der insgesamt beim Verlustausgleich berücksichtigten Verluste sowie der erteilten Gutschriften anzugeben.
In der Bescheinigung sind somit die folgenden Daten auf Jahresbasis wie folgt untergliedert anzugeben:
- Einkünfte aus der Überlassung von Kapital (aufsummierte Zinsen und Dividenden),
- Erträge aus Investmentfonds und einem § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilde (aufsummierte tatsächliche Ausschüttungen und ausschüttungsgleiche Erträge),
- Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen (nicht saldiert, jeweils getrennt nach positiven und negativen Einkünften),
- Einkünfte aus Derivaten (nicht saldiert, jeweils getrennt nach positiven und negativen Einkünften),
- Im Rahmen des Verlustausgleichs berücksichtigte negative Einkünfte (in Summe)
- Erteilte Gutschriften (in Summe).
Der laufende Verlustausgleich hat ab 1. Jänner 2013 zu erfolgen. Für den Zeitraum 1. April 2012 bis 31. Dezember 2012 ist der Verlustausgleich im Rahmen einer Art Endabrechnung (Rollung) bis zum 30. April 2013 durchzuführen. Sofern Steuerpflichtige für das Kalenderjahr 2012 eine Veranlagung durchführen, kann – um eine doppelte Erstattung zu vermeiden – die vom Kreditinstitut im Rahmen der Endabrechnung des Verlustausgleichs zu erstattende KESt-Gutschrift im Rahmen der Veranlagung nicht berücksichtigt werden.
29.5.7 Freiwillige Abzugsteuer für unverbriefte Derivate
Wird von den in § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988 genannten Einrichtungen ein freiwilliger KESt-Abzug bei unverbrieften Derivaten vorgenommen, hat dieser für sämtlicher Kunden und Produkte der jeweiligen Einrichtung zu erfolgen. Dies gilt nicht, wenn ein Anleger sich ausdrücklich gegen die Vornahme des KESt-Abzuges ausspricht oder die Einführung des freiwilligen KESt-Abzuges für eine einzelne Produktgruppe aus wirtschaftlichen Gründen nicht vertretbar erscheint.
Der freiwillige KESt-Abzug ist für das jeweilige Produkt in sämtlichen Perioden von der Anschaffung (bzw. Ausübung oÄ) bis zur Realisierung (bzw. Glattstellung oÄ) vorzunehmen. Im Rahmen der Einführung des freiwilligen KESt-Abzuges können allerdings auch bereits in Vorperioden angeschaffte Produkte einbezogen werden.
Sofern ein freiwilliger KESt-Abzug für unverbriefte Derivate erfolgt, entspricht die weitere steuerliche Behandlung (hinsichtlich Verlustausgleich durch Banken sowie in der Veranlagung, gleitender Durchschnittspreis, Anschaffungsnebenkosten usw.) dieser Produkte jenen Produkten, die dem besonderen Steuersatz von 27,5% unterliegen.
29.6 Befreiungen vom Kapitalertragsteuerabzug
29.6.1 Gläubiger-Schuldner-Identität
Die Abzugsbefreiung kommt insbesondere dann zum Zuge, wenn ein Wertpapieremittent ein von ihm ausgegebenes Wertpapier im eigenen Bestand hat. Eine Abzugsbefreiung ist auch insoweit denkbar, als die Gläubiger-Schuldneridentität über einen Miteigentumsanteil an einem Kapitalanlagefonds hergestellt wird (ein Kapitalanlagefonds umfasst zB auch Wertpapiere, die von einem Anteilscheininhaber emittiert wurden).
Die Identität zwischen Gläubiger und Schuldner muss in dem Zeitpunkt gegeben sein, in dem bei Nichtbestehen einer Befreiung die Steuerschuld entstehen würde. Dies ist der Zufluss der Kapitalerträge nach § 95 Abs. 3 EStG 1988.
29.6.2 Beteiligungserträge von Körperschaften
29.6.2.1 Beteiligungserträge von Körperschaften iSd § 1 Abs. 2 KStG 1988
Von der KESt befreit sind unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften iSd § 1 Abs. 2 KStG 1988, wobei die Rechtsform der beteiligten Körperschaft keine Rolle spielt. Die Beteiligungsertragsbefreiung umfasst daher neben juristischen Personen des privaten Rechts auch Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften öffentlichen Rechts sowie nicht rechtsfähige Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen. Ebenso befreit sind inländische Betriebsstätten einer EU/EWR-Körperschaft (zu den Voraussetzungen siehe Rz 7755c).
