3.1. Begriff der Lieferung
3.1.1. Liefergegenstand
342
Eine Lieferung liegt vor, wenn der Unternehmer jemand anderen befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen.
Gegenstände sind
- körperliche Sachen oder
- andere Wirtschaftsgüter, die nach der Verkehrsauffassung wie körperliche Sachen behandelt werden [zB Energie, Gas, elektrischer Strom (VwGH 10.11.1995, 94/17/0219), Wärme oder Kälte (vgl. Art. 15 Abs. 1 MwSt-RL 2006/112/EG idF RL 2009/162/EU), Dampf, Wasserkraft, Tiere, Firmenwert].
Zum Ort der Lieferung von Gas oder Elektrizität siehe Rz 474a bis Rz 474e.
Zum Ort der Lieferung von Wärme oder Kälte siehe Rz 474a ff.
343
Auch Gesamtsachen (= Sachgesamtheiten) sind grundsätzlich als Gegenstände von Lieferungen anzusehen. Eine Gesamtsache ist eine Zusammenfassung mehrerer Sachen, die nach der Verkehrsauffassung als eine Sache anzusehen ist und mit einem gemeinschaftlichen Namen bezeichnet wird (§ 302 ABGB, zB Gestühl eines Vortragssaales, Bibliothek, Gemäldegalerie). Hinsichtlich Steuersatz siehe Rz 1169 bis Rz 1173.
3.1.2. Abgrenzung zur sonstigen Leistung
344
Die Unterscheidung zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen ist für die Beurteilung des Leistungsortes, einer allfälligen Steuerbefreiung und des Steuersatzes von Bedeutung.
Es gibt einheitliche Leistungen, die sowohl Elemente einer Lieferung als auch einer sonstigen Leistung enthalten. Hierbei kommt es darauf an, ob die Leistung nach ihrer überwiegenden wirtschaftlichen Bedeutung als Erwerb eines Gegenstandes oder als ein Tun, Dulden, oder Unterlassen anzusehen ist. Dieses Überwiegen ist anhand der Verkehrsauffassung und nach der Absicht der Parteien zu ermitteln (VwGH 14.3.1980, 2045/79).
345
Abbauverträge: Bemisst sich das Entgelt für die Überlassung eines Grundstückes zur Gewinnung von Bodensubstanz nach der Menge des abgebauten Materials liegt eine Lieferung vor (VwGH 21.6.1977, 2420/76; VwGH 3.11.1986, 85/15/0098).
Devisengeschäft: Geschäfte, bei denen die eine Partei einen vereinbarten Betrag in einer Währung kauft und als Gegenleistung an die andere Partei einen vereinbarten Betrag in einer anderen Währung verkauft, wobei diese beiden Geldbeträge am gleichen Wertstellungstag zu zahlen sind, und bei denen sich beide Parteien über die betreffenden Währungen, die zu kaufenden und zu verkaufenden Beträge sowie darüber, welche Partei welche Währung kauft, und über den Tag der Wertstellung geeinigt haben, sind sonstige Leistungen (EuGH 14.7.1998, Rs C-172/96, „First National Bank of Chicago“).
Grabpflege: Beschränkt sich die Leistung eines Gärtners darauf, Blumenschmuck auf einem Grabe auszusetzen, ohne eine weitere Betreuung des Grabes (zB Instandhaltung, Pflege) zu übernehmen, so ist seine Leistung nach ihrer überwiegenden wirtschaftlichen Bedeutung als Lieferung der Pflanzen anzusehen.
Herkunftsnachweise nach § 10 Ökostromgesetz 2012, BGBl. I Nr. 75/2011, und RECS Zertifikate: Die steuerbare Übertragung von Herkunftsnachweisen nach § 10 Ökostromgesetz 2012, BGBl. I Nr. 75/2011, und RECS Zertifikaten stellt eine sonstige Leistung dar, die unter § 3a Abs. 6 bzw. Abs. 14 UStG 1994 (bis 31.12.2009: § 3a Abs. 10 UStG 1994 – Katalogleistung) fällt. Sie ist nicht gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 UStG 1994 steuerbefreit.
Leasing: Kommt es im Rahmen eines Leasingvertrags zur Verschaffung der Verfügungsmacht an den Leasingnehmer, liegt eine Lieferung vor. Eine Lieferung liegt bei einem Standard-Mietvertrag mit Kaufoption nur vor, wenn aufgrund der finanziellen Vertragsbedingungen davon ausgegangen werden kann, dass, wenn der Vertrag bis zum Ende seiner Laufzeit geführt wird, die Optionsausübung zum gegebenen Zeitpunkt als einzig wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Leasingnehmer erscheint (vgl. EuGH 4.10.2017, Rs C-164/16, Mercedes-Benz Financial Services UK Ltd; VwGH 30.4.2019, Ra 2017/15/0071).
Erfolgte die Zurechnung bei vor dem 1.1.2021 abgeschlossenen Leasingvertragen nach einkommensteuerlichen Grundsätzen, gilt Folgendes: Ist das Leasinggut nach einkommensteuerlichen Grundsätzen (EStR 2000 Rz 135 ff) dem Leasinggeber zuzurechnen, liegt eine sonstige Leistung, ist es dem Leasingnehmer zuzurechnen, liegt eine Lieferung vor (zum Vorliegen einer missbräuchlichen Praxis siehe Rz 1802a).
Meinungsumfrage: Die Überlassung von schriftlich dargestellten Ergebnissen einer Meinungsumfrage auf dem Gebiet der Marktforschung ist eine sonstige Leistung, weil die Weitergabe von Informationen im Vordergrund steht (BStBl II 1974, 259).
Reparaturen oder Verbesserungsarbeiten in Verbindung mit Lieferungen: Wird der Liefergegenstand vor dem Liefervorgang noch repariert oder verbessert, liegt eine einheitliche Leistung vor, die als Lieferung zu qualifizieren ist (VwGH 27.2.1990, 89/14/0197; VwGH 16.4.1991, 90/14/0012; VwGH 22.4.1998, 95/13/0144).
Restaurationsumsätze: Restaurationsumsätze sind als sonstige Leistung anzusehen (EuGH 02.05.1996, Rs C-231/94, Faaborg – Gelting Linien A/S), siehe näher Rz 641e und Art. 6 VO (EU) 282/2011, ABl. Nr. L 77 vom 23.03.2011 S. 1.
Software-Überlassung: Beim Verkauf von Standard-Software auf Diskette oder anderen Datenträgern liegt eine Lieferung vor (siehe auch Rz 642c). Bei der Überlassung nicht standardisierter Software, die speziell nach den Anforderungen des Anwenders erstellt wird oder die eine vorhandene Software den Bedürfnissen des Anwenders individuell anpasst, liegt eine sonstige Leistung vor. Auch die Übertragung von Standard-Software auf elektronischem Weg (zB Internet) ist eine sonstige Leistung.
Vertrag über die Verwaltung von Tankkarten: Bei der Verrechnung von Treibstoff unter Verwendung von Tankkarten durch einen Mineralölunternehmer an einen Unternehmer, der im Rahmen einer Vereinbarung über die Verwaltung von Tankkarten für den unmittelbaren Verwender der Tankkarte, Tankkarten lediglich organisiert und verwaltet, kommt es einerseits zu einer Lieferung von Treibstoff des Mineralölunternehmers an den unmittelbaren Verwender der Tankkarte sowie andererseits zu einer Dienstleistung des die Verwaltung der Tankkarten ausführenden Unternehmers an den unmittelbaren Verwender der Tankkarte. Diese Dienstleistung kann unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a UStG 1994 steuerfrei sein (vgl. EuGH 15.5.2019, C-235/18, Vega International Car Transport and Logistic).
Bei Tankkartenverträgen, die den Einkauf und Verkauf von Treibstoffen regeln, ist hingegen von einer Lieferung in der Reihe auszugehen.
Theaterkarten: Der Verkauf durch den Betreiber eines Theaters ist noch keine Leistung. Diese wird erst durch die Theateraufführung erbracht. Zu den Gutscheinen siehe Rz 4. Zur Anzahlungsbesteuerung siehe Rz 2607.
