4.6 Auswirkungen des Umsatzsteuerrechts auf die Einkommensteuer
4.6.1 Auswirkungen bei Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
4.6.1.1 Umsatzsteuer
Die Umsatzsteuer ist innerhalb der Unternehmerkette kein Kostenfaktor und hat wirtschaftlich gesehen den Charakter eines durchlaufenden Postens. Sie ist daher grundsätzlich erfolgsneutral. Dies wird durch den Ansatz entsprechender Forderungen und Verbindlichkeiten erreicht. Der Aktivierung des Forderungsbetrages in Höhe des zivilrechtlichen Preises (inklusive Umsatzsteuer) steht die Passivierung der Umsatzsteuer an das Finanzamt gegenüber.
Es gibt jedoch Fälle, in denen die Umsatzsteuer erfolgswirksam ist:
- Der passivierten Verbindlichkeit steht keine Forderung gegenüber (zB bei tauschähnlichen Umsätzen durch Sachleistungen an Arbeitnehmer),
- Vornahme von „Umsatz-Zuschätzungen“ durch das Finanzamt,
- Vornahme der Berichtigung der Vorsteuer gemäß § 12 Abs. 10 UStG 1994, welche nicht weiterverrechnet werden kann,
- Ausschluss vom Vorsteuerabzug zB bei Vorliegen unecht befreiter Umsätze gemäß § 6 Abs. 1 Z 7 bis 28 UStG 1994. In diesen Fällen teilt die Umsatzsteuer die steuerliche Behandlung des Entgelts (Aktivierung oder Abzug als Betriebsausgabe).
Die auf den Eigenverbrauch entfallende Umsatzsteuer ist, soweit der Eigenverbrauch eine Entnahme darstellt oder in einer nichtabzugsfähigen Aufwendung oder Ausgabe besteht, keine Betriebsausgabe (§ 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988). Eine Umsatzsteuer, die auf den Eigenverbrauch entfällt, der keine Entnahme darstellt, kann zB vorliegen, wenn eine Sachspende an eine Hochschule iSd § 4 Abs. 4 Z 5 EStG 1988 geleistet wird. In diesem Fall stellt die auf den Eigenverbrauch entfallende Umsatzsteuer eine Betriebsausgabe dar.
4.6.1.2 Vorsteuer
Entsprechend dem in Rz 731 aufgezeigten Wesen der Umsatzsteuer gehören die nach § 12 Abs. 1 UStG 1994 und nach Art. 12 UStG 1994 abziehbaren Vorsteuerbeträge nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsgutes, auf dessen Anschaffung oder Herstellung sie entfallen. Die abziehbaren Vorsteuerbeträge sind im Rahmen der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ohne Rücksicht darauf, ob sie mit der Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens oder des Umlaufvermögens im Zusammenhang stehen, als Forderungen an das Finanzamt zu aktivieren.
Beispiel:
Ein Unternehmer, der seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, kauft eine Maschine. Es werden ihm 10.000 S als Kaufpreis und 2.000 S Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Als Anschaffungskosten sind 10.000 S anzusetzen. Die Umsatzsteuer von 2.000 S ist als Forderung an das Finanzamt auszuweisen.
Nimmt der Unternehmer Skonto und dgl. in Anspruch, dann hat er (ohne Durchführung einer formellen Rechnungsberichtigung) den Vorsteuerabzug zu berichtigen. Durch die Inanspruchnahme des Zahlungsabzuges ändern sich auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des entsprechenden Wirtschaftsgutes.
Beispiel:
Der Unternehmer erhält eine Maschine um 100.000 S zuzüglich 20.000 S Umsatzsteuer geliefert, er nimmt infolge rechtzeitiger Zahlung einen Skontoabzug von 3% des Rechnungsbetrages (3.600 S) in Anspruch. Dadurch verringern sich die Anschaffungskosten der Maschine von 100.000 S auf 97.000 S und die abziehbare Vorsteuer von 20.000 S auf 19.400 S.
Wird der Vorsteuerabzug bei ertragsteuerlich nicht abzugsfähigen, umsatzsteuerlich aber zum Vorsteuerabzug berechtigenden Aufwendungen (zB Arbeitszimmeraufwendungen auf Grund VwGH 24.9.2002, 98/14/0198) nachträglich geltend gemacht, führt die auf den als nichtabzugsfähig behandelten Bruttoaufwand (Aufwand inkl. Umsatzsteuer) entfallende rückverrechnete Vorsteuer zu keiner Betriebseinnahme (vgl. Rz 1001).
4.6.1.3 Anzahlung
Das UStG 1994 sieht bei Anzahlungen eine so genannte „Mindest-Ist-Besteuerung“ vor (§ 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994). Die Umsatzsteuerschuld entsteht in dem Monat der tatsächlichen Leistung der Anzahlung, wodurch es auch bei einer Sollbesteuerung des leistenden Unternehmers zu einer Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten kommt. Der Leistungsempfänger kann bei Vorliegen der Voraussetzungen (tatsächliche Zahlung und Rechnungslegung) die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. Der Leistungsempfänger hat daher gegenüber dem Finanzamt eine Forderung auszuweisen. Die Höhe der geschuldeten Umsatzsteuer beim leistenden Unternehmer richtet sich nicht nach der vereinbarten Anzahlung, sondern nach der tatsächlich geleisteten Anzahlung, auch wenn die Rechnung über eine höhere Anzahlung gelegt wurde. Unabhängig von einer Rechnungsausstellung entsteht beim leistenden Unternehmer für die erhaltene Anzahlung die Steuerschuld. Dieser hat daher die vereinnahmte (Netto-)Anzahlung gegenüber dem die Anzahlung leistenden Unternehmer zu passivieren und den auf die Anzahlung entfallenden Umsatzsteuerbetrag als Verbindlichkeit gegenüber dem Finanzamt auszuweisen.