Die Beteiligung muss an einer Aktiengesellschaft, GesmbH oder Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft bestehen, die unbeschränkt steuerpflichtig ist, dh. sie muss den Ort der Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben.
Weitere Voraussetzung für die Befreiung ist, dass die Körperschaft mindestens zu einem Zehntel mittel- oder unmittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligt ist.
Die Beteiligung an der ausschüttenden Kapitalgesellschaft muss an deren Nominalkapital bestehen, eine Beteiligung in anderer Form, etwa im Wege sozietärer Genussrechte oder Partizipationskapital iSd BWG oder VAG 2016 schließt, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, die Anwendung der Befreiung aus.
Es ist nicht erforderlich, dass eine unmittelbare Beteiligung am Nominalkapital gegeben ist, sondern es reicht eine mittelbare Beteiligung über eine zwischengeschaltete in- oder ausländische Personengesellschaft aus. Es muss jedoch für die Anwendung der Befreiung das Beteiligungsausmaß durchgerechnet mindestens 10 Prozent betragen.
Beispiel 1:
Die inländische A-AG ist als Kommanditistin an der inländischen B-KG zu 20 Prozent beteiligt. Die restlichen 80% werden von einer natürlichen Person als Komplementär gehalten. Die B-KG hält ihrerseits 50 Prozent am Stammkapital der inländischen C-GmbH; die restlichen 50% an der C-GmbH werden von einer natürlichen Person gehalten.
Das für die Anwendung der KESt-Befreiung erforderliche Beteiligungsausmaß ist gegeben, da die A-AG durchgerechnet 10 Prozent am Stammkapital der C-GmbH beteiligt ist. Die C-GmbH kann bei der Gewinnausschüttung für 10% den KESt-Abzug unterlassen, für die restlichen 90% ist KESt einzubehalten.
Wird die Beteiligung über einen Treuhänder gehalten, kann bei Offenlegung der Treuhandschaft die Befreiung angewendet werden (§ 24 Abs. 1 lit. b BAO). Hat die Körperschaft nur ein Fruchtgenussrecht an Dividenden, ist die Befreiung nicht anzuwenden, da Voraussetzung für die Befreiung eine Beteiligung am Nominalkapital ist.
Das Beteiligungsausmaß von einem Zehntel am Nominalkapital muss jedenfalls im Zeitpunkt des Zufließens gemäß § 95 Abs. 3 Z 1 EStG 1988 der Beteiligungserträge vorliegen, eine bestimmte Mindestbeteiligungsdauer ist für die Steuerfreiheit des Beteiligungsertrages nicht erforderlich.
Befreit sind Gewinnanteile und sonstige Bezüge aus Aktien, GmbH-Anteilen, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. Es fallen dementsprechend neben den offenen Ausschüttungen auch verdeckte Ausschüttungen an inländische Körperschaften und inländische Betriebsstätten von EU/EWR-Körperschaften (zu den Voraussetzungen siehe Rz 7755c), sofern die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, unter die KESt-Befreiungsbestimmung des § 94 Z 2 EStG 1988. Erfolgt eine als verdeckte Ausschüttung qualifizierte Vorteilsgewährung an einen mittelbaren Gesellschafter oder an eine dem unmittelbaren Gesellschafter nahestehende Person, ist immer von einer verdeckten Ausschüttung an den unmittelbaren Gesellschafter auszugehen und ist in weiterer Folge auf jeder Beteiligungsebene das Vorliegen weiterer verdeckter Ausschüttungen zu prüfen. Es ist daher die Anwendbarkeit der KESt-Befreiungsbestimmung des § 94 Z 2 EStG 1988 im Verhältnis zum unmittelbaren Gesellschafter zu prüfen und die KESt gegebenenfalls jener Gesellschaft vorzuschreiben, die in diesem Verhältnis den als verdeckte Ausschüttung qualifizierten Vorteil gewährt.