Tonträger (Compact Discs, Musikkassetten, Schallplatten): Der Verkauf eines Tonträgers im Einzelhandel an einen Letztverbraucher ist eine Lieferung. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn die Übertragung eines Rechtes der wesentliche wirtschaftliche Gehalt des Leistungsaustausches wäre:
Beispiel:
Der Unternehmer A verkauft dem Betreiber eines Rundfunkunternehmens R Tonträger mit Musik, die A selbst aufgenommen hat. A räumt dem R das Werknutzungsrecht ein, die Musikaufnahmen bei seinen Rundfunksendungen zu verbreiten, sowie die Tonträger bei Bedarf zu vervielfältigen. Der wesentliche wirtschaftliche Gehalt der Leistungen des A besteht in der Einräumung von Werknutzungsrechten im Sinne von §§ 24, 26 und 27 Urheberrechtsgesetz, BGBl. Nr. 111/1936. A hat daher eine sonstige Leistung erbracht, die unter § 3a Abs. 6 bzw. Abs. 14 Z 1 UStG 1994 (bis 31.12.2009: § 3a Abs. 10 Z 1 UStG 1994 – Katalogleistung) fällt (VwGH 05.06.1963, 1870/61).
Treibhausgasemissionszertifikate: Die steuerbare Übertragung von Treibhausgasemissionszertifikaten iSd Richtlinie 2003/87/EG stellt eine sonstige Leistung dar, die unter § 3a Abs. 6 bzw. Abs. 14 UStG 1994 fällt (EuGH 8.12.2016, Rs C-453/15, A und B).
Sie ist nicht gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 UStG 1994 steuerbefreit.
Verlagsvertrag: Übergibt ein Autor dem Verleger ein Manuskript und räumt er diesem ein Werknutzungsrecht (§§ 24 und 26 Urheberrechtsgesetz, BGBl. Nr. 111/1936) daran ein, liegt im Unterschied zum Bücherverkauf eine sonstige Leistung vor, die unter § 3a Abs. 6 bzw. Abs. 14 Z 1 UStG 1994 (bis 31.12.2009: § 3a Abs. 10 Z 1 UStG 1994 – Katalogleistung) fällt, weil die Einräumung dieses Rechtes im Vordergrund steht (VwGH 29.06.1959, 2466/57; VwGH 15.09.1986, 84/15/0186, 84/15/0187).
Viehmastgeschäfte: Übernimmt ein Landwirt die Tiere eines anderen Landwirtes zur Auffütterung, so ist die Erzielung eines Masterfolges (sonstige Leistung) und nicht die Lieferung von Futter als Leistungsinhalt anzusehen.
Wildabschuss: Die dem Leistungsempfänger vom Unternehmer eingeräumte Möglichkeit, in einem dem Unternehmer gehörigen Gatterrevier Wild abzuschießen und sich die Trophäe sowie das Fleisch des Wildes zuzuwenden, ist eine einheitliche Leistung. Je nachdem, ob die Überlassung des Fleisches samt Trophäe einerseits oder das Dulden der Jagd und des Abschusses andererseits als Leistungsinhalt überwiegt, liegt eine Lieferung oder sonstige Leistung vor. Ist der Verkehrswert der Trophäen und des ebenso überlassenen Fleisches niedriger als die Hälfte des vom Jagdgast aufzuwendenden Entgeltes, liegt eine sonstige Leistung vor (VwGH 14.03.1980, 2045/79; VwGH 13.05.1982, 81/15/0013), die unter § 3a Abs. 9 UStG 1994 (Grundstücksort; bis 31.12.2009: § 3a Abs. 6 UStG 1994) fällt.
Zeitschriftenherstellung: Die Herstellung von Zeitschriften unter Bereitstellung von Text und Bildmaterial durch den Auftraggeber ist als Lieferung von Zeitschriften zu behandeln.
3.1.3. Einheitlichkeit der Leistung
3.1.3.1. Allgemeines
346
Gegenstand der Umsatzsteuer ist grundsätzlich jede einzelne Leistung. Eine einheitliche Leistung liegt nur dann vor, wenn mehrere Leistungen erbracht werden, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie in wirtschaftlicher Hinsicht objektiv ein Ganzes bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile aber Nebenleistungen darstellen, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen (vgl. ua. EuGH 27.10.2005, Rs C-41/04, Levob Verzekeringen; EuGH 25.2.1999, Rs C-349/96, Card Protection Plan Ltd, EuGH 15.5.2001, Rs C-34/99, Primback Ltd, sowie VwGH 19.3.2008, 2005/15/0072 und VwGH 20.2.2008, 2006/15/0161).
Dies entspricht auch dem auf der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 21 BAO) beruhenden Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung. Demnach darf ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang für Zwecke der Umsatzbesteuerung nicht in seine Bestandteile zerlegt werden. Einheitliche Leistungen sind somit umsatzsteuerlich einheitlich zu beurteilen; die Rechtsfolgen sind für alle Teile einer einheitlichen Leistung ident und hängen vom Hauptzweck der einheitlichen Leistung ab (vgl. VwGH 21.12.1966, 0937/66; VwGH 30.3.1992, 90/15/0158). Liegt zB der Hauptzweck der einheitlichen Leistung in einer bestimmten Lieferung, so treten für die gesamte Leistung nur die Rechtsfolgen dieser bestimmten Lieferung ein.
Es ist danach ua. nicht zulässig, den einheitlichen Wirtschaftsvorgang einer Werklieferung (zB bei Errichtung eines Bauwerkes) in eine Warenlieferung und eine sonstige Leistung (Arbeitsleistung) zu zerlegen (VwGH 14.1.1963, 1364/60; VwGH 24.6.1971, 0107/71). Dies gilt auch dann, wenn über die Lieferung und die Verarbeitung des Materials getrennte Aufträge erteilt und getrennte Rechnungen gelegt werden. Ähnliches gilt für Beförderungsleistungen, die in engem Zusammenhang mit Lieferungen stehen.
3.1.3.2. Unselbstständige Nebenleistungen
347
Unselbstständige Nebenleistungen teilen das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung (Ort der Leistung, Steuerbarkeit, Steuerpflicht, Steuersatz).
Unselbstständige Nebenleistungen
- kommen üblicherweise im Gefolge der Hauptleistung vor,
- sind im Verhältnis zur Hauptleistung nach der Verkehrsauffassung von untergeordneter Bedeutung, zB weil sich das Interesse des Abnehmers regelmäßig auf die Hauptleistung konzentriert, und
- haben den Zweck, die Hauptleistung zu ergänzen, zu erleichtern, zu ermöglichen oder abzurunden. Sie haben also gegenüber der Hauptleistung eine dienende Funktion (VwGH 05.04.1984, 83/15/0045; VwGH 17.09.1990, 89/15/0048; VwGH 17.09.1990, 89/15/0051; VwGH 17.09.1996, 93/14/0055; VwGH 17.12.1996, 96/14/0016; EuGH 22.10.1998, Rs C-308/96 und Rs C-94/97, The Howden Court Hotel; EuGH 25.02.1999, Rs C-349/96, Card Protection Plan).
Das Verhältnis des Wertes der Leistungen ist hierbei nicht von ausschlaggebender Bedeutung, kann aber als Indiz herangezogen werden. Ob für alle Leistungen ein einheitlicher Preis verlangt wird oder ob alle Leistungen im Zuge eines einheitlichen Vertrages erbracht werden, ist unerheblich. Nicht erforderlich ist, dass eine der beiden Leistungen nur in Zusammenhang mit der anderen wirtschaftlich sinnvoll ist (VwGH 5.4.1984, 83/15/0045).
3.1.3.3. ABC der einheitlichen Leistungen und unselbstständigen Nebenleistungen
348
Anschluss an Strom-, Wasser- und Gasleitungen: Siehe Rz 1170.
Anschluss an das Kabelfernsehnetz: Siehe Rz 1284.
Aufladen eines Elektrofahrzeuges durch einen Mobilitätsanbieter: Beim Aufladen eines Elektrofahrzeuges ist die Durchführung des Ladevorganges unselbstständige Nebenleistung zur Lieferung von Elektrizität.