Im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung entsteht eine Forderung bzw. Verbindlichkeit nur noch in um die Anzahlung verringerter Höhe. Auch die Umsatzsteuerschuld entsteht nur noch bezüglich des Differenzbetrages. In der Endrechnung ist auf die geleistete Anzahlung und die darauf entrichtete Umsatzsteuer in der Form hinzuweisen, dass die Anzahlung und die entrichtete Umsatzsteuer offen in der Endrechnung vom Gesamtentgelt und der darauf entfallenden Umsatzsteuer abzusetzen sind oder dass die Anzahlung und die darauf geleistete Umsatzsteuer gesondert in der Endrechnung oder in einem Anhang zur Endrechnung angegeben werden.
4.6.1.4 Nicht abzugsfähige Vorsteuer
Soweit die bei Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsgutes des Anlage- oder Umlaufvermögens in Rechnung gestellte Vorsteuer nicht abzugsfähig ist (siehe Rz 732), gehört sie zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsgutes, auf das sie entfällt. Nichtabziehbare Vorsteuerbeträge für aktivierungspflichtige Wirtschaftsgüter sind nicht sofort als Betriebsausgabe abziehbar, sondern müssen als Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des entsprechenden Wirtschaftsgutes aktiviert werden und teilen ihr Schicksal (AfA, Investitionsfreibetrag usw.).
Beispiel:
Ein Unternehmer ist mit seinen Umsätzen unecht von der Umsatzsteuer befreit. Er erwirbt eine neue EDV-Anlage (1,000.000 S) zuzüglich 20% Umsatzsteuer (200.000 S), die gemäß § 12 UStG 1994 nicht geltend gemacht werden kann. Es ist der gesamte Rechnungsbetrag von 1.200.000 S zu aktivieren und auf die Restnutzungsdauer verteilt abzusetzen bzw. ist dieser Betrag für die Deckung eines Gewinnfreibetrages maßgebend.
Die nichtabziehbare Vorsteuer für nicht aktivierungspflichtige Wirtschaftsgüter, teilt das steuerliche Schicksal des Grundaufwandes.
Geht ein Vorsteuerabzug verloren, weil der Steuerpflichtige über die empfangene Leistung auch in der Folge keine Rechnung erhält, ein Rechnungsmangel nicht behoben oder der vom Steuerpflichtigen geltend gemachte Vorsteuerabzug vom Finanzamt (nachträglich) geändert wird, dann sind auch die entsprechenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten grundsätzlich zu berichtigen. Eine derartige Berichtigung hat auch in Fällen zu erfolgen, in denen die Aufteilung der Vorsteuerbeträge in abziehbare und nichtabziehbare gemäß § 12 Abs. 5 UStG 1994 im Wege einer Verhältnisrechnung erfolgt und sich das Verhältnis nachträglich ändert. Es bestehen jedoch in diesen Fällen keine Bedenken, von geringfügigen Berichtigungen der Anschaffungs- oder Herstellungskosten Abstand zu nehmen, wenn damit ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand verbunden wäre. In solchen Fällen sind Mehrbeträge an abziehbarer Vorsteuer als Betriebseinnahme und Minderbeträge als Betriebsausgabe zu verrechnen.
Von den oben dargelegten Änderungen des Vorsteuerabzuges sind die Berichtigungen des Vorsteuerabzuges gemäß § 12 Abs. 10 und 11 UStG 1994 zu unterscheiden. Bei diesen Berichtigungen sieht § 6 Z 12 EStG 1988 vor, dass bei solchen Berichtigungen in keinem Fall eine Änderung der entsprechenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu erfolgen hat. Vielmehr sind die Mehr- bzw. Minderbeträge an abzugsfähiger Vorsteuer stets als Betriebseinnahmen bzw. Betriebsausgaben zu behandeln, es sei denn, dass noch eine entsprechende Vorsteuerforderung gegenüber dem Finanzamt besteht, was jedoch idR nicht der Fall sein wird. Besteht noch eine derartige Forderung, dann ist diese zu berichtigen, und zwar unter gleichzeitiger Änderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsgutes, bei dem die Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse eingetreten ist.
Beispiel:
Ein Unternehmer erwarb im Jahre 1998 eine neue Büroeinrichtung im Werte von 100.0000 S zuzüglich 20% Umsatzsteuer, das sind 20.000 S, die er als Vorsteuer geltend gemacht hat.
Ab 1.Jänner 2000 ist der Unternehmer unecht von der Umsatzsteuer befreit. Auf Grund der ab dem Jahre 2000 bestehenden unechten Steuerbefreiung kommt es in den Jahren 2000 bis 2002 zu einer Vorsteuerberichtigung (§ 12 Abs. 10 UStG 1994) im Ausmaß von insgesamt 3/5 (12.000 S) des ursprünglichen Vorsteuerbetrages. Die in diesen Jahren vorzunehmende Vorsteuerberichtigung beträgt jeweils 4.000 S und ist als Betriebsausgabe abzugsfähig.
4.6.1.5 Geringwertige Wirtschaftsgüter
Soweit Vorsteuerbeträge nach den in den vorstehenden Absätzen genannten Grundsätzen nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsgutes gehören, sind sie auch nicht in die für geringwertige Wirtschaftsgüter maßgebende Wertgrenze von 400 Euro (§ 13 EStG 1988) einzubeziehen. In Fällen, in denen eine Berichtigung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten aus Gründen einer Verwaltungsvereinfachung unterbleibt (Rz 738 und 741), bestehen keine Bedenken, die Begünstigung des § 13 EStG 1988 unberührt zu belassen.