Beispiel 2:
Am Stammkapital der inländischen A-GmbH ist die inländische B-GmbH zu 100% beteiligt. Die Stammanteile an der B-GmbH hält zu 100% die natürliche Person C. Von der A-GmbH erfolgt zu Lasten ihres Gewinnes eine als verdeckte Ausschüttung qualifizierte Vorteilsgewährung an deren mittelbaren Gesellschafter C.
Ebene Tochtergesellschaft
Es liegt eine verdeckte Ausschüttung an die Muttergesellschaft B vor, die bei ihr gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 KStG 1988 befreit ist und es kommt die Befreiungsbestimmung des § 94 Z 2 EStG 1988 zur Anwendung.
Ebene Muttergesellschaft
Bei der B-GmbH liegt in selber Höhe eine weitere verdeckte Ausschüttung an ihren 100%-Gesellschafter C vor, die der KESt unterliegt; die KESt für diese weitere verdeckte Ausschüttung kann der B-GmbH vorgeschrieben werden.
Von der Befreiung gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 sind auch fingierte Ausschüttungen gemäß § 9 Abs. 6 UmgrStG umfasst, sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen.
29.6.2.2 Beteiligungserträge ausländischer Körperschaften
29.6.2.2.1 Voraussetzungen für die Befreiung
Die Befreiung umfasst jene Kapitalerträge, die an eine ausländische Gesellschaft gezahlt werden, welche die in der Anlage 2 zum EStG 1988 vorgesehenen Voraussetzungen des Art. 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie (Richtlinie 2011/96/EU) erfüllt.
Nach der Anlage 2 zum EStG 1988 ist eine Gesellschaft iSd Art. 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie jede Gesellschaft, die folgende Voraussetzungen erfüllt:
- Die Gesellschaft muss eine der in Z 1 der Anlage 2 angeführten Rechtsformen aufweisen.
- Die Muttergesellschaft muss nach dem Steuerrecht des betreffenden Mitgliedstaates ansässig und damit unbeschränkt steuerpflichtig sein; die Muttergesellschaft darf nicht aufgrund eines mit einem dritten Staat abgeschlossenen DBA als außerhalb der EU ansässig betrachtet werden.
- Die Muttergesellschaft muss nach Z 3 der Anlage 2 im betreffenden Mitgliedstaat ohne Wahlmöglichkeit einer Steuer unterliegen, die – nach Mitgliedstaaten geordnet – in Z 3 der Anlage 2 angeführt wird (Voraussetzung der Steuerpflicht im anderen EU-Staat, die dann nicht gegeben ist, wenn die Einkünfte der Gesellschaft aufgrund einer subjektiven Steuerbefreiung von der Körperschaftsteuer befreit sind).
Die Beteiligung der ausländischen Muttergesellschaft muss an einer Aktiengesellschaft, GmbH oder Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft bestehen, die unbeschränkt steuerpflichtig ist, dh. diese muss den Ort der Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben. Es fallen demnach auch doppelt ansässige Gesellschaften (zB Gesellschaft mit Sitz im EU-Ausland und Ort der Geschäftsleitung in Österreich) unter den Anwendungsbereich der Befreiung.
Die ausländische Muttergesellschaft muss zu mindestens einem Zehntel mittelbar oder unmittelbar am Grund- oder Stammkapital der inländischen Tochtergesellschaft beteiligt sein. Die Beteiligung muss an deren Nominalkapital bestehen, eine Beteiligung in anderer Form, etwa im Wege sozietärer Genussrechte schließt, unabhängig von der Höhe dieser Beteiligung, die Anwendung der Befreiung aus. Besteht etwa an derselben Gesellschaft neben einer Beteiligung am Nominalkapital auch eine Beteiligung in Form von sozietären Genussrechten und wird das Beteiligungsausmaß von 10 Prozent nur unter Einrechnung der Substanzgenussbeteiligung erreicht, steht die Befreiung insgesamt nicht zu.