Beförderung als Nebenleistung: Ist die Beförderungsleistung im Vergleich zu einer anderen am Leistungsaustausch teilnehmenden Leistung von untergeordneter Bedeutung, kann sie eine unselbstständige Nebenleistung sein.
Bei einer Zufuhr des Liefergegenstandes darf idR der wirtschaftlich einheitliche Liefervorgang umsatzsteuerrechtlich nicht in die Lieferung der Ware und in eine Beförderungsleistung (Zustellung) zerlegt werden (VwGH 10.5.1957, 0426/55 zur Zustellung von Sand; VwGH 3.6.1964, 1437/62 zur Zustellung von Steinen zur Baustelle).
Der Transport von Kindern vom und zum Kindergarten, gleichgültig ob alle Kinder, die den Kindergarten besuchen, befördert werden, ist einen Nebenleistung zur Hauptleistung „Kindergartenbetrieb“ (VwGH 17.9.1996, 93/14/0055).
Rafting – Personenbeförderung tritt in den Hintergrund (siehe Rz 1313).
Sommerrodelbahn siehe Rz 1313.
Beförderungsnebenleistungen: Werden das Beladen, Entladen, Inkasso (EuGH 12.6.1979, Rs C-126/78, N.V. Nederlandse Spoorwegen), Umschlagen, Lagern, Besorgen der Versicherung, Entrichten des Zolls und/oder der EUSt (VwGH 29.1.1998, 96/15/0066), eine allfällige Transportbegleitung und ähnliche mit der Beförderung eines Gegenstandes im Zusammenhang stehende Leistungen vom befördernden Unternehmer erbracht, sind sie als Nebenleistungen der Güterbeförderung anzusehen.
Filmherstellung: Die (vertraglich vereinbarte) Herstellung eines Films iSd § 2 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie „Filmstandort Österreich“ stellt ein einheitliches komplexes Leistungsbündel dar, dessen Leistungsort – bei einem unternehmerischen Leistungsempfänger – gemäß § 3a Abs. 6 UStG 1994 am Empfängerort liegt.
Kreditgewährung: Siehe Rz 754 bis Rz 758.
Lehrtätigkeit: Die Überlassung von Büchern, Skripten und sonstigen schriftlichen Unterlagen, die in Zusammenhang mit der Lehrtätigkeit stehen, durch jenen Unternehmer, der diese Tätigkeit ausführt, ist als unselbstständige Nebenleistung zur Lehrtätigkeit anzusehen (VwGH 17.12.1996, 96/14/0016; vgl. VwGH 28.9.1976, 1545/74).
Die Überlassung eines Kurskonzeptes an ein auf dem Gebiet der Berufsbildung tätiges Unternehmen und die im Rahmen dieses Konzeptes erfolgende Lehrtätigkeit derselben Person stellen selbstständige Hauptleistungen dar (VwGH 27.8.1990, 89/15/0128).
Lottospielgemeinschaften/Tippgemeinschaften: Lottospielgemeinschaften erbringen an ihre Kunden eine einheitliche Leistung, die weder eine Vermittlungs- noch eine Besorgungsleistung ist. Die Serviceleistungen – wie Organisation und Durchführung der Spielgemeinschaften und Erstellung von Zahlenreihen – sind Teil dieser einheitlichen (umsatzsteuerpflichtigen) Leistung (vgl. VwGH 29.7.2010, 2008/15/0272; VwGH 24.10.2013, 2011/15/0053, sowie VwGH 18.12.2017, Ro 2016/15/0015). Siehe dazu auch Rz 657.
Messen und Ausstellungen – Leistungen der Veranstalter: Siehe Rz 640u bis Rz 640y.
Möblierte Wohnungen bzw. Geschäftsräumlichkeiten: Siehe Rz 888 und Rz 894.
Notar – Nebenleistungen in Verbindung mit der Beurkundung von Grundstückslieferungen: Siehe Rz 640b.
Portfolioverwaltung: Die entgeltliche Tätigkeit eines Unternehmers, der aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht, stellt eine einheitliche sonstige Leistung dar (EuGH 19.07.2012, Rs C-44/11, Deutsche Bank AG). Zum Leistungsort siehe Rz 642d, zur Nichtanwendung der Steuerbefreiung siehe Rz 767 ff.
Rechtsanwalt – Prozessführung als einheitliche Leistung: Die Vertretungshandlungen eines Rechtsanwaltes in einem Prozess sind als einheitliche sonstige Leistung anzusehen, die im Zeitpunkt der rechtskräftigen Beendigung des Prozesses als ausgeführt gilt (VwGH 20.12.1996, 96/17/0451).
Reparaturen in Verbindung mit Lieferungen: Siehe Rz 345.
Restaurationsumsätze: Zur Beurteilung als einheitliche sonstige Leistung siehe Rz 345.
Die Abgabe von Getränken im Rahmen eines Restaurationsumsatzes ist nicht als unselbstständige Nebenleistung der Abgabe von Speisen anzusehen. Auch kann die Abgabe von Speisen nicht als unselbstständige Nebenleistung der Abgabe von Getränken angesehen werden (VwGH 24.11.1998, 98/14/0055).
Seminarleistungen: Leistungen wie die Bereitstellung eines Seminarraumes samt Grundausstattung und Technik, Seminarbetreuung und Getränkeverabreichung stellen keine unselbstständigen Nebenleistungen zur Beherbergung dar (VwGH 20.02.2008, 2006/15/0161). Siehe auch Rz 1371.
Seminar- und Konferenzraumvermietung: Teil einer einheitlichen Leistung, die als Grundstücksvermietung angesehen wird, sind beispielsweise die Bereitstellung von
- Strom,
- Internet,
- Endreinigung,
- Bestuhlung,
- Projektor oder Beamer,
wenn dies in einer Art und einem Ausmaß passiert, wie es für Seminar- bzw. Konferenzräume üblich ist.
Wenn es die sinnvolle Nutzung des Grundstücks erfordert (zB aufgrund der Größe des Raumes), kann auch die Bereitstellung einer üblichen Ton- oder Lichttechnik (gegebenenfalls samt notwendigem Personal) noch als Teil der einheitlichen Leistung gesehen werden.
Selbständige Leistungen bilden grundsätzlich die Bereitstellung von
- besonderer Bühnentechnik
- Catering (auch nur die Bereitstellung von Getränken)
- Garderobe samt Personal
- Sicherheitspersonal (wenn dieses nicht im überwiegenden Interesse des Vermieters tätig wird).
Trainer: Trainings- und Wettkampfplanung sowie die Betreuung von Athleten auf Trainingskursen im In- und Ausland stellen eine einheitliche sonstige Leistung dar. Jener Teil der Tätigkeiten des Trainers, der der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit dient, unterliegt keiner gesonderten Beurteilung (VwGH 25.1.2000, 94/14/0123).
Warenumschließungen (Flaschen, Kisten, Fässer, sonstige Verpackungen), die üblicherweise vom Lieferer beigestellt werden, und für die Pfandgelder vereinbart werden, teilen das umsatzsteuerliche Schicksal der Lieferung (vgl. VwGH 30.5.1988, 86/15/0119).
Wasserlieferungen, Wasserzähler: Siehe „Anschluss an Strom-, Wasser- und Gasleitungen“.
Zahlungsbearbeitungsentgelt: Zusätzliche Entgelte, die der Erbringer einer Hauptleistung (zB Telekommunikationsdienstleistung) seinen Kunden bei der Wahl bestimmter Zahlungssysteme verrechnet, stellen keine Gegenleistung für eine eigenständige Zahlungsdienstleistung dar und teilen daher das Schicksal der Hauptleistung (vgl. EuGH 02.12.2010, Rs C-276/09, Everything Everywhere Ltd).
349
Keine einheitliche Leistung liegt vor:
Menüs in (Schnell)restaurants: Bei der Aufteilung pauschaler Menüpreise auf die dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Speisenumsätze und die dem Normalsteuersatz unterliegenden Getränkeumsätze ist das Pauschalentgelt im Verhältnis der Einzelverkaufspreise aufzuteilen, weil diese bereits fest stehen und keine eigene Kalkulation erfordern („lineare Kürzung“, VwGH 16.12.2009, 2008/15/0075; VwGH 20.12.2016, Ro 2014/15/0039, sowie VwGH 17.10.2017, Ra 2017/15/0056).