Es ist nicht erforderlich, dass eine unmittelbare Beteiligung am Nominalkapital gegeben ist, sondern es ist eine mittelbare Beteiligung über eine, im jeweiligen EU-Staat als transparent behandelte Personengesellschaft oder über eine inländische Personengesellschaft ausreichend, allerdings muss durchgerechnet das geforderte Mindestbeteiligungsausmaß gegeben sein. Sind an der inländischen/als transparent behandelten ausländischen Personengesellschaft Personen beteiligt, auf die § 94 Z 2 EStG 1988 nicht anwendbar ist, steht die Befreiung nur entsprechend dem die notwendigen Voraussetzungen des § 94 Z 2 EStG 1988 erfüllenden Beteiligungsausmaß am Grund- oder Stammkapital zu (siehe oben Beispiel 1 unter Abschnitt 29.6.2.1).
Die Beteiligung muss während eines ununterbrochenen Zeitraumes von mindestens einem Jahr bestehen. Für die Berechnung der Einjahresfrist ist der Zeitpunkt der Anschaffung der Anteile bzw. das erstmalige Erreichen des Mindestbeteiligungsausmaßes dem Veräußerungszeitpunkt gegenüberzustellen, wobei eine allfällige Rückwirkung nach UmgrStG zu berücksichtigen ist. Die einjährige Mindestbeteiligungsdauer ist materiell rechtliche Voraussetzung für die Befreiung. Wird sie nicht erreicht (etwa bei Veräußerung der Beteiligung innerhalb der Jahresfrist), kommt die Befreiung nicht zur Anwendung und unterliegt eine allfällige Ausschüttung der KESt. Eine (teilweise) KESt-Entlastung kann diesfalls auf DBA-rechtlicher Grundlage erfolgen.
Erfolgt eine Ausschüttung vor Erreichen der einjährigen Mindestbehaltefrist, ist grundsätzlich KESt einzubehalten. Von einem KESt-Einbehalt kann jedoch abgesehen werden, wenn beim zuständigen Finanzamt keine Zweifel bestehen, dass die Mindestbeteiligungsdauer eingehalten wird und allenfalls die KESt bei der österreichischen Tochtergesellschaft im Haftungsweg eingebracht werden könnte.
Von der Befreiung sind in sachlicher Hinsicht Dividenden und sonstige Bezüge aus Aktiengesellschaften, GesmbHs und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften umfasst, wobei bei offenkundigen verdeckten Ausschüttungen gemäß § 8 Abs. 2 KStG 1988 eine Befreiung an der Quelle nicht zulässig ist. In diesem Fall hat die Steuerentlastung auf Antrag der Muttergesellschaft zwingend im Rahmen der Steuerrückerstattung zu erfolgen.
Für das Steuerrückerstattungsverfahren richtet sich die sachliche Zuständigkeit nach § 15 Abs. 1 Z 2 lit. a AVOG 2010 und die örtliche Zuständigkeit nach § 25 Z 3 AVOG 2010. Somit sind die Finanzämter Wien 1/23, Linz, Salzburg-Stadt, Graz-Stadt, Klagenfurt, Innsbruck und Feldkirch sachlich zuständig und örtlich jenes Finanzamt, das durch den Antrag der Muttergesellschaft gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 vom Sachverhalt Kenntnis erlangt.
Bei Körperschaften, die in einem EU-/EWR–Staat ansässig sind, steht die Befreiung auch dann zu, wenn die Beteiligungen funktional dem Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind. Bei allen anderen ausländischen Körperschaften kann eine Befreiung nach Maßgabe eines abkommensrechtlichen Betriebsstättendiskriminierungsverbotes in Anspruch genommen werden (siehe dazu näher Rz 7910), sofern dieser Interpretation des DBA-rechtlichen Diskriminierungsverbots auch vom jeweiligen DBA-Partnerstaat gefolgt.
29.6.2.2.2 Verhältnis Befreiung gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 zum DBA-Recht
Österreich hat mit EU-Mitgliedstaaten Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, die bei Dividendenzahlungen österreichischer Kapitalgesellschaften an im DBA-Staat ansässige Steuerpflichtige eine Reduktion der KESt vorsehen. Wie und unter welchen Voraussetzungen die (teilweise) Entlastung verfahrensrechtlich zu erfolgen hat, ist in der DBA-Entlastungsverordnung (BGBl. III Nr. 92/2005) festgelegt. Soweit bei Dividendenzahlungen an ausländische Muttergesellschaften die Voraussetzungen des § 94 Z 2 EStG 1988 erfüllt sind, geht § 94 Z 2 EStG 1988 den DBA-rechtlichen Bestimmungen vor.
29.6.2.2.3 Wechsel zum Rückerstattungsverfahren – Verhinderungen von Steuerhinterziehung und Missbrauch
§ 94 Z 2 EStG 1988 iVm § 1 Z 1, § 2 der VO BGBl. Nr. 56/1995 sieht einen zwingenden KESt-Abzug vor, wenn „Umstände vorliegen, die für die Annahme eines Missbrauchs iSd § 22 BAO sprechen (Missbrauchsverdacht) und ein Missbrauch vom zum Abzug Verpflichteten zu vertreten wäre“.
Zweck der Einschränkung der Steuerfreistellung des § 94 Z 2 EStG 1988 ist es, die Inanspruchnahme der Mutter-Tochter-Richtlinie durch Steuerpflichtige, denen die Vorteile der Mutter-Tochter-Richtlinie nicht zustehen würden, zu verhindern. Insbesondere sollen reine Sitzgesellschaften (EU-Briefkastenfirmen), denen man sich bei der internationalen Steuerhinterziehung zum steuerfreien Durchleiten von Gewinnen „bedient“, damit von der Begünstigung ausgeschlossen werden.
§ 2 VO BGBl. Nr. 56/1995 konkretisiert, wann ein Missbrauchsverdacht vom zum Abzug Verpflichteten nicht zu vertreten ist.
Ein Missbrauchsverdacht ist demnach vom Abzugsverpflichteten dann nicht zu vertreten, wenn er über eine schriftliche Erklärung der die Kapitalerträge empfangenden Gesellschaft verfügt, aus der hervorgeht, dass:
- die Gesellschaft eine Betätigung entfaltet, die über die bloße Vermögensverwaltung hinausgeht;
- die Gesellschaft eigene Arbeitskräfte beschäftigt;
- die Gesellschaft über eigene Betriebsräumlichkeiten verfügt.
Überdies dürfen dem zum Abzug Verpflichteten keine Umstände erkennbar sein, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Erklärung auslösen. Die Erklärung der Muttergesellschaft muss zeitnah ausgestellt sein. Datiert die Bestätigung mehr als ein Jahr vor bzw. nach der Ausschüttung, ist sie jedenfalls nicht mehr als zeitnah anzusehen.
Durch § 2 VO BGBl. Nr. 56/1995 wird kein eigener Missbrauchstatbestand geschaffen, vielmehr kommt es zu einem Methodenwechsel bei jenen Fällen, bei denen Missbrauch nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.
Kann daher der Missbrauchsverdacht nicht entkräftet werden, ist von der ausschüttenden Tochtergesellschaft KESt einzubehalten und es hat eine Entlastung in einem nachfolgenden Rückerstattungsverfahren zu erfolgen. Zuständig für die KESt-Erstattung ist dabei das Betriebsfinanzamt der ausschüttenden Tochtergesellschaft (§ 21 AVOG 2010). Im Rahmen des Rückerstattungsverfahrens ist vom Finanzamt zu prüfen, ob Gründe vorliegen, die die Annahme eines Missbrauchstatbestandes iSd § 22 BAO rechtfertigen (etwa durch Bekanntgabe der Holdingstruktur, Bekanntgabe der dahinter stehenden Gesellschafter, wirtschaftliche Funktion, Zweck der Holdingkonstruktion, …). Eine Vorlage einer Ansässigkeitsbescheinigung des zuständigen ausländischen Sitzfinanzamtes allein genügt jedenfalls nicht, um einen Missbrauchsverdacht zu entkräften; deren Vorlage steht der Prüfung einer missbräuchlichen Gestaltung iSd § 22 BAO nicht entgegen (VwGH 26.6.2014, 2011/15/0080).
Die Beherrschung einer Holdinggesellschaft durch Personen, denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, spricht für das Vorliegen missbräuchlicher Rechtsgestaltung, wenn für die Zwischenschaltung einer EU-Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet (VwGH 26.6.2014, 2011/15/0080).
Allerdings ist bei einer Holdinggesellschaft ohne eigene Betriebsräumlichkeiten und eigenes Personal nicht zwingend Missbrauch iSd § 22 BAO anzunehmen, sondern zu prüfen, ob relevante außersteuerliche Gründe für deren Zwischenschaltung vorliegen.