Versicherungsleistungen bei Leasingverträgen: Wird beim Abschluss eines Leasingvertrages auch ein Versicherungsvertrag abgeschlossen, so ist davon auszugehen, dass es sich bei der in der Versicherung des Leasingobjektes bestehenden sonstigen Leistung um eine – neben der Gebrauchsüberlassung des KFZ – eigenständige sonstige (Versicherungs-)Leistung handelt (EuGH 17.01.2013, Rs C-224/11, BGZ Leasing). Zur Steuerbefreiung von Versicherungsleistungen siehe Rz 851 bis Rz 853.
Zeitschriftenabonnements mit Online-Zugang (Rechtslage bis 31.12.2019): Die Aufteilung eines pauschalen Entgelts auf die dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften usw. und die dem Normalsteuersatz unterliegende Zurverfügungstellung einer Online-Version hat – sofern keine Einzelverkaufspreise vorliegen – nach den tatsächlichen Kosten zu erfolgen (siehe VwGH 16.12.2009, 2008/15/0075, unter Hinweis auf EuGH 22.10.1998, Rs C-308/96 und Rs C-94/97, T. P. Madgett und R. M. Baldwin). Die nicht direkt der Print- oder der Onlineproduktion zurechenbaren Kosten werden im selben Verhältnis wie die direkt zurechenbaren Kosten aufgeteilt.
Beispiel:
direkt zurechenbare Kosten:
Print: 9 Mio. €; Online: 1 Mio. €
nicht direkt zurechenbare Kosten: 10 Mio. €
Print: 90%, das sind 9 Mio. €; Online: 10%, das sind 1 Mio. €
Gesamtkosten Print: 18 Mio. € (90% der Gesamtkosten); Gesamtkosten Online: 2 Mio. € (10% der Gesamtkosten)
Erlöse Pauschalangebot: 30 Mio. €
90% der Umsätze unterliegen dem ermäßigten Steuersatz, 10% der Umsätze dem Normalsteuersatz
Erwächst dem Unternehmer jedoch durch die Zurverfügungstellung eines Online-Zugangs an seine Print-Abonnenten kein nennenswerter Aufwand und wird der Online-Zugang ohne Aufpreis (Gratis-Zugriff) eingeräumt, kann dieser Leistung (Online-Zugang) kein Teil des Printabonnementpreises zugerechnet werden (vgl. VwGH 22.11.2018, Ra 2017/15/0091).
Zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für elektronische Publikationen ab 1.1.2020 siehe Rz 1339 ff.
Zusatzartikel bei Zeitungsabonnements: Bei der Abgabe von – in keinem Bezug zum Geschäftsgegenstand des Unternehmens stehenden – Gegenständen zu einem nicht kostendeckenden Preis bei gleichzeitigem Abschluss eines Abonnementvertrages, der zu denselben Bedingungen auch von Kunden abgeschlossen wird, die keinen Gegenstand erwerben, liegen zwei Leistungen gegen Entgelt vor. Als Entgelt für die Zugabe ist der nicht kostendeckende Preis entsprechend der Preisvereinbarung mit dem Kunden anzusetzen (vgl. VwGH 27.5.2015, 2012/13/0029).
Randzahlen 350 bis 360: derzeit frei
3.2. Den Lieferungen gleichgestellter Eigenverbrauch
3.2.1. Allgemeines
361
Einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt wird die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen
- für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen,
- für den Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen, oder
- für jede andere unentgeltliche Zuwendung, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Auch die unentgeltliche Übertragung eines Betriebes oder Teilbetriebes ist einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt. Für jeden Gegenstand des übertragenen Betriebes, der ganz oder teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt hat, ist daher eine Eigenverbrauchsbesteuerung gemäß § 3 Abs. 2 UStG 1994 vorzunehmen. Bezüglich der Weiterverrechnung der auf den Eigenverbrauch entfallenden Steuer nach § 12 Abs. 15 UStG 1994 siehe Rz 2151 bis Rz 2153.
362
Die für Zwecke außerhalb des Unternehmens entnommenen Gegenstände müssen dem Unternehmen dienen oder bisher gedient haben. Ob ein Gegenstand dem Unternehmen dient, richtet sich nach § 12 Abs. 2 UStG 1994 (siehe Rz 1901 bis Rz 1952). Wurde ein gemischt genutzter Gegenstand dem Unternehmen nur insoweit zugeordnet, als er unternehmerischen Zwecken dient, kann eine Entnahme nur hinsichtlich dieses Teiles erfolgen.
3.2.2. Vorangegangener Vorsteuerabzug
363
Eine Eigenverbrauchsbesteuerung erfolgt in den Fällen des § 3 Abs. 2 UStG 1994 nur dann, wenn der Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben, wobei ein Vorsteuerabzug im Ausland oder die abstrakte Vorsteuerabzugsmöglichkeit ausreicht (VwGH 22.5.2014, 2011/15/0176).
364
Als Bestandteile gelten alle nicht selbständig nutzbaren Wirtschaftsgüter, die mit dem gelieferten Gegenstand in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen, auch wenn sie in den Gegenstand erst später eingegangen sind (zB eine nachträglich in ein KFZ eingebaute Klimaanlage). Nicht zu einem Bestandteil führen Aufwendungen für den Gebrauch und die Erhaltung des Gegenstandes, die ertragsteuerlich sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand darstellen (zB Aufwendungen für Reparatur-, Ersatz- oder Verschleißteile).
365
Um einerseits eine Doppelbesteuerung und andererseits einen unbesteuerten Endverbrauch zu vermeiden, ist eine partielle Eigenverbrauchsbesteuerung vorzunehmen.
Beispiel 1:
In ein ohne Möglichkeit eines Vorsteuerabzuges erworbenes Gebäude wird im Jahr 2001 unter Geltendmachung des Vorsteuerabzuges ein Lift eingebaut. Im Jahr 2002 wird das Grundstück entnommen.
Zu einer Eigenverbrauchsbesteuerung kommt es nur hinsichtlich des Grundstücksteils Lift.
366
Diese Beurteilung ist auch bei Großreparaturen an Gebäuden (zB Austausch der Fenster oder Türen; Erneuerung des Daches oder der Heizungsanlage; Trockenlegungsaufwand) vorzunehmen.
Beispiel 2:
An einem ohne Möglichkeit eines Vorsteuerabzuges erworbenen Gebäude wird im Jahr 2001 unter Geltendmachung des Vorsteuerabzuges eine Großreparatur vorgenommen (zB Austausch der Fenster). Im Jahr 2002 wird das Grundstück entnommen.
Zu einer Eigenverbrauchsbesteuerung kommt es nur hinsichtlich des Grundstücksteils Fenster.
Ein Vorsteuerabzug in Zusammenhang mit der laufenden Nutzung von Gebäuden (Wartung, Reparaturen, ausgenommen Großreparaturen) führt zu keiner Eigenverbrauchsbesteuerung im Falle der Entnahme.
3.2.3. Abgrenzung zu entgeltlichen Vorgängen
367
Werden Gegenstände des Unternehmens an Dritte zu einem nicht kostendeckenden Preis abgegeben, so ist zu prüfen, ob der Unternehmer diesen niedrigen Preis aus betriebswirtschaftlichen Gründen (zB Abverkauf; Lockangebot) oder aus außerbetrieblichen Motiven (familiäre oder freundschaftliche Nahebeziehungen; Gesellschafterstellung usw.) angesetzt hat. Liegen betriebliche Gründe vor, ist insgesamt von einem entgeltlichen Vorgang auszugehen. Erfolgt hingegen die Wertabgabe aus außerbetrieblichen Gründen unter dem Einstandspreis bzw. unter den Selbstkosten, so ist insgesamt von einem unentgeltlichen Vorgang auszugehen und eine Eigenverbrauchsbesteuerung gemäß § 3 Abs. 2 UStG 1994 vorzunehmen.
Beispiel
Ein Möbelhändler überlässt seiner Tochter ein Möbelstück, das er um 500 Euro eingekauft hat und laut Preisliste um 700 Euro verkauft, um 400 Euro. Für diesen Preisnachlass finden sich keine betriebswirtschaftlichen Gründe.
Es liegt insgesamt eine unentgeltliche Entnahme gemäß § 3 Abs. 2 UStG 1994 vor. Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich nach § 4 Abs. 8 lit. a UStG 1994 (idR der Einstandspreis).
Zur Anwendung des Normalwertes ab 1. Jänner 2013 siehe Rz 682.
3.2.4. Sachzuwendungen an das Personal
368
3.2.5. Andere unentgeltliche Zuwendungen
3.2.5.1. Allgemeines
369
Unentgeltliche Zuwendungen von Gegenständen, die nicht in der Entnahme von Gegenständen oder in Sachzuwendungen an das Personal bestehen, sind auch dann steuerbar, wenn der Unternehmer sie aus unternehmerischen Gründen zB zu Werbezwecken, zur Verkaufsförderung oder zur Imagepflege, tätigt. Darunter fallen insbesondere Sachspenden an Vereine, Warenabgaben anlässlich von Preisausschreiben, Verlosungen usw. zu Werbezwecken. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Empfänger die zugewendeten Gegenstände in seinem Unternehmen verwendet. Ausgenommen von der Besteuerung sind Geschenke von geringem Wert und die Abgabe von Warenmustern für Zwecke des Unternehmens. Geschenke von geringem Wert liegen vor, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Kalenderjahr zugewendeten Gegenstände insgesamt 40 Euro (ohne USt) nicht übersteigen. Aufwendungen bzw. Ausgaben für geringwertige Werbeträger (zB Kugelschreiber, Feuerzeuge, Kalender usw.) können hierbei vernachlässigt werden und sind auch nicht in die 40 Euro-Grenze miteinzubeziehen.
Nicht steuerbar ist die Gewährung unentgeltlicher sonstiger Leistungen aus unternehmerischen Gründen. Hierunter fällt zB die unentgeltliche Überlassung von Gegenständen, die im Eigentum des Zuwenders verbleiben und die der Empfänger dementsprechend später an den Zuwender zurückgeben muss.
3.2.5.2. Geschenke
370
Ein Geschenk setzt eine unentgeltliche Zuwendung an einen Dritten voraus. Die Unentgeltlichkeit ist nicht gegeben, wenn die Zuwendung als Entgelt für eine bestimmte Gegenleistung des Empfängers anzusehen ist. Ein Geschenk ist regelmäßig anzunehmen, wenn ein Unternehmer einem Geschäftsfreund oder dessen Beauftragten ohne rechtliche Verpflichtung und ohne zeitlichen oder sonstigen unmittelbaren Zusammenhang mit einer Leistung des Empfängers eine Sachzuwendung gibt (vgl. diesbezüglich EStR 2000 Rz 4813). Keine Geschenke sind zB Preise anlässlich einer Auslobung. Sie sind daher ohne Prüfung einer Geringfügigkeitsgrenze stets steuerbar.
3.2.5.3. Nicht steuerbare Abgabe von Warenmustern
371
Warenmuster sind ausdrücklich von der Steuerbarkeit ausgenommen. Hierbei handelt es sich um Gegenstände, die eine bestimmte Art bereits hergestellter Waren darstellen oder die Modelle von Waren sind, deren Herstellung vorgesehen ist; ausgenommen hievon sind jedoch gleichartige Erzeugnisse, die in solchen Mengen an denselben Empfänger abgegeben werden, dass sie insgesamt gesehen keine Muster im handelsüblichen Sinne darstellen.
Nach Art und Aussehen sollen Warenmuster einer vom Unternehmer angebotenen Ware entsprechen, potentielle Käufer von der Beschaffenheit der Ware überzeugen und damit den Kaufentschluss des Empfängers fördern. Die Abgabe eines „Warenmusters“ soll dem Empfänger nicht den Kauf ersparen, sondern ihn gerade zum Kauf anregen.
Ohne Bedeutung ist, ob Warenmuster einem anderen Unternehmer für dessen unternehmerische Zwecke oder einem Letztverbraucher zugewendet werden. Nicht steuerbar ist somit auch die Abgabe so genannter Probierpackungen im Getränke- und Lebensmitteleinzelhandel (zB die kostenlose Abgabe von losen oder verpackten Getränken und Lebensmitteln im Rahmen von Verkaufsaktionen, Probepackungen usw.) an Letztverbraucher.
3.2.5.4. Verkaufskataloge, Werbedrucke, Anzeigenblätter usw.
372
Unentgeltlich abgegebene Verkaufskataloge, Versandhauskataloge, Reisekataloge, Werbeprospekte und -handzettel, Veranstaltungsprogramme und -kalender usw. dienen der Werbung, insbesondere der Anbahnung eines späteren Umsatzes. Eine (private) Bereicherung des Empfängers ist damit regelmäßig nicht verbunden. Dies gilt auch für Anzeigenblätter mit einem redaktionellen Teil (zB für Lokales, Vereinsnachrichten usw.), die an alle Haushalte in einem bestimmten Gebiet kostenlos verteilt werden. Bei der Abgabe derartiger Erzeugnisse handelt es sich nicht um unentgeltliche Zuwendungen im Sinne des § 3 Abs. 2 UStG 1994.
3.2.5.5. Verkaufshilfen, Verkaufsschilder, Displays usw.
373
Die unentgeltliche Abgabe von Werbe- und Dekorationsmaterial, das nach Ablauf der Werbe- oder Verkaufsaktion vernichtet wird oder bei dem Empfänger nicht zu einer (privaten) Bereicherung führt (zB Verkaufsschilder, Preisschilder, so genannte Displays), an andere Unternehmer (zB vom Hersteller an Großhändler oder vom Großhändler an Einzelhändler) dient ebenfalls der Werbung bzw. der Verkaufsförderung. Das Gleiche gilt für so genannte Verkaufshilfen oder -ständer (zB Suppenständer, Süßwarenständer), die zB von Herstellern oder Großhändlern an Einzelhändler ohne besondere Berechnung abgegeben werden, wenn beim Empfänger eine Verwendung dieser Gegenstände im nichtunternehmerischen Bereich ausgeschlossen ist. Bei der Abgabe derartiger Erzeugnisse handelt es sich nicht um unentgeltliche Zuwendungen im Sinne des § 3 Abs. 2 UStG 1994.
Dagegen handelt es sich bei der unentgeltlichen Abgabe auch nichtunternehmerisch verwendbarer Gegenstände, die nach Ablauf von Werbe- oder Verkaufsaktionen für den Empfänger noch einen Gebrauchswert haben (zB Fahrzeuge, Spielzeug, Sport- und Freizeitartikel), um unentgeltliche Zuwendungen im Sinne des § 3 Abs. 2 UStG 1994.
3.2.5.6. Abgrenzung entgeltlicher Lieferungen von unentgeltlichen Zuwendungen
374
Wenn der Empfänger eines scheinbar kostenlos abgegebenen Gegenstandes für den Erhalt dieses Gegenstandes tatsächlich eine Gegenleistung erbringt, ist die Abgabe dieses Gegenstandes nicht als unentgeltliche Zuwendung nach § 3 Abs. 2 UStG 1994, sondern als entgeltliche Lieferung steuerbar. Die Gegenleistung des Empfängers kann in Geld oder in Form einer Lieferung bzw. sonstigen Leistung bestehen (§ 3 Abs. 12 bzw. § 3a Abs. 2 UStG 1994).
Beispiele:
- Falls ein Unternehmer dem Abnehmer bei Abnahme einer bestimmten Menge bzw. Überschreiten einer bestimmen Auftragssumme zusätzliche Stücke desselben Gegenstandes ohne Berechnung zukommen lässt (zB 11 Stück zum Preis von 10 Stück), handelt es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung auch hinsichtlich der zusätzlichen Stücke um eine insgesamt entgeltliche Lieferung. Ähnlich wie bei einer Staffelung des Preises nach Abnahmemengen hat in diesem Fall der Abnehmer mit dem Preis für die berechneten Stücke die unberechneten Stücke mitbezahlt.