Kann die Muttergesellschaft im Rahmen des Rückerstattungsverfahrens den Missbrauchsverdacht entkräften, hat eine gänzliche Erstattung der KESt zu erfolgen.
Wird einer EU-Muttergesellschaft im Rahmen eines Rückerstattungsverfahrens die Berechtigung zur KESt-Entlastung auf Grundlage des § 94 Z 2 EStG 1988 zuerkannt und die KESt bescheidmäßig rückerstattet, kann dies als „beachtliches Indiz“ dafür gesehen werden, dass die Steuerentlastungsberechtigung auch bei folgenden Ausschüttungen gegeben sein wird. Es bestehen daher keine Bedenken, wenn analog zu § 3 Abs. 2 DBA-Entlastungsverordnung, BGBl. III Nr. 92/2005 idF BGBl. II Nr. 44/2006 in den folgenden drei Jahren eine KESt-Entlastung bereits anlässlich der Gewinnausschüttung vorgenommen wird, wenn der Rückerstattungsbescheid dem Vordruck ZS-EUMT beigelegt wird; dies unter der Voraussetzung, dass gegenüber den Verhältnissen zur Rückzahlung keine wesentlichen Veränderungen eintreten. Eine wesentliche Änderung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn zuerst betragsmäßig eine geringe Ausschüttung erfolgt und später eine wesentlich größere Ausschüttung.
Sollte Unsicherheit im Hinblick auf das Vorliegen einer missbräuchlichen Gestaltung und das mögliche Haftungsrisiko des Abzugsverpflichteten nach § 95 Abs. 2 EStG 1988 im Hinblick auf eine Entlastung an der Quelle bestehen, kann von der Tochtergesellschaft vom besonderen Auskunftsverfahren nach § 5 der VO BGBl. Nr. 56/1995 Gebrauch gemacht werden. In einem solchen Verfahren sind alle Unterlagen vorzulegen, die auch im Rückerstattungsverfahren beizubringen sind und die geeignet sind, die Anspruchsvoraussetzungen für die Steuerentlastung unter Beweis zu stellen. Erfolgt der Nachweis der Entlastungsberechtigung in einem Auskunftsverfahren vor der Ausschüttung, kann auf Grund einer solchen ex ante-Kontrolle im Ergebnis die Pflicht zur Abfuhr der Kapitalertragsteuer nach § 94 Z 2 EStG 1988 und die Gefahr von Säumniszuschlägen bzw. das Vorliegen einer Finanzordnungswidrigkeit beseitigt werden.
29.6.2.2.4 Offenkundige verdeckte Ausschüttungen
§ 1 Z 2 VO BGBl. Nr. 56/1995 sieht weiters bei offenkundigen verdeckten Ausschüttungen iSd § 8 Abs. 2 KStG 1988 einen zwingenden KESt-Abzug mit nachfolgendem Rückerstattungsverfahren vor. Es wird damit die ausländische Muttergesellschaft gezwungen, der ausländischen Finanzverwaltung die Umstände und Gründe der verdeckten Ausschüttung mitzuteilen.
Eine offenkundige verdeckte Ausschüttung liegt nach § 3 der VO BGBl. Nr. 56/1995 dann vor, wenn der Abzugsverpflichtete die verdeckte Ausschüttung bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes (nunmehr des Unternehmers) erkannte oder erkennen musste. Die grundlegenden Erscheinungsformen einer verdeckten Ausschüttung (jede Einkommensminderung der Körperschaft ohne hinreichenden Rechtsgrund) sind danach bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (nunmehr des Unternehmers) zu erkennen und somit als offenkundige verdeckte Ausschüttungen anzusehen (VwGH 25.02.2003, 2002/14/0112). Eine Nichtbeachtung der Verrechnungspreisrichtlinien löst bei unbestreitbar feststehendem Sachverhalt eine offenkundige verdeckte Ausschüttung aus (VPR 2010 Rz 333).
29.6.2.2.5 Nachweispflichten
§ 1 Z 3 iVm § 4 Abs. 1 VO BGBl. Nr. 56/1995 sieht vor, dass von der abzugsverpflichteten Tochtergesellschaft der Nachweis der Voraussetzungen für die Befreiung vom KESt-Abzug durch Unterlagen zu führen ist, aus denen die Voraussetzungen jederzeit leicht nachprüfbar sind. Konkret wird in § 4 Abs. 2 der VO gefordert, dass die Ansässigkeit der Muttergesellschaft durch eine von der Steuerverwaltung des Ansässigkeitsstaates der Muttergesellschaft zeitnah erteilte Bescheinigung auf Vordruck ZS-EUMT nachzuweisen ist. Zudem ist aufgrund der erhöhten Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten von der KESt-Abzugsverpflichteten Körperschaft eine Kopie zeitnah an das zuständige Finanzamt zu übermitteln; eine KA1-Meldung ist dennoch vorzunehmen. Die Ansässigkeitsbescheinigung gilt als zeitnah, wenn sie innerhalb eines Jahres vor oder nach der Ausschüttung ausgestellt wurde. Daneben muss die ausschüttende Tochtergesellschaft auch die Unterlagen zur Nachprüfbarkeit der Erklärung iSd § 2 Abs. 2 VO der Muttergesellschaft zur Entkräftung des Missbrauchsverdachts führen.
29.6.3 Zwischenbankgeschäfte
Voraussetzung für die Befreiung in persönlicher Hinsicht ist, dass sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner aus dem Geschäft eine inländische oder ausländische Bank ist. Die Qualifikation als Bank richtet sich nach den Grundsätzen des BWG. Zu den inländischen Kreditinstituten zählen ua. auch die Österreichische Nationalbank sowie die Bausparkassen, nicht hingegen Versicherungsunternehmen. Ausländische Banken sind ausländische Unternehmungen, die Bankgeschäfte im Sinne des BWG betreiben, sowie ausländische Noten-(Zentral-)Banken und ausländische Währungsbehörden.
Bankgeschäfte als Teilbereich
Bei Unternehmungen, die nur in einem Teilbereich Bankgeschäfte betreiben, sind Zwischenbankgeschäfte nur solche, die im Rahmen des bankgeschäftlichen Bereiches bei einer anderen Bank getätigt werden.
Von der Befreiung in sachlicher Hinsicht umfasst sind die im Rahmen von Zwischenbankgeschäften erzielten Erträge aus der Überlassung von Kapital iSd § 27 Abs. 2 EStG 1988, sowie im Rahmen von Zwischenbankgeschäften erzielte Substanzgewinne gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 und Einkünfte aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988. Von der Befreiung ausgenommen werden Beteiligungserträge iSd § 27 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, deren Schuldner die Geschäftsleitung oder den Sitz im Inland hat. Werden daher im Rahmen von Zwischenbankgeschäften an ausländische Kreditinstitute inländische Portfoliodividenden bzw. dividendenähnliche Erträge (Substanzgenussrechte, Partizipationskapital iSd BWG) gezahlt, hat ein KESt-Abzug zu erfolgen, sofern nicht durch eine andere Bestimmung eine KESt-Befreiung vorgesehen ist (zB § 94 Z 2 EStG 1988).
Befreit sind auch Ausgleichszahlungen und Leihegebühren iSd § 27 Abs. 5 Z 4 EStG 1988, die eine Bank als Verleiher oder Pensionsgeber eines Wertpapieres von einer anderen Bank als Pensionsnehmer bzw. Entleiher eines Wertpapieres erhält. Werden inländische Dividenden an ein ausländisches Kreditinstitut als Ausgleichszahlung weitergeleitet, kommt die Befreiung nicht zur Anwendung.
29.6.4 Kapitaleinkünfte bei Auslandsfilialen
Unter ausländischen Betriebsstätten von Banken sind rechtlich unselbständige Filialen inländischer Kreditinstitute im Ausland zu verstehen. Die Befreiungsbestimmung stellt auf den Betriebsstättenbegriff des § 29 BAO ab.
Die Befreiung umfasst Einkünfte aus Kapitalvermögen, das bei ausländischen Betriebsstätten von inländischen Kreditinstituten besteht.
Zu den Rechtsfolgen bei der Übertragung von Kapitalanlagen von Depots ausländischer Betriebsstätten auf Depots inländischer Betriebsstätten bzw. bei Umbuchung von Bankeinlagen bei einer Auslandsfiliale zu einer Inlandsfiliale siehe Abschnitt 20.2.2.4.3.