- Wenn ein Unternehmer dem Abnehmer bei Abnahme einer bestimmten Menge bzw. Überschreiten einer bestimmen Auftragssumme außerdem andere Gegenstände ohne Berechnung zukommen lässt (zB bei Abnahme von 20 Kühlschränken wird ein Mikrowellengerät ohne Berechnung mitgeliefert), handelt es sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ebenfalls um eine insgesamt entgeltliche Lieferung.
- Eine insgesamt entgeltliche Lieferung ist zB auch die unberechnete Abgabe von Untersetzern (Bierdeckel), Saugdecken (Tropfdeckchen), Aschenbechern und Gläsern einer Brauerei oder eines Getränkevertriebes an einen Gastwirt im Rahmen einer Getränkelieferung, die unberechnete Abgabe von Autozubehörteilen (Fußmatten, Warndreiecke) und Pflegemitteln usw. eines Fahrzeughändlers an den Käufer eines Neuwagens oder die unberechnete Abgabe von Schuhpflegemitteln eines Schuhhändlers an einen Schuhkäufer.
- Weitere Fälle, in denen regelmäßig entgeltliche Lieferungen bzw. entgeltliche Leistungen vorliegen:
- Unberechnete Übereignung eines Mobilfunk-Geräts (Handy) von einem Mobilfunk-Anbieter an einen neuen Kunden, der gleichzeitig einen längerfristigen Netzbenutzungsvertrag abschließt;
- Sachprämien von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen an die Neuabonnenten einer Zeitschrift, die ein längerfristiges Abonnement abgeschlossen haben;
- Fälle, in denen regelmäßig ein tauschähnlicher Umsatz vorliegt:
- Sachprämien an Altkunden für die Vermittlung von Neukunden: Der Sachprämie steht eine Vermittlungsleistung des Altkunden gegenüber (die Hingabe der Sachprämie stellt eine entgeltliche Lieferung dar);
- Sachprämien eines Automobilherstellers an das Verkaufspersonal eines Vertragshändlers, wenn dieses Personal damit für besondere Verkaufserfolge belohnt wird (die Hingabe der Sachprämie stellt eine entgeltliche Lieferung dar).
Randzahlen 375 bis 380: derzeit frei.
3.3. Kommissionsgeschäft
381
Der Kommissionär wird im eigenen Namen und für fremde Rechnung (nämlich des Kommittenten) tätig. Gemäß § 383 UGB kann das jede natürliche oder juristische Person (Personengesellschaft) sein, die es übernimmt, Waren oder Wertpapiere für Rechnung eines Auftraggebers im eigenen Namen zu kaufen oder zu verkaufen. Es gibt drei Arten von Kommissionsgeschäften: die Einkaufs- und Verkaufskommission (§ 383 UGB) sowie die Werklieferungskommission (§ 383 Abs. 1 zweiter Satz UGB).
Bei Kommissionsgeschäften liegen zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär Lieferungen vor. Es gilt bei der Verkaufskommission der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer. Bei der Verkaufskommission gilt die Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär erst mit der Lieferung durch den Kommissionär als ausgeführt gilt. Diese Regelung bezieht sich jedoch nur auf den Zeitpunkt und nicht auch auf den Ort der Lieferung.
Hinsichtlich Kommissionsgeschäft im Binnenmarkt siehe Rz 3589.
3.3a. Handel über Plattformen und andere elektronische Schnittstellen
382
Ab 1.7.2021 werden Plattformen und andere elektronische Schnittstellen (in weiterer Folge: „Plattformen“), die Umsätze gemäß § 3 Abs. 3a UStG 1994 unterstützen, für umsatzsteuerliche Zwecke selbst zum Steuerschuldner. Dh. die Plattform wird behandelt, als hätte sie die Gegenstände vom Lieferanten selbst erworben und im eigenen Namen weiter geliefert (siehe § 3 Abs. 3a UStG 1994).
Bei Umsätzen iSd § 3 Abs. 3a UStG 1994 handelt es sich um folgende Lieferungen:
- Einfuhr-Versandhandelsumsätze (§ 3 Abs. 8a UStG 1994; siehe Rz 451), bei denen der (zollrechtliche) Einzelwert der Waren je Sendung 150 Euro nicht übersteigt und
- Lieferungen innerhalb der Gemeinschaft (inklusive innerstaatliche Lieferungen) durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet niedergelassenen Unternehmer an einen Nichtunternehmer.
Beispiel 1:
Ein kanadischer Händler verkauft ein Paar Ohrringe über eine in Irland niedergelassene und zum IOSS (vgl. § 25b UStG 1994) registrierte Plattform um 120 Euro (brutto, inkl. Umsatzsteuer) an eine Privatperson in Österreich. Die Ware gelangt direkt von Kanada nach Österreich.
Lösung:
Ab 1.7.2021 wird gemäß § 3 Abs. 3a Z 1 UStG 1994 fingiert, dass der kanadische Unternehmer (nur) für umsatzsteuerliche Zwecke an die Plattform liefert und die Plattform wiederum eine Lieferung an den Endverbraucher durchführt. Damit wird ein Reihengeschäft begründet.
Da die Warenbewegung gemäß § 3 Abs. 15 Z 2 UStG 1994 der Lieferung durch die Plattform zugeordnet wird (bewegte Lieferung), befindet sich der Lieferort für die Lieferung durch den kanadischen Unternehmer (ruhende Lieferung) gemäß § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 in Kanada (vgl. auch Rz 474g). Dieser Umsatz ist somit in Österreich nicht steuerbar.
Die Lieferung der Plattform an den Endverbraucher gilt als Einfuhr-Versandhandelsumsatz gemäß § 3 Abs. 8a lit. b UStG 1994 in Österreich als ausgeführt. Die Plattform hat die österreichische Umsatzsteuer (20 Euro) über den IOSS in Irland zu erklären und abzuführen. Die Einfuhr ist bei Vorlage der IOSS-Identifikationsnummer der Plattform steuerfrei (§ 6 Abs. 4 Z 9 UStG 1994).
Beispiel 2:
Der chinesische Händler CN, ohne Niederlassung in der EU, lagert Waren in einem Fremdlager in Deutschland. Später veräußert er die Waren über eine Plattform eines anderen Unternehmers an einen Nichtunternehmer in Österreich.
Lösung (ab 1.7.2021):
Gemäß § 3 Abs. 3a Z 2 UStG 1994 liegt eine Lieferung von CN an die Plattform und eine Lieferung der Plattform an den Nichtunternehmer in Österreich vor. Damit wird ein Reihengeschäft begründet, bei dem die bewegte Lieferung der Lieferung der Plattform zuzurechnen ist (§ 3 Abs. 15 Z 2 UStG 1994). CN hat eine iSd Art. 136a MwSt-RL 2006/112/EG (entspricht Art. 6 Abs. 4 UStG 1994) echt steuerbefreite Lieferung in Deutschland. Die Plattform hat einen innergemeinschaftlichen Versandhandel nach Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 im Inland zu versteuern. Die Plattform kann den EU-OSS (Art. 369a bis 369k MwSt-RL 2006/112/EG, entspricht Art. 25a UStG 1994) in Anspruch nehmen. Andernfalls muss die Plattform sich in Österreich steuerlich erfassen lassen.
383
§ 3 Abs. 3a UStG 1994 findet nur bei Lieferungen an Nichtunternehmer bzw. bei Einfuhr-Versandhandelsumsätzen bei Lieferungen an Nichtunternehmer oder andere der in Art. 3 Abs. 4 UStG 1994 genannten Personen (Schwellenerwerber, siehe Rz 3626) Anwendung.
Die Plattform hat im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3a UStG 1994 davon auszugehen, dass der Lieferant ein Unternehmer und der Empfänger ein Nichtunternehmer ist, wenn ihr keine gegenteiligen Informationen (zB UID des Empfängers) bekannt sind (siehe Art. 5d VO (EU) 282/2011).
384
Wann die Plattform eine Lieferung „unterstützt“, um gemäß § 3 Abs. 3a UStG 1994 als Lieferant fingiert zu werden, ergibt sich aus Art. 5b VO (EU) 282/2011:
Der Begriff „unterstützen“ bezeichnet die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, um es einem Erwerber und einem Lieferer, der über eine elektronische Schnittstelle Gegenstände zum Verkauf anbietet, zu ermöglichen, in Kontakt zu treten, woraus eine Lieferung von Gegenständen über die elektronische Schnittstelle an diesen Erwerber resultiert.
Ein Unternehmer unterstützt die Lieferung von Gegenständen jedoch dann nicht, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
a)Der Unternehmer legt weder unmittelbar noch mittelbar irgendeine der Bedingungen für die Lieferung der Gegenstände fest;
b)der Unternehmer ist weder unmittelbar noch mittelbar an der Autorisierung der Abrechnung mit dem Erwerber bezüglich der getätigten Zahlung beteiligt;
c)der Unternehmer ist weder unmittelbar noch mittelbar an der Bestellung oder Lieferung (Zustellung) der Gegenstände beteiligt.
§ 3 Abs. 3a UStG 1994 findet auch keine Anwendung auf Unternehmer, die lediglich eine der folgenden Leistungen anbieten:
a)die Verarbeitung von Zahlungen im Zusammenhang mit der Lieferung von Gegenständen;
b)die Auflistung von Gegenständen oder die Werbung für diese;
c)die Weiterleitung oder Vermittlung von Erwerbern an andere elektronische Schnittstellen, über die Gegenstände zum Verkauf angeboten werden, ohne dass eine weitere Einbindung in die Lieferung besteht.
385
Die Steuerschuld der Lieferung entsteht im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3a UStG 1994 mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Zahlung angenommen wurde (siehe § 19 Abs. 2 Z 1a UStG 1994). Wann eine Zahlung als „angenommen“ gilt, ergibt sich aus Art. 41a VO (EU) 282/2011. Dies gilt sowohl für die Lieferung der Plattform als auch – sofern steuerbar – für die Lieferung an die Plattform.
Der Zeitpunkt, zu dem die Zahlung angenommen wurde, ist der Zeitpunkt, zu dem die Zahlung bestätigt wurde oder die Zahlungsgenehmigungsmeldung oder eine Zahlungszusage des Erwerbers beim Lieferer, der die Gegenstände über eine elektronische Schnittstelle verkauft, oder für dessen Rechnung eingeht, und zwar unabhängig davon, wann die tatsächliche Zahlung erfolgt, je nachdem, welcher Zeitpunkt der frühere ist.
386
Erklärt eine Plattform im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3a UStG 1994 einen zu niedrigen Steuerbetrag, weil der Lieferant ihr gegenüber falsche Angaben gemacht hat, schuldet sie den Mehrbetrag nicht, wenn sie auf diese Informationen für die korrekte Erklärung der Steuer angewiesen war und nachweisen kann, dass sie weder wusste, noch nach vernünftigem Ermessen wissen konnte, dass diese Informationen unrichtig waren (siehe Art. 5c VO (EU) 282/2011).
Randzahlen 387 bis 390: derzeit frei.
3.4. Werklieferung
3.4.1. Begriff
391
Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder die Verarbeitung eines vom Auftraggeber beigestellten Gegenstandes übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so liegen gleichzeitig Merkmale der Lieferung und einer sonstigen Leistung vor. Der Beistellung eines Gegenstandes ist gleichzuhalten, wenn die Stoffe mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.
§ 3 Abs. 4 UStG 1994 bestimmt, dass der Vorgang als Lieferung (Werklieferung) anzusehen ist, wenn der Unternehmer, der den Gegenstand be- oder verarbeitet, Hauptstoffe verwendet, die er selbst beschafft hat. Der vom Auftraggeber beigestellte Gegenstand nimmt am Leistungsaustausch nicht teil.
3.4.2. Verwendung von Hauptstoffen
392
Ob eine Werklieferung oder eine sonstige Leistung vorliegt, hängt davon ab, ob der Unternehmer bei der Be- oder Verarbeitung des beigestellten Gegenstandes Stoffe verwendet, die er selbst beschafft und die nicht nur Zutaten oder sonstige Nebensachen sind.
Bei der Unterscheidung, was unter einem Hauptstoff, einer Zutat oder sonstigen Nebensache zu verstehen ist, kommt es in erster Linie auf die Natur des Stoffes und in Zweifelsfällen auf die Verkehrsauffassung sowie auf den Vergleich der wirtschaftlichen Bedeutung der verwendeten Stoffe an.
Als „wesentlich“ und damit als Hauptstoff ist jener Grundstoff anzusehen, der für die Herstellung des Werkes ausschlaggebend ist, wobei das Wertverhältnis, in dem die Stoffe zueinander stehen, in den Hintergrund zu treten hat (VwGH 23.12.1964, 0418/63). Für die Frage, ob ein Stoff als Hauptstoff anzusehen ist, kann auch nicht maßgebend sein, ob der betreffende Stoff zur Herstellung des Gegenstandes unentbehrlich ist, denn idR wird der Gegenstand auch ohne den Nebenstoff nicht hergestellt werden können (VwGH 12.9.1952, 1338/51). Nicht entscheidend ist weiters das Verhältnis zwischen dem Wert des Stoffes und dem Wert der Arbeit (VwGH 24.9.1958, 0591/55) sowie das Wertverhältnis zwischen den vom Unternehmer und vom Auftraggeber beigestellten Stoffen.
393
Beim Binden von Büchern und Dissertationen liegt eine Werklieferung vor (Bucheinband als Hauptstoff; VwGH 13.12.1973, 0231/73; VwGH 12.1.1978, 2005/77; VwGH 29.10.1979, 2259/77), wohingegen das Binden von Zeitschriften, Tätigkeitsberichten usw. eine Werkleistung darstellt (VwGH 29.11.1984, 83/15/0083, VwGH 14.11.1988, 86/15/0086).
Eine Werklieferung liegt bereits vor, wenn der Unternehmer einen von mehreren Hauptstoffen selbst beschafft und die übrigen Hauptstoffe vom Auftraggeber beigestellt werden.
Beispiel:
Ein Goldschmied fertigt aus ihm vom Auftraggeber übergebenen Feingold einen Ring an, wobei der Goldschmied einen Edelstein aus eigenen Vorräten beistellt.
Randzahlen 394 bis 400: derzeit frei.
3.5. Gehaltslieferung
Randzahlen 401 bis 410: derzeit frei.
3.6. Be- und Verarbeitung
Randzahlen 411 bis 420: derzeit frei.
3.7. Verschaffung der Verfügungsmacht
3.7.1. Allgemeines
421
Ort der Lieferung ist dort, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (und nicht dort, wo die Verfügungsmacht verschafft wird).
Bei körperlicher Übergabe ist das der Ort, an dem der Gegenstand der Lieferung dem Abnehmer oder in dessen Auftrag einem Dritten übergeben wird.
422
Wird die Verfügungsmacht durch Übergabe eines handelsrechtlichen Traditionspapieres (Ladeschein, Lagerschein, Konnossement) verschafft, so ist der Ort der Lieferung der Ort, an dem sich der Gegenstand der Lieferung zur Zeit der Übergabe des Traditionspapieres befindet. Der Ort, an dem das Traditionspapier übergeben wird, ist ohne Bedeutung.
Beispiel:
Über einen in Linz eingelagerten Gegenstand verfügt der Unternehmer in der Weise, dass dem Kunden in München der Lagerschein übergeben wird. Lieferort ist Linz.
Wasser wird dort geliefert, wo sich der Zähler befindet.
Dies gilt bis 31.12.2010 auch für die Lieferung von Wärme.
Zum Ort der Lieferung von Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte siehe Rz 474a bis Rz 474f.
423
Lieferungszeitpunkt ist der Zeitpunkt, in dem die Verfügungsmacht verschafft wird (siehe dazu Rz 425 bis Rz 426), sofern keine Sonderregelung eingreift.
Die Verschaffung der Verfügungsmacht besteht darin, dass der Lieferer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über den Gegenstand der Lieferung zu verfügen (VwGH 3.7.1980, 1289/77, 1683/80). Die Verschaffung der Verfügungsmacht setzt die einvernehmliche, endgültige Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag des Gegenstandes voraus (BFH 7.5.1987, BStBl II 582).
Die Verschaffung der Verfügungsmacht besteht meist in der Übertragung des Eigentums im Sinne des bürgerlichen Rechtes. Die Eigentumsübertragung ist jedoch keine unabdingbare Voraussetzung; der Begriff „Verfügungsmacht“ ist vielmehr ein eigenständiger Begriff des Umsatzsteuerrechtes (VwGH 10.2.1976, 2159/74).