29.6.5 Befreiungserklärung
29.6.5.1 Anwendungsbereich
Von der Befreiung in sachlicher Hinsicht sind umfasst
- ausländische Beteiligungserträge iSd § 27 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 (Dividenden, gleichartige Bezüge aus Genussrechten, deren Schuldner im Inland weder die Geschäftsleitung noch den Sitz haben),
- Zinsen und Erträgnisse aus Kapitalforderungen iSd § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 (etwa aus Einlagen bei Banken, Forderungswertpapieren, Ergänzungskapital iSd BWG oder VAG)
- Einkünfte aus Substanzgewinnen iSd § 27 Abs. 3 EStG 1988 sowie
- Einkünfte aus Derivaten iSd § 27 Abs. 4 EStG 1988.
In persönlicher Hinsicht umfasst die Befreiung Einkünfteempfänger, die keine natürlichen Personen sind, also
- inländische und ausländische juristische Personen sowie
- inländische und ausländische Personengesellschaften, an denen ausschließlich juristische Personen beteiligt sind.
Weitere Voraussetzung für die Befreiung ist, dass der Steuerpflichtige unter Nachweis seiner Identität erklärt, dass das Kapital, aus dem die entsprechenden Einkünfte fließen, einem Betriebsvermögen eines in- oder ausländischen Betriebes einer Körperschaft oder einem Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts zuzurechnen ist. Als ausländische Betriebe gelten auch solche, für die im Inland keine Betriebsstätte unterhalten wird. Bei Körperschaften, die unter § 7 Abs. 3 KStG 1988 fallen, ist dies in der Regel der Fall, da bei ihnen alle Einkünfte den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen sind (zur Liebhaberei bei Körperschaften im Sinne des § 7 Abs. 3 KStG 1988 siehe LRL 2012 Rz 138 ff). Bei anderen juristischen Personen und bei Körperschaften öffentlichen Rechts ist ein Betrieb im steuerlichen Sinn nur dann gegeben, wenn dieser auch eine (steuerpflichtige oder steuerbefreite) Einkunftsquelle darstellt.
Eine Befreiungserklärung ist daher nicht zulässig für Kapitalanlagen, die
- einem Liebhabereibetrieb zuzurechnen sind (zu beachten ist, dass gemäß § 5 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993, die dort genannten Betätigungen keine Liebhaberei darstellen);
- einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb einer Körperschaft öffentlichen Rechts (kein Betrieb gewerblicher Art im Sinne des § 2 KStG 1988) oder
- einem Hoheitsbetrieb zuzurechnen sind.
Ob der Betrieb steuerpflichtig oder steuerbefreit ist, ist unerheblich. Es können daher auch steuerbefreite Betriebe, wirtschaftliche Geschäftsbetriebe von beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften (zB entbehrlicher, unentbehrlicher Hilfsbetrieb iSd § 45 Abs. 1 bzw. 2 BAO, begünstigungsschädlicher Betrieb iSd § 44 Abs. 1 BAO) eine Befreiungserklärung abgeben. Liegen bei Steuerpflichtigen sowohl die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 94 Z 5 EStG 1988 als auch für eine Befreiung nach § 94 Z 6 EStG 1988 vor (zB unentbehrliche Hilfsbetriebe bei gemeinnützigen Vereinen), ist bei Abgabe einer KESt-Befreiungserklärung nach § 94 Z 5 EStG 1988 eine generelle KESt-Freistellung des jeweiligen Kontos bzw. Depots seitens des Abzugsverpflichteten zulässig.
Bei einer Mitunternehmerschaft ist eine Befreiungserklärung nur zulässig, wenn an dieser ausschließlich Körperschaften beteiligt sind. Sind auch natürliche Personen beteiligt, unterliegen die Kapitaleinkünfte zur Gänze der KESt und die beteiligten Körperschaften haben die einbehaltene KESt im Rahmen der Veranlagung auf die KÖSt anzurechnen bzw. gutzuschreiben.
Eine Befreiungserklärung kann auch von einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft abgegeben werden, wenn sämtliche Gesellschafter juristische Personen sind (zB vermögensverwaltende KG an der sämtliche beteiligten Gesellschafter die Voraussetzungen für die Befreiung gemäß § 94 Z 5 EStG 1988 erfüllen).