424
Überträgt der Unternehmer das Eigentum an einem Grundstück, besitzt er jedoch auf Grund des gleichzeitig vorbehaltenen Fruchtgenusses das Grundstück wie bisher und zieht er den Ertrag aus dem Grundstück durch Fortsetzung der bestehenden Mietverhältnisse (als Fruchtnießer) liegt noch keine Lieferung vor. Es ist auch kein Fall eines Eigenverbrauches gegeben.
Hinsichtlich Kommissionsgeschäft siehe Rz 381.
Eine Lieferung liegt auch vor, wenn ein Gegenstand unter Eigentumsvorbehalt verkauft und übergeben wird.
Voraussetzung für die Verschaffung der Verfügungsmacht ist in der Regel, dass der Abnehmer die tatsächliche Herrschaft über den Gegenstand auf Grund eines übereinstimmenden Willensentschlusses des Lieferers und des Abnehmers erhält. Das gilt nicht bei Lieferungen kraft gesetzlicher oder behördlicher Anordnung (§ 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994), zB bei Zwangsversteigerungen (VwGH 10.3.1983, 82/15/0006).
Zur Veräußerung von Gutscheinen siehe Rz 4.
3.7.2. Lieferung von Bauwerken
425
Ein Bauwerk wird geliefert, sobald dem Auftraggeber die Verfügungsmacht am fertigen Werk verschafft worden ist. In aller Regel setzt die Verschaffung der Verfügungsmacht die Übergabe und Abnahme des fertig gestellten Werkes voraus. In welcher Form die Abnahme erfolgt, ist hiebei nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Eine Verschaffung der Verfügungsmacht ist insbesondere bereits dann anzunehmen, wenn der Auftraggeber das Werk durch schlüssiges Verhalten, zB durch Benützung abgenommen hat und eine förmliche Abnahme entweder gar nicht oder aber erst später erfolgen soll. Aus dem Umstand, dass der Bauführer – nachdem das Bauwerk vom Auftraggeber bereits in Benutzung genommen wurde – noch kleinere Abschlussarbeiten durchzuführen hat, um seinen vertraglichen Verpflichtungen bis ins letzte Detail ordnungsgemäß nachzukommen, kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass die Lieferung des Bauwerkes erst dann anzunehmen ist, wenn die Schlussrechnung gelegt wird oder der Auftraggeber die ordnungsgemäße Erfüllung des Bauauftrages bestätigt (VwGH 9.6.1986, 84/15/0165; VwGH 19.10.1987, 86/15/0120; VwGH 7.5.1990, 89/15/0028; VwGH 24.10.1995, 91/14/0190; VwGH 24.4.1996, 93/13/0254; VwGH 24.3.1998, 97/14/0117).
Wird zwischen den Vertragsparteien vereinbart, dass an Stelle des ursprünglich vereinbarten fertigen Bauwerkes das bisher errichtete, halbfertige Bauwerk als Gegenstand der Leistung anzusehen ist, so ist die Verfügungsmacht mit Übergabe und Abnahme des bisher errichteten Werkes übergegangen. Dasselbe gilt für den Fall der Vertragsauflösung vor Fertigstellung: Das unfertige Werk wird mit Vertragsauflösung zum neuen Gegenstand der Lieferung (VwGH 11.9.1989, 88/15/0075).
426
Die Erklärung des Insolvenzverwalters, von einem Werklieferungsvertrag zurückzutreten, bedeutet, dass der Besteller am bisher tatsächlich erbrachten Teil der Werklieferung bereits mit der Insolvenzeröffnung die Verfügungsmacht erlangt hat. Die auf Grund dieser Lieferung entstandene Umsatzsteuerforderung ist daher als Insolvenzforderung anzusehen (OGH 17.11.1987, 5 Ob 358/87).
Zu Teilleistungen in der Bauwirtschaft siehe Rz 2611 bis Rz 2618.
3.7.3. Kauf auf Probe
427
Der Ort der Lieferung bei einem Kauf auf Probe ist nach § 3 Abs. 7 UStG 1994 zu beurteilen (in diesem Sinne BFH 06.12.2007, V R 24/05). Die Verfügungsmacht wird erst dann verschafft, wenn der Kaufvertrag genehmigt wird. Bei Vereinbarung einer Probezeit gilt der Kaufvertrag bei Stillschweigen des Käufers bis nach Ablauf der Probezeit jedenfalls als genehmigt (§ 1081 ABGB). Der Kaufvertrag kann aber bereits vor Ablauf der Probezeit ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt werden. Diese Genehmigung der Ware muss dem Verkäufer bekannt werden.
3.7.4. Zwangsvollstreckung
428
Mit der Verwertung des Vollstreckungsobjektes im Zuge des verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Exekutionsverfahrens bewirkt der Vollstreckungsschuldner eine Lieferung an den Ersteher. Diese Beurteilung betrifft alle Verwertungsarten der Fahrnisexekution (Versteigerung, Freihandverkauf oder Übernahme gemäß § 40 Abgabenexekutionsordnung). Eine Lieferung liegt darüber hinaus auch in sonstigen Fällen vor, in denen kraft obrigkeitlichen Eingreifens ein Eigentumsübergang auf einen Dritten bewirkt wird, wie zB bei der Verwertung von Ansprüchen auf Leistungen von Sachen, bezüglich derer der Leistungsanspruch gepfändet wurde, und bei der Verwertung von Sachen, die gemäß § 225 Abs. 1 BAO auf Grund geltend gemachter sachlicher Haftungen beschlagnahmt wurden. Dasselbe gilt auch für die freiwillige und die gerichtliche Veräußerung im Insolvenzverfahren (§§ 114, 116, 119 IO).
429
Bei der Versteigerung von beweglichen Sachen und Liegenschaften geht im Zeitpunkt des Zuschlages (§ 156 Abs. 1 und § 237 Abs. 1 Exekutionsordnung) die Verfügungsmacht vom Verpflichteten auf den Ersteher über (VwGH 10.3.1983, 82/15/0006; VwGH 22.2.1993, 91/15/0007).
Im Rahmen des finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahrens kommt dem Dorotheum in seiner Eigenschaft als Gehilfe der Vollstreckungsbehörde umsatzsteuerrechtlich die Stellung eines Vermittlers zu.
Bei einem Verfall nach dem FinStrG sowie bei einer Preisgabe von Waren nach zollrechtlichen Vorschriften liegt mangels eines Leistungsaustausches kein steuerbarer Umsatz vor.
3.7.5. Kauf unter Eigentumsvorbehalt
430
Macht der Vorbehaltseigentümer von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch und nimmt er den gelieferten Gegenstand zurück, so liegt eine Rückgängigmachung der Lieferung vor. Diese ist gemäß § 16 Abs. 3 Z 3 UStG 1994 wie eine Änderung der Bemessungsgrundlage zu behandeln (§ 16 Abs. 3 Z 3 UStG 1994). Die Berichtigung ist für den Voranmeldungszeitraum vorzunehmen, in welchem der Vorbehaltseigentümer vom seinem Rücktrittrecht Gebrauch gemacht hat. Zudem muss der Verkäufer die Rechnung berichtigen, will er eine Steuerschuld kraft Rechnungslegung (§ 11 Abs. 14 UStG 1994) vermeiden.
Hinsichtlich des abgetretenen Eigentumsvorbehaltes siehe Rz 2409 bis Rz 2411.
3.7.6. Sicherungsübereignung
431
An einem zur Sicherheit übereigneten Gegenstand wird durch die Übertragung des Eigentums noch keine Verfügungsmacht verschafft. Bei der Sicherungsübereignung erlangt der Sicherungsnehmer zu dem Zeitpunkt, in dem er von seinem Verwertungsrecht Gebrauch macht, auch die Verfügungsmacht an dem Gegenstand. Die Verwertung der zur Sicherheit übergebenen Gegenstände führt zu zwei Umsätzen und zwar zu einer Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer und zu einer Lieferung des Sicherungsnehmers an den Erwerber.
Randzahlen 432 bis 445: derzeit frei.